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Sachsen bundesweit Schlusslicht bei nachhaltiger Beschaffung

Der Freistaat würde meist das billigste Produkt kaufen, kritisiert das Bündnis „Sachsen kauft fair“ und fordert endlich ein neues Vergabegesetz.

Von Nora Miethke
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Im Jahr 2020 sorgte für Ärger, dass der Freistaat Corona-Schutzmasken in China einkaufte, statt Aufträge an sächsische Hersteller zu vergeben.
Im Jahr 2020 sorgte für Ärger, dass der Freistaat Corona-Schutzmasken in China einkaufte, statt Aufträge an sächsische Hersteller zu vergeben. © Kay Nietfeld/dpa (Symbolbild)

Der Freistaat Sachsen soll bundesweit Schlusslicht bei nachhaltiger Beschaffung sein. Das würden aktuelle Studien des Umweltbundesamtes und der Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt Landesnetzwerke belegen, kritisiert das Bündnis „Sachsen kauft fair“.

Meist kaufe der Freistaat das preiswerteste Produkt, ohne auf nachhaltige Aspekte wie Umweltkriterien, Tariflöhne oder die Einhaltung von Arbeitsbedingungen entlang globaler Lieferketten zu achten, heißt es in einer Pressemitteilung. Damit verstärke sich der Preiskampf zu Lasten von Mensch und Natur. Eine Reform des sächsischen Vergabegesetzes könnte dies ändern. „Sachsen kauft fair“, fordert, Nachhaltigkeitsaspekte verpflichtend in das neue Vergabegesetz aufzunehmen. Die Bündnis besteht aus der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, dem Bistum Dresden-Meißen, dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Bezirk Sachsen, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband Sachsen e.V. und dem Entwicklungspolitischen Netzwerk Sachsen e.V.. Es setzt sich für die Berücksichtigung von Sozial- und Umweltstandards bei der öffentlichen Beschaffung in Sachsen ein.

"Enorme Marktmacht"

Zwar steht die Novellierung des sächsischen Vergabegesetzes seit 2015 in den Koalitionsverträgen, doch passiert ist bisher nichts. Das zivilgesellschaftliche Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften, Umwelt- und entwicklungspolitischen Vereinen verlangt, dass der Freistaat endlich Verantwortung für seinen Einkauf übernimmt. Martin Finke, Vorsitzender des Entwicklungspolitischen Netzwerk Sachsens, betont: „Mit seiner enormen Marktmacht von weit über einer Milliarde Euro jährlich kann der Freistaat den Markt für fair gehandelte und umweltschonende Produkte stärken und ausbeuterischen Produktionsverhältnissen, Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörung eine Absage erteilen.“

Doch nicht nur in globalen Lieferketten, auch bei uns vor Ort könnte nachhaltige Vergabe nach Ansicht der Gewerkschafter den Wettbewerb um die niedrigsten Löhne stoppen. „Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen darf nur an Unternehmen erfolgen, die ihren Beschäftigten Tariflöhne zahlen. Dafür ist die Verankerung einer Tariftreueregelung im sächsischen Vergabegesetz notwendig. Die öffentliche Hand unterstützt so nicht mehr Lohndumping, sondern tarifgebundene Unternehmen, die bisher nicht zum Zuge kamen“, fordert DGB Sachsen-Chef Markus Schlimbach.

Mit seiner aktuellen Vergabepraxis werde der Freistaat seine selbstgesteckten Klimaziele nicht erreichen, wodurch auch die gesamtgesellschaftlichen Kosten durch den Klimawandel weiter steigen werden, befürchtet Professor Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen. Denn gesamtgesellschaftlich betrachtet sei Klimaschutz günstiger, als die Folgekosten von Klimazerstörung.

Zwar betone die sächsische Regierung in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und ihrem Energie- und Klimaprogramm 2021 die Notwendigkeit einer nachhaltigen Beschaffung. „Aber in der Praxis wird weiterhin meist einfach das billigste Produkt gekauft. Dabei machen andere Bundesländer vor, wie Nachhaltigkeitsaspekte beim Einkauf staatlicher Stellen berücksichtigt werden können“, kritisiert das Bündnis

Vergabegesetz-Entwurf soll im Sommer kommen

Im für das Vergabegesetz zuständigen Wirtschaftsministerium (SMWA) heißt es auf Nachfrage der Sächsischen Zeitung, dass in der vergangenen Legislaturperiode kein Entwurf vorgelegt wurde, „da sich die Koalitionspartner hinsichtlich Inhalt und Reichweite des zu novellierenden Vergabegesetzes nicht einigen konnten.“

Allerdings sitzen die Beamten im Wirtschaftsministerium nun am Entwurf für eine Novellierung, mit dem das SMWA nach eigenen Angaben im Sommer in die Abstimmung gehen will. Der Koalitionsvertrag nennt sowohl soziale als auch Nachhaltigkeitsziele, die in Zukunft bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berücksichtigt werden sollen. Dazu zählen beispielsweise Umweltverträglichkeit, Energieeffizienz, Lebenszykluskosten, Mindestarbeitsbedingungen, Mindestlohn und Chancengleichheit. Aus diesen Vorgaben werde nun „ein möglichst schlanker und verständlicher“ Gesetzentwurf erarbeitet, heißt es.

Den Vorwurf, dass immer das billigste Produkt gekauft werde, weißt der Pressereferent als „nicht verallgemeinerungsfähig“ zurück. Die einschlägigen Vorschriften schreiben zwar vor, dass ein Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist. Das wirtschaftlichste Angebot bestimme sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis und zu dessen Ermittlung könnten neben dem Preis auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden. Inwieweit bei einer Vergabe neben dem Preis auch andere Kriterien berücksichtigt werden, liege im Verantwortungsbereich der jeweiligen Vergabestelle.