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"Unser RB-Trikot ist aus komplett recycelten Fasern"

Evelyn Holderbach will den Bundesligisten RB Leipzig nachhaltiger machen und fragt, ob der leere Mannschaftsbus quer durch Europa fahren muss.

Von Daniel Klein
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Am Samstagabend jubelte RB Leipzig über ein 4:1 bei Borussia Dortmund. Die Trikots sind Klubangaben zufolge Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie des amtierenden deutschen Vizemeisters.
Am Samstagabend jubelte RB Leipzig über ein 4:1 bei Borussia Dortmund. Die Trikots sind Klubangaben zufolge Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie des amtierenden deutschen Vizemeisters. © dpa/Bernd Thissen

Frau Holderbach, warum braucht ein Fußball-Bundesligist wie RB Leipzig eine dreiköpfige Abteilung, die sich ausschließlich um die Nachhaltigkeit kümmert?

Natürlich haben wir schon viel länger erkannt, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema ist, und auf diesem Gebiet ist bei RB bereits in der Vergangenheit einiges passiert. Nur wurde bisher weder auf Grundlage einer umfassenden Strategie gearbeitet, noch haben wir hierzu intensiv kommuniziert. Wir haben für uns festgelegt, dass wir Nachhaltigkeit in Form der drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales ganzheitlich bearbeiten wollen. Die Abteilung berichtet direkt an die Geschäftsführung, dadurch haben wir einerseits eine gute Durchschlagskraft, um Dinge schnell umsetzen zu können, andererseits spiegelt diese Verortung auch die Wichtigkeit wider, die wir dem Ganzen beimessen. Nachhaltigkeit zieht sich durch den gesamten Klub, wir sind die Schnittstelle, die abteilungsübergreifend relevante Projekte koordiniert, steuert und auch selbst operativ ist.

Viele Unternehmen werben gerade mit ihren Nachhaltigkeitsstrategien. Ist das eine Modeerscheinung, ein PR-Mittel?

Bei uns ist es das definitiv nicht, sondern wir betrachten es als eine absolute Notwendigkeit. Zudem schließen sich wirtschaftliches Handeln und Nachhaltigkeit nicht aus. Wenn wir da jetzt nicht investieren, werden wir als Verein für die Zukunft nicht gewappnet sein, nicht mehr die richtigen Strukturen haben und man wird uns vermutlich in einigen Bereichen abhängen. Ein Beispiel: Die Fußballklubs und die gesamte Wirtschaft werden in absehbarer Zeit von der Politik Auflagen bei den Energieverbräuchen erhalten. Deshalb wollen wir uns hierzu frühzeitig richtig aufstellen, um "vor der Welle zu schwimmen".

Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat beschlossen, dass Nachhaltigkeit ein Teil des Lizenzierungsverfahrens wird, in der kommenden Saison beginnt eine Pilotphase. Was genau fordert die DFL?

Das ist ein mehrstufiger Prozess. Der erste Schritt mit der Integration des Themas Nachhaltigkeit in die Satzung des DFL e.V. wurde im Dezember auf der Mitgliederversammlung gemacht. Die Kriterien entwickeln die 36 Erst- und Zweitligisten zusammen mit Experten gerade, beschlossen werden sollen sie im Mai.

Evelyn Holderbach, 47, leitet bei RB Leipzig seit Januar den neuen Geschäftsbereich "Sustainability & International Development". Zuvor war die aus Götzingen in Baden-Württemberg stammende Sportwissenschaftlerin bei den Rasenballern für die Akquise und Be
Evelyn Holderbach, 47, leitet bei RB Leipzig seit Januar den neuen Geschäftsbereich "Sustainability & International Development". Zuvor war die aus Götzingen in Baden-Württemberg stammende Sportwissenschaftlerin bei den Rasenballern für die Akquise und Be © RB Leipzig

Über welche Punkte wird da diskutiert?

Nur so viel: Auch dort wird Nachhaltigkeit sehr ganzheitlich gesehen, und daher sind ökologische Themen neben Organisations- und Klubführung wie auch Anspruchsgruppen abgedeckt.

