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Nachtwächter für Ostritz

Die Stadt mit eigenen Kontrolleuren sichern: die Polizei begrüßt das, im gewissen Maße.

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© Matthias Weber

Von Thomas Christmann

Er trägt Mantel und Hut als Wetterschutz. Auch Spieß, Laterne und Horn gehören zur Ausrüstung von Jochen Kaminsky. Damit streift der 58-Jährige durch die Gassen des Ortes, meldet ausgebrochene Brände, befördert Randalierer in den Arrest, bringt Betrunkene nach Hause und hält herumschleichende Diebe fest. Zumindest im Mittelalter hätte er das so machen müssen, heute führt er in der Rolle des Zittauer Nachtwächters die Touristen auf unterhaltsame Weise durch die Stadt.

Dabei könnten die Kontrolleure durchaus wieder aufleben, zumindest in Ostritz. Dort schlägt Stadtrat Thomas Göttsberger (Wählervereinigung Siedlung) vor, kommunale Wächter in der Nacht einzusetzen. Aus seiner Sicht ist in der Zeit in Ostritz und Leuba ein nahezu rechtsfreier Raum entstanden, aufgrund der räumlichen Entfernung des Reviers in Zittau und dem nur mäßig besetzten Polizeiposten vor Ort. Laut Göttsberger sind dieses Jahr vier Gespräche mit führenden Polizeivertretern gelaufen. Und dies, ohne dass sich etwas verbessert haben soll. „Gesprächstherapien bringen uns nicht weiter, Handlungen sind gefragt“, sagt er. Sollte der Freistaat die Sicherheitslage nicht in Griff bekommen, müsse die Stadt zwingend tätig werden. „Bürgerwehren werden gerne schlechtgeredet, Nachtwächter haben jedoch ein positives Image“, berichtet Göttsberger und sieht darin einen unkonventionellen Weg, der katastrophalen Sicherheitslage Herr zu werden. Er stellt sich vor, dass die Kontrolleure ehrenamtlich oder als geringfügig Beschäftigte für die Stadt nachts unterwegs sind und Vorkommnisse der Polizei melden, ohne selbst einzugreifen. „Einen Versuch ist es wert“.

Sein Vorschlag stößt in Ostritz und Leuba grundsätzlich auf Zustimmung. „Das ist keine schlechte Sache, wenn sich Leute finden“, sagt Stadtrat Norbert Kern (Unabhängige Bürger), der als zweiter Stellvertreter aufgrund von Krankheit und Urlaub gerade die Amtsgeschäfte der Bürgermeisterin führt. Präsenz zu zeigen könne nie verkehrt sein, das beruhige die Bürger auch. Allerdings müssten zuvor die Formalitäten geklärt werden, sagt er und will das Thema in der nächsten Ausschusssitzung ansprechen. Auch Kern hat den Eindruck, dass sich im Kampf gegen die Kriminalität bislang wenig tut. Klar gebe es mal einen Treffer, durch Bürgerhinweise. Aber das sei nicht das, was erwartet werde, sagt er. „Es müsste mal ein Erfolg her, die Polizei selber einen Täter schnappen.“

Dabei stehen die Einbrüche und Diebstähle in Ostritz und Leuba unverändert im Fokus ihrer Arbeit. Das berichtet Thomas Knaup von der Polizeidirektion Görlitz. Im ersten Halbjahr dieses Jahres hat sie 83 Fälle des schweren Diebstahls aufgenommen. Dabei stehen laut dem Sprecher zumeist Garagen, Schuppen oder andere Nebengelasse im Fokus, deren effektive Sicherung auch aufgrund des baulichen Zustandes nicht immer mit geringem Aufwand möglich wäre. Aber dass in Ostritz und Leuba nachts ein nahezu rechtsfreier Raum entstanden ist, hält er für eine inhaltsleere, wenig konstruktive Behauptung. „Die nicht den Tatsachen entspricht“, so Knaup. Die Beamten seien seit Wochen nahezu jeden Tag und nahezu jede Nacht offen und verdeckt operierend im Einsatz. „Die Präsenz an einem Lichtschein im Ostritzer Polizeistandort festmachen zu wollen, erscheint doch eher fragwürdig“, sagt er.

Die Beamten könnten auch bereits erste Erfolge vorweisen. Unlängst gab ein Bürger wertvolle Hinweise, um den Diebstahl eines Jetskis aufzuklären und in Bogatynia haben sie unter polnischer Führung ein Hehlerlager ausgehoben. Die Polizei werde Verwaltung, Räten und Bürgern vor Ort weiter auf Augenhöhe das Gespräch anbieten und als Partner für die Sicherheit aller sorgen. Deshalb werden nach Aussage von Knaup alle Maßnahmen der Ostritzer, Leubaer sowie Stadt begrüßt, im Sinne einer gesunden, wachsamen Nachbarschaftshilfe aufmerksam zu sein und mit der Polizei zusammenarbeiten zu wollen. Hinweise sollten so schnell wie möglich direkt an sie herangetragen werden. „Wichtig ist, sich nicht in Gefahr zu bringen oder durch eigenes Handeln strafbar zu machen“, sagt er.

Jochen Kaminsky rät allerdings von kommunalen Nachtwächtern ab, hält das für eine abenteuerliche Sache. „Man muss damit rechnen, angegriffen zu werden“, sagt er. Kriminelle würden immer rücksichtsloser. Lieber solle die Polizei in die Lage versetzt werden, dass sie ihre Arbeit machen könne, sagt der Nachtwächter.