Von Miriam Schönbach
Der Schlaf war viel zu kurz. Fröstelnd zieht Ines Frenzel ihre schwarze Strickjacke eng um ihren schmalen Körper. „Wir haben bis in die Nacht zum ersten Mal unseren Stand auf dem Berliner Weihnachtsmarkt aufgebaut – und heute Morgen wurde ich gegen 6.30 Uhr geweckt, weil ein Schlüssel fehlte“, sagt die Geschäftsführerin der Pulsnitzer Lebkuchenfabrik.
Seit vier Uhr arbeitet die erste Schicht. Der Duft von Zimt, Muskat, Kardamom und Anis erfüllt den Ort. Ohne aufzublicken zählt Inge Frenzel jeweils vier runde Pfefferkuchen ab und verstaut sie in einer Tüte. „Unsere Hexenhäuschen brauchen Nachschub“, sagt die Mutter der Geschäftsführerin. Das Dreier-Gespann aus Vater Dieter, Mutter und Tochter übernahm 1992 den Betrieb aus dem Bestand der Treuhand. Dieser Schritt sicherte der einzigen Lebkuchenfabrik Ostdeutschlands ihr Weiterbestehen in der Pfefferkuchenstadt Pulsnitz. In den noch acht bestehenden Pfefferküchlereien wird seit 450Jahren der besondere Honigkuchen aus dem Lagerteig gebacken. In dieser Tradition sieht sich auch Ines Frenzel. „Unser Betrieb war schon immer ein Familienunternehmen. Es wurde vor über 150 Jahren gegründet.“
Seit damals habe sich die Anordnung der Maschinen nicht sonderlich verändert – und auch die Herstellungsweise ihrer Pfefferkuchen unterscheide sich nicht von der Handarbeit in den kleinen Pfefferküchlereien in der Stadt. Allerdings fällt hier alles viel größer aus: In 200Holzbottichen warten vier Wochen lang jeweils 70 Kilo dunkler Teig auf ihre Weiterverarbeitung. Nach dem Kneten fährt die Masse durch einen riesigen Vielfach-Ausstecher. An diesem Morgen produziert er Rechtecke am Fließband, die sogleich wieder in einem Backofen verschwinden. Nach knapp 30Metern spuckt dieser die heißen Rohlinge wieder aus. Nach einer langsamen Fahrt durch die zweite Halle tauchen die Platten in ein Schokoladenbad. Abgeschlossen ist der Prozess, wenn die glasierten und abgekühlten Pfefferkuchen in der Verpackungsmaschine landen. Zwei Tonnen dieser süßen Leckereien stehen am Ende jeder Schicht bereit. Für den Weg zwischen Teigmachen bis in die Schachtel braucht der Lebkuchen gerade 90Minuten.
„Pro Jahr produzieren wir 900Tonnen Lebkuchen. Trotzdem stellen wir keine Massenware her, sondern spezialisieren uns auf Besonderheiten“, sagt die Geschäftsführerin. Seit vier Jahren führt sie die Geschicke des Unternehmens allein, die Eltern stehen ihr mit Rat und Tat weiter bei. „Wir haben es geschafft, in vielen Handelsketten in Ost- und Westdeutschland gelistet zu sein.“ Auf diesem Erfolg will sich Ines Frenzel nicht ausruhen. Mit ihren Produkten will sie nun den Berliner Markt erobern. (ddp)