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Solar-Schmetterling aus der Schweiz schwebt in Sachsen ein

Ein Forscherteam aus Luzern reist mit einem ganz besonderen Ökomobil durch Europa und lädt Umweltpioniere ein. Freiberger TU-Wissenschaftler spannten es nun für ihre Zwecke ein.

Von Leon Heyde
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Alles fest im Blick: Besucher konnten das Tiny House, das sich im SolarButterly
verbirgt, besichtigen.
Alles fest im Blick: Besucher konnten das Tiny House, das sich im SolarButterly verbirgt, besichtigen. © Matthias Rietschel

Es ist eine Wassertaufe, die deutlich zu spät kommt. Auf dem Freiberger Obermarkt klatscht ein Wasserspiel, das die Stadtverwaltung versehentlich nicht ausschaltete, an den Unterboden von Larso. Hinter dem Namen des Gastes verbirgt sich ein Tiny House, das seit dreieinhalb Monaten quer durch Europa reist. Die Besonderheit: Mit seinem Solardach versorgt der Autoanhänger sich selbst mit Energie. Der SolarButterfly soll ein Symbol für nachhaltiges Wohnen sein. Und Pionieren auf der ganzen Welt eine Bühne bieten.

Die Idee für das Projekt hatte der Schweizer Forscher Louis Palmer. Bereits vor 15 Jahren umkreiste Palmer als erster Mensch die Erdkugel in einem E-Auto. Zusammen mit der Hochschule Luzern entwickelte Palmer sein neues Projekt. Von der Grazie eines echten Schmetterlings ist der Truck weit entfernt. Während der Fahrt an einen Wohnwagen erinnernd, entfaltet der SolarButterfly im Stand seine eigentliche Bestimmung: Sind die zwei Wohnboxen seitlich ausgefahren, bietet Larso eine Wohnfläche von 30 Quadratmetern.

800 Kilogramm Ozeanplastik sind in den Solarzellen, Wänden und Möbeln verbaut. Das Solardach wird somit zum Leichtgewicht. Fast zwei Drittel an Gewicht spart die Plastikbauweise im Vergleich zu einer herkömmlichen Fotovoltaikanlage. Die Solarzellen auf dem 120-Quadratmeter-Dach liefern die Energie zum Wohnen. Und füllen die Batterien des Teslas, der den Anhänger zieht. 300 Kilometer am Tag kann das Team ohne zusätzliche Energieladung zurücklegen.

Sachsen ist zu mutlos

Allerdings soll nicht die Reise selbst im Mittelpunkt stehen, sondern die Partner, die auf den Stationen ihre Ideen präsentieren. Larso hat deshalb die aufgemalten Augen an seiner Front weit geöffnet, blickt auf die Menschen, die auf der ganzen Welt verstreut an Ideen für den Klimaschutz arbeiten.

Freiberger Entwickler zeigten ihre Ideen.
Freiberger Entwickler zeigten ihre Ideen. © Matthias Rietschel

„Menschen sollen sehen, was andere bereits für den Klimaschutz entwickeln“, sagt Kai Hickx, der Teil des Teams ist, das Larso auf seiner Tour begleitet. Dabei bemerkt er in Gesprächen Unterschiede von Station zu Station. „In Deutschland sind die Leute sehr interessiert, sie wollen sich informieren.“ Das Interesse ist dabei allerdings auch Ausdruck eines Nachholbedarfs. „Im Norden Europas, wo die Menschen sich bereits stark auf Solarenergie stützen, haben viele gesagt: Ja, das haben wir ja schon. Wir wissen, wie es geht.“

Jörg Matschulat ist Professor für Geochemie und Geoökologie an der TU Freiberg. Er ist auf das Projekt aufmerksam geworden und holte den Butterfly nach Freiberg. „Ich empfinde uns als zu mutlos“, sagt Matschulat mit Blick auf die sächsische Energiepolitik. „Wir wissen seit Jahrzehnten, welche Herausforderungen wir vor uns haben. Und ich glaube, die Wissenschaft hat daraus kein Geheimnis gemacht.“

Er hofft darauf, dass schnellstmöglich Schritte gegangen werden, die risikofrei mehr Nachhaltigkeit bringen könnten. „Wir haben in Freiberg längst Industrien, die für morgen und übermorgen arbeiten“, sagt Matschulat. „An der TU wird an Dingen geforscht, von denen viele Menschen noch überhaupt nichts gehört haben. Was aber fast von heute auf morgen umgesetzt werden könnte.“

© Matthias Rietschel

Auf dem Freiberger Obermarkt liefern Wissenschaftler der TU einen Vorgeschmack darauf. An einem Stand stellt Lukas Oppelt vom Lehrstuhl für Thermodynamik eine Technik vor, die wie auf Sachsen zugeschnitten erscheint. Geflutete alte Bergwerke können als riesige Wärmepumpen ganze Wohnviertel beheizen. Das Tiefengestein gibt seine Wärme an das Wasser im Stollen, diese wird an Haushalte und Industrie geliefert. Bereits heute wird diese Form der Wärmeversorgung an verschiedenen Standorten im Freistaat genutzt. Das Potenzial für mehr solche Projekte ist aufgrund der Vielzahl alter Bergbaureviere in Sachsen riesig. „Allein das Freiberger Kohlerevier hat ein Energiepotenzial, mit dem realistisch und kurzfristig machbar 20 Prozent der Freiberger Haushalte beheizt werden könnten“, sagt Oppelt.

Industrieentwicklung verpasst

Einen Stand weiter hat André Stapf zwei Siliziumblätter in der Hand. Mit einem Team entwickelt Stapf ein Verfahren, damit Silziummodule, die in Solarzellen verbaut sind, effektiver werden und weniger Sonnenstrahlen reflektieren. Für das Forschungsprojekt hat sich ein Industriepartner in Nürnberg gefunden, was Stapf ärgert: „Ich wünsche mir, dass es mehr Partner in Sachsen gibt, damit Kollegen auch den Anreiz haben, hier vor Ort zu bleiben.“

Jörg Matschulat kennt das Problem. „Wir leiden immer noch darunter, dass wir in Sachsen eine Industrieentwicklung verpasst haben, die der Westen bereits vor der Wiedervereinigung erlebt hat“, sagt der Freiberger Professor. „Das wird sich ändern, denn hier ist sehr viel Kreativität, sehr viel Innovationswille.“

Larso setzte seine Reise durch Europa fort. Unter anderen über Athen, den Vatikan und Barcelona geht es im November zurück in die Schweiz. Im nächsten Sommer wird der SolarButterfly nach Nordamerika verschifft. Kai Hickx ist bereits jetzt beeindruckt von den Begegnungen mit unzähligen Visionären. Er hat dennoch einen Wunsch: „Es kann immer mehr gemacht werden. Aber dafür sind nicht nur wir gefordert, sondern die Politik muss aktiv werden.“