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Klimafreundliches Schulessen spart sogar Geld

Die Verbraucherzentrale Sachsen zeigt, dass Kantinenessen noch wenig umweltfreundlich ist und was jeder tun kann, damit sich das ändert.

Von Katrin Saft
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Selma, Jakob und Hermine vom Hülße-Gymnasium Dresden schauen nach einem Klima-Modellprojekt viel genauer hin, was sie in der Schule essen.
Selma, Jakob und Hermine vom Hülße-Gymnasium Dresden schauen nach einem Klima-Modellprojekt viel genauer hin, was sie in der Schule essen. © Christian Juppe

In der Schulkantine stehen Frikadelle, Erbsen, Kartoffelpüree und Bratensoße auf dem Speiseplan. Das schmeckt vielen. Doch der Geschmack ist bei der Schulverpflegung längst nicht mehr das einzige Kriterium. Aus Klimasicht fällt das Frikadellengericht durch. Denn sein ökologischer Fußabdruck ist mit 3,8 Kilogramm CO2-Äquivalent deutlich zu hoch.

„Wenn wir das Ziel erreichen wollen, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, dürften es höchstens 1,5 Kilogramm CO2-Äquivalent sein – für alle Mahlzeiten des gesamten Tages“, sagt Toni Meier, Chef des Instituts für nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft in Halle. Das ist nur ein Ergebnis des Modellprojekts „Nachhaltiges Schulessen“, das das Hülße-Gymnasium Dresden gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Sachsen und dem Institut durchgeführt hat.

Speisepläne analysiert

Ein Projekt, das Schule machen soll. Denn immer mehr Lernende im Freistaat wünschen sich, dass auch in der Kantine der Klimagedanke eine Rolle spielt – bei der Auswahl der Lebensmittel, beim Transport, der Verpackung, Lagerung und Zubereitung von Speisen genauso wie bei der Abfallvermeidung. Landwirtschaft und Ernährung sind in Deutschland für fast ein Viertel aller schädlichen Treibhausgase verantwortlich. „Statt darüber zu jammern, wollen wir zeigen, dass jeder Einzelne ganz konkret etwas für die Umwelt tun kann“, sagt Andreas Eichhorst, Vorstandschef der Verbraucherzentrale Sachsen. Dafür habe das Institut vier Wochen lang die Speisepläne der Schulkantine analysiert.

Fußabdruck berechnen

Ähnlich wie beim Fliegen lassen sich die Umwelteinflüsse einzelner Lebensmittel in Form eines CO2-Fußabdrucks darstellen. Dabei geht es vor allem um Kohlendioxid, Methan und Lachgas. Um sie vergleichbar zu machen, werden sie auf die Einheit CO2-Äquivalent umgerechnet. Mit Werten von 0,4 bis 4 Kilo CO2-Äquivalent pro Gericht waren die Unterschiede in der Dresdner Schulkantine groß. Von den insgesamt 80 untersuchten Essen konnte das Institut nur für 22 ein „klimafreundlich“ vergeben. Mit Ausnahme der Kokos-Curry-Pfanne mit Gemüse und Basmatireis sowie der Gemüsepfanne mit Reis handelte es sich dabei ausschließlich um Salate. 48 Essen lagen auf einer fünfstufigen Klimaskala im mittleren Bereich, zehn Gerichte stellten sich als teils erheblich klimabelastend heraus – so wie die Frikadelle mit Soße.

Dabei seien Änderungen schon mit vielen kleinen Schritten möglich – in allen Schulen Sachsens: indem zum Beispiel tierische Lebensmittel reduziert oder ersetzt werden. Denn diese sind für etwa 70 Prozent der ernährungsbedingten Treibhausgase verantwortlich. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche. Doch tatsächlich steht Fleisch in Kantinen oft täglich auf dem Speiseplan. „Ich wünsche mir bei uns an der Schule einen fleischfreien Tag“, sagt die Siebentklässlerin Hermine. „Dann könnten alle Schüler fleischfreies Essen kennenlernen und würden vielleicht merken, dass es lecker sein kann.“

Fleisch reduzieren statt verbieten

Angesichts der Proteste gegen den Grünen-Vorschlag eines „Veggie days“ bevorzugt Institutschef Meier aber einen anderen Weg: Rezepturenmanagement. „Man sollte Fleisch nicht verbieten, sondern durch neue Darreichungsformen in der Menge reduzieren“, sagt er. Eine trendige Bowl beispielsweise enthalte nur noch 80 Gramm statt das übliche 250-Gramm-Stück Fleisch.

