Von Tobias Hoeflich
Mit einem Kran muss die Feuerwehr am Mittwochmorgen den Pkw aus dem Straßengraben bergen. Eine 55-Jährige ist zuvor auf der Bautzner Straße Richtung Innenstadt unterwegs, als sie hinter der Mordgrundbrücke auf nasser Fahrbahn zum Überholen ansetzt. Sie verliert die Kontrolle über ihren Suzuki, kommt links von der Straße ab und landet auf dem Dach. Die Fahrerin erleidet leichte Verletzungen, das Auto ist komplett verbeult. „Der Sachschaden summiert sich insgesamt auf rund 8 000 Euro“, sagt Polizeisprecher Marko Laske.


Nässe, Bautzner, Überholen: Dieser Kombination ist nicht erst die 55-Jährige zum Opfer gefallen. Schon zum dritten Mal binnen elf Wochen hat es hinter der Mordgrundbrücke gekracht. Das Schema gleicht sich bei allen Fällen: Stets ist der Fahrer bei Nässe stadteinwärts unterwegs, schert nach links in den Gleisbereich aus, um zu überholen, und gerät ins Schleudern. Vor zwei Wochen verletzten sich drei Menschen, als ein 27-Jähriger mit 0,8 Promille in den Gegenverkehr rauschte. Mitte Mai verunglückte an gleicher Stelle ein 46-Jähriger so schwer, dass er noch am Unfalltag im Krankenhaus verstarb.
Für den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) ist die Ursache des Problems klar. Schon nach dem Vorfall vor zwei Wochen meldete sich der Verein zu Wort und machte die überbreiten Fahrspuren als Quelle aus: „Das lädt einige Autofahrer zu hoher Geschwindigkeit und unnötigen Überholmanövern ein“, sagte Nils Larsen vom ADFC Dresden. Die Arbeit des Straßenbauamts, was Markierungen und Beschilderungen angeht, sei inakzeptabel. „Der gefährliche Abschnitt muss dringend entschärft werden.“
Tückische Kombination
Dabei sei die Lösung für die Problemstraße laut Larsen einfach: Die Bautzner sollte schnellstmöglich Radstreifen bekommen. Bei der jetzigen Straßenbreite gebe es für beidseitige Radwege genügend Platz. „Damit wäre allen Verkehrsteilnehmern geholfen. Eine vernünftige Aufteilung des Straßenraumes würde die Unfallgefahr stark senken“, zeigt sich der ADFC-Vorstand überzeugt.
Auch Professor Lars Hannawald könnte sich als Lösung eine verengte Fahrspur im Bereich hinter der Mordgrundbrücke vorstellen. Hannawald ist Geschäftsführer des Instituts für Verkehrsunfallforschung der TU Dresden. Dass sich die Unfälle an der Bautzner häufen, wundert ihn nicht: „Es ist die Kombination aus den Stahlschienen, die durch Wasser noch glitschiger werden, und der S-Kurve der Fahrbahn.“ Das alles zusammen senke die sogenannten Reibwerte, also die übertragbare Kraft der Räder auf die Fahrbahn.
Im Sommer komme mitunter eine Art Staubschicht von Bäumen und Blumen erschwerend hinzu: „In Kombination mit Regen ist das wie Schmierseife.“ In erster Linie müssen sich Autofahrer den Gegebenheiten anpassen und das Tempo senken. Konkret für die Bautzner sei laut Hannawald vorstellbar, die Geradeausspur an der Kreuzung Schillerstraße in ihrer Schmalheit zu verlängern, sodass die Gleise im Bereich der S-Kurve nicht mehr überfahren werden können.
Zu möglichen Umbaumaßnahmen an der Stelle äußerte sich die Stadtverwaltung am Mittwoch nicht. Rathaussprecher Karl Schuricht verwies lediglich auf das Radverkehrskonzept, das derzeit erstellt wird und auch die Bautzner Straße sowie die Bautzner Landstraße einbezieht. „Gegenwärtig wird die Integration von Radfahr- beziehungsweise Schutzstreifen auf ihre Umsetzbarkeit geprüft.“ Ein Raserproblem an der Stelle sei dem Straßen- und Tiefbauamt aber nicht bekannt. Dennoch gebe es hier nicht nur einen stationären Blitzer im Bereich der Elbschlösser, sondern auch immer wieder mobile Kontrollen.
Die Unfallserie auf der Bautzner Straße erinnert an die Marienbrücke, wo es am Neustädter Brückenkopf bei Nässe regelmäßig krachte. Vergangenen Sommer sperrte das Straßen- und Tiefbauamt deshalb eine der beiden Fahrspuren vor der Brückenauffahrt Richtung Altstädter Elbseite. Seitdem ordnen sich dort Fahrzeuge über das Reißverschlussverfahren auf der rechten Spur ein, ehe sie auf der Brücke wieder die zweite Spur mit den Gleisen nutzen können.