Nachhaltigkeit wird oftmals mit Umweltschutz gleichgesetzt. Dominiert dieser Bereich auch bei den künftigen DFL-Auflagen?

Die grünen Themen dominieren die Diskussionen, weil sie für die Menschen nahbarer und spürbarer sind. Das belegen auch zwei Studien, die wir unter unseren Fans gemacht haben. Daran beteiligt sind sicher die Medien, die sich vor allem auf die ökologischen Aspekte konzentrieren. Dabei sind die beiden anderen Dimensionen ebenso wichtig. Bei der Ökonomie geht es zum Beispiel um Stichworte wie Anti-Diskriminierung, Anti-Korruption und Lieferketten, im sozialen Bereich unter anderem um Diversität, Inklusion und Umgang mit Mitarbeitenden.

Zu welchen Ergebnissen sind die beiden RB-Fanstudien gekommen?

80 Prozent fordern Nachhaltigkeit von uns ein. Viele Fans vermitteln uns, dass sie sich durch unser engagiertes Handeln in diesem Bereich viel stärker mit dem Klub identifizieren würden. Erwartet wird von uns dabei vor allem das soziale Engagement, also der Einsatz für Bewegung, Gesundheit, Kinder und Jugendliche, und das Bearbeiten von Umweltthemen. Wir haben hier eine große gesellschaftliche Verantwortung und eine Vorbildfunktion, weil wir durch den Fußball viele Menschen erreichen. Wenn wir unserer Vorbildfunktion gerecht werden, können wir hoffentlich einen Anstoß dazu geben, dass im ganz persönlichen Umfeld bewusster mit den Ressourcen umgegangen wird.

Sind RB und die anderen Vereine mit Inlandsflügen zu den Bundesliga-Spielen Vorbilder?

Erst einmal fliegt die Mannschaft nicht unbedingt zu allen Partien, sondern steigt bei den näher liegenden Spielorten auch in den Bus. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das oberste Ziel und der Kern eines professionellen Vereins sportlicher Erfolg ist. Und der gerät zum Beispiel dann in Gefahr, wenn wir am Donnerstagabend bei Atalanta Bergamo in der Europa League antreten und am Sonntag dann irgendwo in Deutschland in der Bundesliga und die Strecken alle mit dem Bus zurücklegen würden. Trotzdem schauen wir natürlich auch in diesem Bereich, welchen Beitrag wir leisten können.

Wenn Flüge unvermeidbar sind – warum muss der vereinseigene Mannschaftsbus tagelang vorausfahren, um die Spieler am Flughafen in Bergamo abzuholen und ins Hotel oder Stadion zu chauffieren? Warum wird da nicht in einen italienischen Bus gestiegen?

Das ist ein Thema, das wir uns anschauen und abwägen müssen. Eine zunächst theoretische Möglichkeit wäre zum Beispiel, dass in der Champions League und der Europa League künftig die Uefa die Busse stellt – und das von lokalen Unternehmen.

Als Hertha BSC auf dem Trikot noch für die Deutsche Bahn warb, stieg die Mannschaft bei Auswärtsspielen auch mal in einen Zug. Können Sie sich das bei RB vorstellen?

Ich würde das zumindest nicht ausschließen. Aber wie schon angedeutet, der Terminkalender ist eng gestrickt.

RB hat sein Trainingszentrum in einem Naturschutzgebiet errichtet, in den nächsten Jahren soll in direkter Nachbarschaft die neue Geschäftsstelle entstehen. Wie passt das mit Nachhaltigkeit zusammen?

Zum einen gibt es durch die Tatsache, dass wir hier in einem Naturschutzgebiet sind, strenge Auflagen. Und bei den Bauplanungen für die Geschäftsstelle, die unter anderem dem sozial nachhaltigen Grundgedanken moderner Arbeitswelten mit offenen wie kommunikativen Bürokonzepten verkörpern sollen, fließt auch das Thema Biodiversität und Ressourcenschonung natürlich mit ein.

Wie konkret?

Im Bereich Energie und Wasser denken wir selbstverständlich an Fotovoltaik, an Erdwärme, an Regenwasserrückgewinnung. Das Parkhaus errichten wir unterirdisch, um nicht mehr Grünflächen als nötig zu versiegeln.