Leben und Stil
Merken

Wo man klimafreundlich Winterurlaub machen kann

Der Skibetrieb verbraucht viel Energie. Laax in den Schweizer Alpen rüstet auf nachhaltigen Urlaub um – von der Piste bis ins Hotelbett.

Von Nora Miethke
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Auf dem Crap Sogn Gion werden aus den Erlösen des Last Day Passes Bäume gepflanzt. Der Skiort Laax in der Schweiz will nachhaltiger werden.
Auf dem Crap Sogn Gion werden aus den Erlösen des Last Day Passes Bäume gepflanzt. Der Skiort Laax in der Schweiz will nachhaltiger werden. © PR/Dominic Zimmermann

Die Mutter von Maria Calonder ist noch vor 25 Jahren im Sommer auf dem Vorabgletscher Ski gefahren und hat sich anschließend auf der Hüttenterrasse am Fuße des Gletschers im Bikini gesonnt. Das Restaurant gibt es noch, aber der Gletscher ist jetzt fast 200 Meter entfernt. „Er schmilzt rasant, und Mitte des Jahrhunderts wird er ganz verschwunden sein“, erzählt die Tourismusmitarbeiterin im Schweizer Skiort Laax.

Der Gletscher ist nicht mehr zu retten, aber vielleicht der Wintersport noch über das Jahr 2060 hinaus. Nach jetzigen Klimaprognosen wäre Laax ab dem Jahr 2060 das ganze Jahr über grün. „Eine Zeit lang kann man mit technischer Beschneiung nachhelfen, aber mit Wintersport ist es dann vorbei“, sagt Reto Fry, Greenstyle-Beauftragter der Weisse Arena Gruppe. Deshalb wirbt er für einen hölzernen „Last Day Pass“. 80 Schweizer Franken kostet dieser besondere Skipass und soll helfen, den Ausstoß von CO2 zu kompensieren. Mit dem Erlös werden unter anderem Bäume am Crap Sogn Gion gepflanzt.

Frys Arbeitgeber und Laax sind eigentlich eins. Der Weiße Arena Gruppe gehören die Bergbahnen, fünf Hotels, 22 Restaurants und Bars, Shops und die Skiausleihe im Ort. Das Unternehmen hat ein Klimaversprechen abgegeben – bis zum Jahr 2030 will es klimaneutral sein. „Das ist machbar, aber sehr ambitioniert“, schätzt Reto Fry selbst ein. 224 Pistenkilometer, fünf Snowparks und 28 Sesselliftanlagen umfasst das Graubündner Skigebiet Laax. Allein die Bergbahnen, die Pistenraupen und die Schneekanonen verbrauchen im Jahr rund 7 Gigawattstunden Energie. Die kommen immerhin schon aus erneuerbaren Quellen, vor allem Wasserkraft. Aber Laax will mehr. Der Ort soll die Alpendestination für nachhaltigen Urlaub werden – von der Piste bis ins Hotelbett.

Für Thomas Huber, Küchenchef im Hotel Adula, war es „als reiner Fleischesser“ eine Herausforderung umzudenken. Er musste erst einmal herausfinden, wie er einen Veganer satt bekommt. Das gelingt ihm und seinem Team nicht mit fleischlosen Schnitzeln, sondern sie interpretieren typische Graubündner Gerichte neu. Capruns gibt es etwa mit Hirse und roten Linsen. In einem Topf, in dem Geflügelfond köchelte, werde kein veganes Gericht gekocht, versichert Huber. Hotelchef Paul Urchs ist mit der Resonanz der Gäste zufrieden. Die Nachfrage sei extrem hoch. Für ihn sind die veganen Neuinterpretationen kein Widerspruch, sondern eine Weiterentwicklung. „Tradition muss sich entwickeln, damit sie nicht vom Zeitgeist abgelöst wird. Man darf nicht stehen bleiben“, sagt Urchs und verrät, dass das schwierigste sei, Desserts ohne Eier und Sahne zu kreieren. Aber auch das gelingt seinem Küchenchef.

Hostel und Hallenbad in einem

In Laax wird Nachhaltigkeit aber nicht nur als Reduktion von Treibhausgasen verstanden, sondern auch in seinen sozialen Aspekten. Indem die Region und ihre Menschen stark in die touristische Wertschöpfung einbezogen werden. Ein tolles Beispiel dafür ist das Wellness Hostel 3000. Da sich eine Gemeinde meist ein Hallenbad wirtschaftlich nicht leisten kann, wurde in Laax ein modernes, stylisches Hostel oben drauf gesetzt, betrieben vom Schweizer Jugendherbergsverband. Die Schwimmhalle steht Gästen wie Anwohnern offen.

