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35 Tonnen Stroh für ein Zweifamilienhaus

Beim Projekt Bockelwitz No.3 geht es nicht nur um die Nachhaltigkeit des Bauens mit Stroh. Warum den Initiatoren der soziale Aspekt wichtig ist.

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Architekt Florian Hoppe mit Bürgermeister Leisnig Carsten Graf und Architektin Alexandra Schenker-Primus (v.l.) haben ihre Idee vom Strohballenhaus-Projekt vorgestellt.
Architekt Florian Hoppe mit Bürgermeister Leisnig Carsten Graf und Architektin Alexandra Schenker-Primus (v.l.) haben ihre Idee vom Strohballenhaus-Projekt vorgestellt. © Lars Halbauer

Von Lars Halbauer

Leisnig. Stroh als Baustoff? Klingt interessant. Die Möglichkeiten sind riesig, die CO2 Ersparnis kann bis zu 40 Prozent betragen, Wenn es um Stroh geht, beginnen die Augen von Florian Hoppe zu leuchten. Er selbst wohnt mit seiner Familie und noch weiteren Familien seit mehreren Jahren in einem Wohnobjekt, welches aus Stroh gebaut ist.

Strohballenbau nennt sich diese Technik, bei der versucht wird, weitestgehend auf Beton und andere klimaschädliche Baustoffe zu verzichten und sie durch alternative Baustoffe zu ersetzen. Am Wochenende wurde dazu das Ensemble No. 3 in Bockelwitz bei Leisnig vorgestellt. Gut 50 Interessierte folgten den Ausführungen rund um die neuen Möglichkeiten des klimafreundlichen Bauens.

Bürgermeister Carsten Graf eröffnete die Informationsrunde in den Räumlichkeiten der Diakonie mit den Worten „Es soll Neues entstehen, wo, wenn nicht hier.“ Das Bauland ist einen Hektar groß, die Idee ist, dass hier alles ohne Bauträger geschaffen soll. Die Interessenten haben die Möglichkeit, Land zu kaufen oder in Erbpacht zu nutzen. Damit kann sich die Finanzierungsmöglichkeit verbessern.

Bauen in Gemeinschaft

Um sich zu finden, braucht es ebenso professionelle Unterstützung. Marion Kempe von der Dezentrale Sachsen ist darauf spezialisiert, Baugemeinschaftsprojekte zu realisieren und zu begleiten: „Wir wollen alternativ zu einem Bauträger die Möglichkeit der Baugemeinschaft suchen, bei der alle gemeinsam entscheiden. Wir bringen auch die Bewohner zusammen.“ Was sind hier gute Nachbarn, was kann man zusammen tun, wie kann man sich gegenseitig helfen.

Projektleiter Michael Kölsch als Pachtgeber und Verkäufer des Bodens liebt die Idee: „Wir müssen eine Transformation im Bau erzeugen.“ Man hofft, dass von dem Projekt in Bockelwitz auch eine Signalwirkung für weitere Bauvorhaben ausgeht. In anderen Ländern wie der Schweiz und Frankreich und auch Italien findet man viel häufiger sogenannte Last tragende Strohballenhäuser, wohl weil die Bauauflagen bei weitem nicht so kompliziert wie in Deutschland sind, berichtet Florian Hoppe. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Das Stroh kommt direkt vom Landwirt aus der Region, hier wird auf dem Feld das Stroh in die richtige Form gepresst. Die Dämm- und Bauwerte sind so gut, dass in der Planung die Heizung sehr niedrig dimensioniert werden kann.

„Wir haben im ganzen Haus keine Heizung, nur einen einzigen Kamin und das reicht, um es wohlig warm zu haben“, erzählt Florian Hoppe. Die Kosten können sich sehen lassen. Liegt ein Passivhaus im Schnitt bei 2.070 Euro/Quadratmeter, betragen die Kosten beim Strohballenhaus gute 500 Euro weniger. Lediglich die Planungsphase ist etwas aufwändiger und wird in Bockelwitz etwa 5.000 Euro mehr, als in einem Standardhaus kosten.

Auch die Angst vor Instabilität oder vor Feuer wurde entkräftet. Dazu wurde lange geforscht. An der Uni Weimar werden die Baustoffe immer weiter erforscht und die Techniken verfeinert. So sind schon mehrere Häuser von Lawinen betroffen gewesen, bei denen konventionelle Häuser Schaden genommen, Strohballenhäuser es problemlos überstanden haben.

Strohballenhäuser halten Feuer stand

Auch Feuer hat wenig Chancen. Bei der fachgerechten Verarbeitung des Strohs gibt es Feuerschutzwerte, die teilweise über denen von konventionellen Baustoffen liegen. Das Ensemble No. 3 in Bockelwitz wird von Ziegelhof Architektur – Florian Hoppe und Alexandra Schenker-Primus – betreut.Die Wände eines Strohballenhauses sind ziemlich dick. 120 Zentimeter stark werden sie geplant, dafür tragen die Ballen auch locker ein zweitstöckiges Haus. Selbst die Bodenplatte muss nicht zwingend aus Beton gearbeitet sein. Nach der Fertigstellung ist von außen kaum noch zu erahnen, dass nicht konventionell gebaut wurde, sondern aus Stroh. 35 Tonnen Stroh werden für ein Zweifamilienhaus benötigt.

Projektleiter Michael Kölsch, ein gebürtiger Schwarzwälder, aber schon seit 1990 in Sachsen beheimatet sieht das Projekt mit großen idealistischen Gedanken: „Mir ist wichtig, dass etwas entsteht, womit man zeigen kann, dass nachhaltiges Bauen und Leben möglich ist.“ „Die Autarkie, die Selbstversorgung ist hier das Entscheidende“, so Kölsch, der neben seiner Stadtrat-Tätigkeit in Leipzig ebenfalls Architekt ist. Die Gegebenheiten in Bockelwitz seien optimal.

In Bockelwitz soll aus Stroh gebaut werden. Die Strohballen sind dabei Last tragend.
In Bockelwitz soll aus Stroh gebaut werden. Die Strohballen sind dabei Last tragend. © Lars Halbauer

Idealer Standort am Südhang

Die Südhanglage des Grundstückes ermögliche eine hohe Sonnenlicht- und Wärmeausbeutung, auch Gemüse und Obst können gut angebaut werden. Selbst eine eigene Quelle kann genutzt werden. Das alles soll hier in Gemeinschaft entschieden werden. Darum kümmert sich Marion Kempe vom Netzwerk Dezentrale. Mit ihrer Expertise beraten sie und ihre Mitstreiter, worauf in Baugemeinschaften geachtet werden muss. Welche Rechtsform wird hier gewählt, welche Arbeiten können in Eigenleistung beigesteuert werden, welche Mitbewohner passen zusammen.

Danny Walther aus Polditz folgte den Ausführungen ganz genau. „Es interessiert mich, wie ökologisch und nachhaltig auch bei uns auf dem Dorf gebaut werden kann.“ Auch Stadtrat Roy Zaspel, der auch beruflich im Immobilienbereich unterwegs ist, war sehr interessiert. „Man muss wissen, was heute so möglich ist und was hier entstehen kann,“ so der Leisniger. Auch Christoph Laier war mit seinen Kindern zur Ausstellung erschienen. „Als sachkundiger Bürger nehme ich gerne Veranstaltungen wahr. Was in unserer Region passiert ist, ist wichtig zu verfolgen. Das Thema Nachhaltigkeit beim Bauen wird uns noch lange verfolgen.“