Merken

Nadel oder Spray gegen die Allergie?

Bei der Premiere des Medizin-Heute-Gesundheitsforums im Jahr 2019 gab es eine spannende Begegnung.

Von Jens Fritzsche
 5 Min.
Teilen
Folgen
Schmerz-Experte Dr. Qiying
Chang erläuterte beim Medizin-
Heute-Gesundheitsforum, wie
Akupunktur gegen Allergie hilft.
Schmerz-Experte Dr. Qiying Chang erläuterte beim Medizin- Heute-Gesundheitsforum, wie Akupunktur gegen Allergie hilft. © Foto: André Braun

Das vegetative Nervensystem ist die wichtigste Waffe im Krieg gegen Allergien. Der Dresdner Schmerztherapeut und Allergologe Dr. Qiying Chang liebt Sätze, die auf den Punkt bringen, was er in seiner Praxis im Dresdner Norden tut. Schmerzen und vor allem Allergien mit Hilfe chinesischer Medizin und Akupunktur zu behandeln. Beim ersten Medizin-Heute-Gesundheitsforum – zum Thema Allergien – gab er einen spannenden Einblick. 

Der aus China stammende Mediziner ist von Hause aus Unfallchirurg, studierte in Dresden Medizin, spezialisierte sich auf Schmerztherapie und hatte als Arzt in der Orthopädie ein Aha-Erlebnis, wie er sagt. „Bei Patienten mit starken Kopfschmerzen werden Spritzen mit schmerzstillenden Medikamenten im Bereich der Nase gesetzt“, beschreibt er. „Darunter waren auch Patienten, die stark an Heuschnupfen litten und mir anschließend sagten, dass durch die Spritze ihre Nase plötzlich frei war.“ Das hat den Mediziner stutzig gemacht, er recherchierte und fand heraus, dass die uralte Methode der Akupunktur aus dem Reich der Mitte dort auch erfolgreich gegen Allergien eingesetzt wird. Dr. Qiying Chang studierte die Technik und setzte sie zunehmend auch bei seinen Klinik-Patienten ein – bis der Entschluss reifte, eine eigene Praxis zu eröffnen. Zunächst in Lauter im Erzgebirge, nun zusätzlich auch in Dresden. 

Mithilfe der feinen Akupunktur-Nadeln werden die entsprechenden Nervenstränge stimuliert; der Sympathikus und der Parasympathikus. Sie steuern die meisten Organe im Körper. „Sie bringen dem Körper bei, wieder ins Gleichgewicht zu kommen – und zum Beispiel beim Thema Heuschnupfen die Blütenpollen nicht als Angreifer zu sehen“, macht der Mediziner deutlich, was bei der Akupunktur passiert. „Die Selbstheilung des Körpers wird auf den Weg gebracht.“ Allergie-Medikamente sprechen zwar ebenfalls das Nervensystem an, „aber in der Schulmedizin bleibt der Körper derselbe, er wird nur friedlicher gegenüber Allergien“. In der chinesischen Medizin wird der Körper zum Akteur, so Dr. Chang. Und das im Übrigen bei Patienten jeden Alters. „Ich behandle auch Babys.“ Die meisten Krankenkassen übernehmen allerdings aktuell die Kosten für diese Behandlung von Allergien noch nicht. 