Im Hostel wird Nachhaltigkeit ganzheitlich gelebt. Aber über ein Thema könnte Kurt Schempp, Entwicklungschef beim Jugendherbergsverband, „stundenlang“ reden, und das ist Bettwäsche. Diese haben er und seine Mitarbeiter selbst entwickelt. Verwendet werden keine synthetischen Stoffe, nur hundertprozentige Baumwolle. Die Decken- und Kissenbezüge sind in Pastellfarben, weil kein Bleichmittel zum Einsatz kommt. Durch das Punktedesign fällt nicht gleich auf, dass die Bezüge nicht durch die Mangel gehen. Damit die Körperfette auch beim Waschen mit niedrigerer Temperatur als 90 Grad herausgefiltert werden, wird ein enzymhaltiges Waschmittel verwendet.

Im Riders Hotel gibt es das erste rein vegane Restaurant in Laax. Serviert werden unter anderem Polenta mit Waldpilzen.
Im Riders Hotel gibt es das erste rein vegane Restaurant in Laax. Serviert werden unter anderem Polenta mit Waldpilzen. © PR/Dominic Zimmermann

Die Möbel sind aus Vollmassiv-Holz gefertigt, damit sie später abschleifbar sind. Die Anfangsinvestition sei zwar höher, aber dafür halten Tische und Betten viel länger, so Schempp. Auch für ökologisch einwandfreie Reinigungsmittel mit EU-Label wird mehr Geld ausgegeben. „Wir wollen etwas für die Jugend tun, dann können wir nicht hier ein paar Franken sparen und die Jugend hat später den Dreck“, ist die klare Meinung des Hostelchefs. Das Personal will die Gäste nicht bevormunden, deshalb gibt es im Restaurant jeden Tag auch ein Fleischgericht im Angebot. Doch im Zentrum der Speisekarte stehen vegane Gerichte mit Lebensmitteln aus der Region. Wie Chicken Nuggets ohne Chicken schmecken, lässt sich hier ausprobieren. Das Konzept kommt gut an. Und 60 Prozent der Gäste kompensieren ihren Aufenthalt und zahlen einige Franken mehr, um CO2-frei übernachten zu können.

Das Hostel steht nicht allein, auch hochpreisigere Hotels achten mehr auf Nachhaltigkeit. Das Vorzeigehotel der Weisse Arena Gruppe ist das Riders Hotel. Vor 20 Jahren feierten hier junge Snowboarder aus aller Welt wilde Partys. Heute ist dort das erste reine vegane Restaurant von Laax eingezogen. Zu empfehlen ist die Polenta mit gebratenen Pilzen und zum Nachtisch Rotweinbirnen. Die Möbel sind secondhand gebraucht, auf dem Dach sorgt eine Solaranlage für Ökostrom. Und die jungen Wilden sind älter geworden und kommen jetzt mit ihren Kindern.

  • Den Überblick über alle Nachrichten aus Sachsens Wirtschaft gibt es zweimal wöchentlich mit unserem Newsletter "Wirtschaft in Sachsen" - hier kostenlos anmelden.

Auch für ein weiteres UN-Nachhaltigkeitsziel – die Ermächtigung von Frauen – lassen sich Beispiele finden. Iris Mannhart fährt seit vier Jahren Pistenbully, als einzige Frau im Team. Sie hat zuvor in einem anderen Skigebiet am Lift gearbeitet. „Aber dort wollte man keine Frau als Pistenbullyfahrerin, also bin ich nach Laax gewechselt“, erzählt die 30-Jährige. Sie liebt an ihrem Job die Ruhe. „Die schönste Zeit ist früh am Morgen, wenn die Berghänge noch vereinsamt sind und ich in die aufgehende Sonne schauen kann“, sagt die junge Frau, die im Sommer Landwirtin ist. Wer das erleben will, sollte sich ein Early-Bird-Ticket gönnen. 7.30 Uhr geht es mit der ersten Gondel Richtung Crap Sogn Gion hinauf. Die Plätze sind begrenzt, das Personal der Bergstationen hat Vorrang. Während Laax erwacht, kann man als Erster die frisch präparierten Pisten genießen.

Baumwipfelweg statt Skipiste

Noch vor wenigen Jahren haben Iris Mannhart und ihre Kollegen fast jeden Abend im Winter bis zu 100 Kilometer Strecke zurückgelegt. Jetzt kämpfen sie schon im Januar manchmal mit zu wenig Schnee. Die Winter werden kürzer. Mit neuen ganzjährigen Angeboten wird für die Zukunft vorgesorgt. Im Sommer 2021 öffnete der Drachenpfad. 1,56 Kilometer lang schlängelt sich der längste Baumwipfelweg der Welt durch die Natur. Die Höhe variiert, der höchste Punkt liegt auf 23 Metern, der niedrigste auf 2 Metern, der Pfad steht auf 567 Stützen.

Die Zugänge sind barrierefrei über Aufzüge möglich, also auch für Rollstuhlfahrer und junge Eltern mit Kinderwagen geeignet. Tannen, Lärchen, Föhren und wo der Boden feuchter wird, kommen noch Buchen dazu – der Wald ist sehr abwechslungsreich und die Ausblicke wunderschön. Am Ende wartet dann noch ein besonderer Spaß. Wer will, kann im Turm Murschetg die 73 Meter lange spiralförmige Rutsche hinuntersausen.