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Naturschützer klagen gegen S 177

Der BUND hat Klage gegen die Ortsumgehung Wünschendorf/Eschdorf eingereicht. Der Baustart ist damit offen.

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© Dirk Zschiedrich

Von Dirk Schulze

Wünschendorf/ Eschdorf. Bei den vom Lkw-Lärm geplagten Anwohnern in Wünschendorf und Eschdorf dürfte diese Initiative wenig Sympathie auslösen: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Sachsen (BUND) hat beim Verwaltungsgericht Dresden Klage gegen den Neubau der S 177 um Wünschendorf und Eschdorf eingereicht. Erst Anfang des Jahres hatte die Landesdirektion Sachsen nach jahrelanger Planung grünes Licht für die Ortsumgehung gegeben. Die dreispurige Trasse soll in zwei Bögen um Wünschendorf und Eschdorf herumführen und die Orte vom Durchgangsverkehr entlasten. Sie ist Teil der Ostumfahrung von Dresden, die einmal die A 4 und A 17 verbinden soll. Die Abschnitte im Norden und im Süden sind bis auf einen fertig oder im Bau. Seitdem nimmt der Verkehr stetig zu. Hunderte Lkws zwängen sich täglich durch die Dörfer, die noch auf die Umgehung warten.

© Geipel, Erik

Die Bauarbeiten für den 5,6 Kilometer langen Abschnitt um Wünschendorf und Eschdorf hätten – frühestens – 2019 starten können. Das steht nun infrage. Was bemängelt der Umweltverband, was fordert er?

Geschützte Arten und Biotope seien bei der Planung nur lückenhaft erfasst und demzufolge auch nicht ausreichend berücksichtigt worden, sagt der BUND. Die Umweltaktivisten haben insgesamt 87 unter Schutz stehende Tier- und Pflanzenarten in dem Gebiet gezählt, darunter die streng geschützte Mopsfledermaus. Deren Lebensraum würde durch die neue Straße zerschnitten. Besonders kritisch ist die Lage für ein Buchenwäldchen im Quellgebiet der Klemnitz, einem kleinen Fluss, der nordwestlich von Wünschendorf entspringt. Die alten Bäume mit teils über vier Meter Stammumfang sind laut BUND ein besonders schützenswertes Biotop mit reichhaltiger Vogelwelt. Als Solches wurde der Wald aber nicht kartiert, die Vogelwelt gar nicht untersucht.

Durch die geplante Trasse würde der Wald im Klemnitztälchen bis auf wenige Reste zerstört. Der BUND fordert aber den Erhalt aller Bäume, erklärt David Greve, Landesgeschäftsführer des Verbands in Sachsen. Zudem will der Umweltverband eine breite Grünbrücke am Doberberg erreichen, auf der Tiere und Wanderer die Straße queren können. Am Doberberg schneidet die Trasse tief in die Hügellandschaft ein. Die Planer hatten eine solche Grünbrücke zugunsten einer schmaleren Brücke verworfen.

Warum hat sich der BUND nicht eher zu Wort gemeldet?
Das hat er. Der BUND habe sich am Planfeststellungsverfahren beteiligt und mehrfach Widersprüche geltend gemacht, erklärt Landesgeschäftsführer Greve, zuletzt in einer ausführlichen Stellungnahme 2016. Die Einwände wurden aber nicht im erhofften Maße berücksichtigt. Um die gewünschten naturschutzfachlichen Verbesserungen doch noch zu erreichen, hat sich der Verband nun zur Klage entschieden.

Wie lange wird sich das juristische Verfahren hinziehen?
Die Dauer des Rechtsstreits kann aktuell niemand vorhersagen. „Solche Verfahren sind erfahrungsgemäß sehr aufwendig“, sagt der Sprecher des Verwaltungsgerichts Dresden, Robert Bendner. Der BUND hat seine Klage gegen die Planfeststellung bereits Anfang April eingereicht, mittlerweile liegt dem Gericht auch die umfangreiche Begründung vor. Der Gegner in dem Verfahren ist die Landesdirektion Sachsen, die den Bau genehmigt hat. Die Prüfbehörde wurde am 26. Juni offiziell in Kenntnis gesetzt. Sie hat nun acht Wochen Zeit, um ihre Klageerwiderung abzugeben. Dann wird die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts die Argumente beider Seiten prüfen. Laut Verwaltungsgericht lässt sich die Landesdirektion – wie schon bei der Dresdner Waldschlößchenbrücke – erneut von einer namhaften Anwaltskanzlei vertreten. Ein Termin für eine mündliche Verhandlung ist derzeit nicht absehbar. In diesem Jahre werde sie aber sicher nicht mehr eröffnet, erklärt Gerichtssprecher Robert Bendner. Schrankwände voller Akten müssen gesichtet werden. Die Aufgabe des Gerichts wird es sein, zu prüfen, ob die Landesdirektion sämtliche Einwendungen gegen das Projekt ausreichend gewürdigt und die Belange des Naturschutzes gegenüber der gewünschten Verkehrsverbindung nachvollziehbar abgewägt hat.

Die Klage des BUND ist die einzige, die beim Verwaltungsgericht eingegangen ist. Die Frist für weitere Klagen ist abgelaufen.

Was passiert, wenn das Gericht die Planung für rechtswidrig hält?
Die Varianten in diesem Fall reichen von Korrekturen bis zur Neuplanung. Ein komplettes Scheitern der Ortsumgehung ist unwahrscheinlich, schließlich ist sie nur ein Teilabschnitt eines Straßenbaugroßprojektes, das in wesentlichen Teilen bereits fertig ist. Eine weitere Zeitverzögerung dürfte hingegen sicher sein. Das Gericht könnte den Bauherren – den Freistaat Sachsen – zu Nachbesserung verdonnern, die dann umgesetzt werden müssen. Im Fall der Waldschlößchenbrücke zogen Naturschützer bis vors Bundesverwaltungsgericht, das den Bau schließlich 2016 für teilweise rechtswidrig erklärte. Da war die Brücke schon drei Jahre fertig. Die Stadt Dresden sollte dann nachträglich neue Gutachten zum Artenschutz erstellen, die allerdings bis heute ausstehen.

Ist der Bau der Ortsumgehung mit der Klage gestoppt?
Nein. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr kann ungeachtet der Klage trotzdem mit dem Bau beginnen – allerdings auf eigenes Risiko. Die Waldschlößchenbrücke wurde auch gebaut, während im Hintergrund eine Klage lief. Ob die Behörde und damit der Freistaat Sachsen es drauf ankommen lässt oder einen Gerichtsentscheid abwartet, ist aktuell offen. „Diese Entscheidung ist noch nicht gefallen“, erklärt Sprecherin Isabel Siebert.