Dass es Vorbehalte seitens der Schulmedizin gibt, weiß auch Dr. Chang – „dabei bin ich ja selbst auch Schulmediziner“, sagt er schmunzelnd. Und hofft, dass die Akupunktur mehr und mehr die Anerkennung bekommt, die er ihr wünscht. „Vielleicht sollten sich die Methoden auch einfach stärker als bisher ergänzen“, findet Dr. Katja Scarlett Daub, die Inhaberin der City-Apotheken Dresden. Auch sie war als Expertin beim Gesundheitsforum zu Gast und erläuterte in ihrem Vortrag, dass es aktuell eine Menge sehr gut verträglicher und erfolgreicher Wirkstoffe gibt, um Allergien – sozusagen auf klassische Weise – in den Griff zu bekommen. Und sie hatte auch Tipps für die Vorbeugung gegen Allergien parat. „Diese Vorsorge beginnt schon bei Kleinkindern – so sollten die Kinder stets sehr gut eingecremt werden, von oben bis unten, um die Haut zu schützen.“ Denn Allergene finden oft auch den Weg über die Haut in den Körper, so Dr. Daub. Zudem sollten vom Heuschnupfen Geplagte schon im Winter damit beginnen, „Meerwasser-Nasensprays einzusetzen, um die Schleimhäute zu stabilisieren und zu pflegen, bevor dann zusätzlich die Allergie-Sprays zum Einsatz kommen“. Wenn die Allergie-Saison gestartet ist, gibt es aber auch einige einfache „Tricks“, die Belastung zu minimieren, verriet die Dresdnerin (siehe Info-Kasten). Und bricht beim Blick auf Allergie-Medikamente im Übrigen eine verbale Lanze für Mittel, die Cortison enthalten. „Ich weiß, dass es Vorbehalte gibt, aber die Einnahme über Inhalation-Sprays ist weitgehend unbedenklich!“ 

Wie aber finden Betroffene nun das für sie Passende? Jeder reagiert bekanntlich unterschiedlich auf unterschiedliche Pollen oder andere Reize. „Wir in der Apotheke stellen keine Diagnose, das müssen ganz klar Ärzte tun – aber dann wissen wir, worauf der Patient reagiert und können ganz speziell Möglichkeiten finden“, beschreibt Dr. Daub den Weg. Positiv sei, dass viele bisher verschreibungspflichtige Wirkstoffe mittlerweile frei verkäuflich sind, weil sich über die Jahre eine sehr gute Verträglichkeit gezeigt habe. „Damit sind die Möglichkeiten natürlich groß, auf jede Lebenssituation einzugehen.“ So mache beispielsweise der Wirkstoff Loratedin weniger müde als andere, „ist damit zum Beispiel für Schulkinder sehr gut geeignet“. Wenn dieses Kind dann allerdings am Wochenende oder im Urlaub den gesamten Tag im Freien ist, „muss man auf einen sehr hohen Sonnenschutz achten, weil der Wirkstoff das Sonnenbrand-Risiko erhöht“. Pauschale Aussagen gibt es also nicht.

Die Vorträge und Antworten aus der Fragerunde gibt es auch auf Youtube.

FÜNF ALLERGIE- „TRICKS“ VON DR. KATJA SCARLETT DAUB

  • „Betroffene sollten sich jeden Abend vorm Schlafengehen die Haare waschen, und ihre Sachen auch möglich nicht erst im Schlafzimmer ausziehen – weil wir tagsüber quasi Bienchen spielen und jede Menge Pollen an Kleidung, auf der Haut oder im Haar sammeln.“
  • „Wer trotz Heuschnupfen-Plage joggen gehen möchte, sollte in den Städten vor allem die frühen Morgenstunden dafür nutzen. Dann ist die Pollen-Belastung noch gering.“
  • „Urlaubspläne sollten Heuschnupfen-Geplagte, wenn es funktioniert möglichst so schmieden, dass sie einen Termin in der für sie schlimmsten Allergiezeit wählen und in einen Ort fahren, der dann wenig pollenbelastet ist. Orte am Meer zum Beispiel.“
  • „Für Allergiker gilt: Vorsicht bei Naturkosmetik! Wenn zum Beispiel Arnika oder Birken-Stoffe enthalten sind, kann das bei Betroffenen durchaus Allergien auslösen, denn Birke ist bekanntlich ein sehr häufiger Heuschnupfen-Auslöser.“

Dieser Beitrag erschien in der "Medizin heute" 02/2019.