Wie ein Nentmannsdorfer aus Altholz Unikate tischlert

Fällt jemand in und um Nentmannsdorf einen Baum, reißt er eine Scheune ab oder hat sonst altes Holz, weiß er, was zu tun ist: Er ruft Steven Kraftschenko an und sagt zum Beispiel: "Für dich ist ein Baum umgefallen." Bei Kraftschenko ist das, was von Baum und Scheune übrig ist und alles, was mit Holz zu tun hat, in besten Händen. Als Möbeltischler bewahrt er die Seele des Alten und haucht ihm neuen Atem ein. Das Ergebnis ist zum Beispiel ein Stuhl, dessen Lehne ein Geäst ist.
In seiner Werkstatt stehen die beiden Teile eines über 100 Jahre alten Küchenbüfetts. Ein Raumwunder mit vielen praktischen Details. Ausziehbares Bügelbrett, Eierbrett, Kaffeemühle zum Schieben, Brotschneidemaschine, gläserne Einschübe und unten einen flachen Schub für die Nüsse. Die Farbe des Hausfrauentraums: Eierschale. Und zwar das Original. Aus den Resten wurde die Farbe mittels moderner Technik ausgelesen und genau so wieder angerührt. Wieder verbindet sich Tradition mit Gegenwart und manchmal sogar Zukunft.

Die findet man über der Werkstatt. Dort steht, womit Kraftschenko und sein Mitarbeiter bei Messen auf sich aufmerksam machen. Auch ein Küchenbüfett und doch ganz anders. Den Korpus, der an eine alte Werkbank erinnert, bildet altes Eichenholz aus Zittau. Dorthin fuhr er wegen alter Pferdekutschenräder, zurückgekommen ist er mit viel mehr. Auf das Eichenholz hat er einen Kupferring gesetzt, der nimmt den Grünspan des alten Holzes auf. Eine moderne Herdplatte, ein Waschbecken mit Kupferwasserhahn, unzählige Schubfächer, ein Weinregal und sogar ein versteckter Mülleimer komplettieren die funktionstüchtige Küche auf kleinstem Raum. Ein Stück Dachrinne für die Kräuter gehört zu den Details, die sich überall bei Kraftschenko finden.
Es sind die Winkelbeschläge alter Fenster, die nun den Hängeschrank aus ausrangierten Balkenhölzern zusammenhalten genauso wie die einfarbigen oder bunten Sterne, die nicht nur zu Weihnachten passen. Die bunten werden aus den Holzresten gebaut, die das ganze Jahr gesammelt werden.

Steven Kraftschenko hat sich das alles selbst ausgedacht. Auf einem Tisch liegt schon die nächste Skizze. Ein großer Baumstamm als Lampenständer. Nachhaltigkeit klingt modern und ist tatsächlich nicht altbacken, nur weil die Hölzer alt sind. Kraftschenko macht nicht auf Alt, was neu ist oder auf Neu, was alt ist. Er lässt allem Material sein Alter.
Bei Berühmten zu Hause
Kraftschenko ist 36, in Nentmannsdorf aufgewachsen und nach Nentmannsdorf zurückgekommen. Zwischendurch war er nach seiner Tischlerlehre auf der spanischen Insel Ibiza. Es sollte ein Jahr sein, geworden sind es zehn. Die Tischlerei dort hatte er per Anzeige gefunden. Er war und ist dort nicht der einzige Deutsche, doch der einzige, der so lange blieb. Zurückgekommen ist er 2014 vor allem wegen seines Sohnes, der hier geboren ist. Seine Frau, eine Pirnaerin, lernte er während eines Heimataufenthalts. Sie sahen sich in ihren Urlauben, das war auf Dauer zu wenig. Am 11. Mai werden sie nun endlich wieder auf Ibiza fliegen.
Die Insel verbindet man zuerst mit Sonne, Strand, Partys und Promis. Sie ist aber mehr und vor allem auch Kunst und Künstler. Kraftschenko versteht sich als Handwerkskünstler. Etwas, was auch die Promis der Insel schätzen. Bei Fußballer Zinédine Zidane war es eine Eingangstür, bei Formel 1-Star Nico Rosberg der Tresen in seinem Eisladen und bei Nicki Lauda war die ganze Familie da, als die Tischler im Haus arbeiteten.

Ein Stück Ibiza ist auch der in der Nentmannsdorfer Werkstatt. In Form von fünf Bootskajüten zum Beispiel, die er hier aufarbeitet. Da geht es ums Restaurieren. Wegen der Internationalität hat sich Kraftschenko auch für einen englischen Namen seiner Firma entschieden. "Wood'n rustic furniture" muss er manchmal erklären. Wenn er dann sagt "rustikale Holzmöbel", ist alles klar. "Und die meisten verstehen mein Ansinnen." Es ist wieder eine Verbindung von zwei Dingen, die auf den ersten Blick nicht passen - Dorf und Englisch - auf den zweiten aber genau das perfekte Paar sind. Die Kajüten werden am Ende immer noch und wieder Kajüten. Was aus dem Holz wird, das draußen unterm Schauer liegt und trocknet, das wird sich zeigen und entscheiden auch die Kunden.
Kunden, die sich auf ihn einlassen
Kunden wie die zwei Frauen aus Graupa. Sie haben Tischler Kraftschenko durch Zufall gefunden. Wie das so ist, einer kennt einen, der einen kennt. Nun sind sie schon das zweite Mal bei ihm. Nach dem Flurschrank, dessen Foto im Tischlerei-Schaufenster zu sehen ist, wollen sie nun ein weiteres kleines Zimmer unterm Dach optimal und originell einrichten lassen. Kraftschenko mag solche Kunden, die wissen, was sie wollen und sich doch auf ihn einlassen. Und solche Kunden mögen ihn.