Einen weiteren wichtigen Schritt zur klimafreundlichen Kantine sieht Meier in der Abfallreduzierung. Von den etwa zwölf Millionen Tonnen Lebensmitteln, die in Deutschland Jahr für Jahr weggeworfen werden, entfallen rund 14 Prozent auf die Außer-Haus-Verpflegung. Wie viele Abfälle davon aus Sachsens Schulkantinen stammen, weiß niemand. Deshalb hat das Institut in den vier Modellwochen exakt alle Reste auf den Tellern erfasst. Ergebnis: Pro Portion wurden im Schnitt 35,9 Gramm weggeworfen. Das klingt nicht viel. Bei durchschnittlich 370 Portionen am Tag kommen allerdings mehr als 265 Kilogramm im Monat zusammen. „Darunter waren etwa 50 Kilo Rindfleisch. Aufs Jahr gerechnet hätte damit eine Kuh am Leben bleiben können“, macht Verbraucherschützer Eichhorst deutlich. Bei etwa 1.550 Allgemeinbildenden Schulen in Sachsen wäre das eine ziemlich große Herde.

Eine ganze Kuh eingespart

Auch wirtschaftlich lohnt ein Blick auf die Tellerreste. In den vier Modellwochen entsprachen sie einem Warenwert von 1.117,47 Euro. „Das macht einen finanziellen Verlust von 15 Cent pro Mahlzeit“, sagt Toni Meier. Gehe man von einem realistischen Ziel aus, etwa die Hälfte der Abfälle zu reduzieren, könne der Caterer im Jahr etwa 5.000 Euro einsparen. Viele Essenanbieter gehen in Sachsen aber noch den einfacheren Weg: Sie erhöhen angesichts gestiegener Lebensmittelkosten die Preise.

Institutschef Meier empfiehlt, die Einsparungen zu nutzen, um das Kantinenessen nachhaltiger zu gestalten. Denn klimafreundliches Essen ist oft auch gesünder. Berlin zum Beispiel hat es geschafft, den Anteil an Bio-Lebensmitteln beim Schulessen schrittweise auf 50 Prozent zu erhöhen. Im Hülße-Gymnasium lag er in den Modellwochen – wie bei den meisten Schulen in Sachsen – bei Null. Ein kosteneffizienter Anfang könne sein, eine oder mehrere Grundkomponenten in Bioqualität einzusetzen – Biofrischekartoffeln, Bioteigwaren, Biokarotten oder pflanzenbasierte Biobratlinge zum Beispiel.

Wettbewerb über Qualität

In Berlin sorgt ein Festpreis für das Mittag dafür, dass die Anbieter nicht um den günstigsten Preis, sondern um die beste Qualität wetteifern. Dazu gehört aus Klimasicht auch, mehr regionale und saisonale Produkte einzusetzen. „Anstelle von Reis und weizenbasierten Teigwaren sollte zudem verstärkt mit klimarobusten, gesundheitsförderlichen Kulturen wie Buchweizen, Goldhirse oder Quinoa gekocht werden“, sagt Meier. Auch in den Küchen selbst sieht er Reserven. So sollten effizientere Gefrier-, Kühlgeräte und Spülmaschinen eingesetzt und auf klimafreundliche Verpackungen geachtet werden.

Zwar ist das Hülße-Gymnasium nicht die einzige Schule in Sachsen, die sich um eine klimafreundliche Kantine kümmert. So gibt es im Freistaat 27 Klimaschulen. Und auch die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung ruft ab 23. September wieder dazu auf, an der Aktion „Essen für das Klima“ mitzumachen. Doch trotz aller Vorteile ist das Thema noch lange nicht in der Fläche angekommen.

Kein Personal in Schulen

Die Ursachen dafür sind vielfältig. Für das Essen zuständig ist der Schulträger, der auf das Mitwirken von Schulleitung, Caterer, Schüler- und Elternvertreter angewiesen ist. Zentrales Kriterium dabei ist oft der Preis. Caterer kämpfen derzeit nicht nur mit steigendem Kostendruck. Es mangelt an ausreichend regionalen und Bio-Produkten. „Hier sind wir dran“, verspricht Sachsens Umwelt- und Landwirtschaftsminister Wolfram Günther. Rechtlichen Konflikten bei der Ausschreibung wolle man mit einer Musterausschreibung begegnen.

„Von einigen Schulen hören wir auch, dass die personellen und zeitlichen Kapazitäten für Kantinenprojekte neben dem Unterricht fehlen“, sagt Manuela Sorg, Chefin der Vernetzungsstelle. „Insofern wäre es wichtig, das Thema pädagogisch einzubinden und die Schüler zu beteiligen.“ Das sieht auch Minister Günther so. Doch für die Lehrpläne zuständig ist das Landesamt für Schule und Bildung. Und neben Günthers Behörde mischen auch noch das Kultus- und das Sozialministerium beim Thema Schulessen mit.

Verbraucherzentrale-Chef Eichhorst wünscht sich, dass das Modellprojekt den Anstoß für ein sachsenweit gemeinsames Handeln gibt. Er will es im neuen Schuljahr an Schulen in Rodewisch, Meerane und Bautzen wiederholen: „In der Kantine können wir das Ernährungsverhalten junger Menschen prägen“, sagt er. „Positive Erfahrungen tragen Schüler in die Elternhäuser – und damit in die gesamte Gesellschaft.“