Tübingen. Dass Neandertaler Birkenpech als Klebstoff herstellen konnten, wurde bislang als Beleg für ihre höheren geistigen Fähigkeiten betrachtet. Forscher aus Tübingen und New York halten das aber für einen Fehlschluss, wie die Uni Tübingen am Dienstag mitteilte. Es lasse sich zeigen, dass der Klebstoff viel einfacher zu gewinnen war als bislang vermutet.
Die Forscher haben den Angaben zufolge mit Materialien experimentiert, die in der Steinzeit alltäglich waren. Dabei verbrannten sie Birkenrinde an flachen Flusskieseln - mit dem Ergebnis, dass nach drei Stunden schwarzes, klebriges Material entstanden sei. Dieser Stoff klebe sogar besser als Birkenpech, das in einem aufwendigen Prozess hergestellt werde.
Den Härtetest bestand der Kleber beim Befestigen eines Steinkratzers an einem Rundholz. Damit konnte die Knochenhaut vom Oberschenkelknochen eines Kalbs abgeschabt werden, ohne dass die Klebewirkung nachgelassen hätte. Die Forscher gehen angesichts der Einfachheit der Klebstoffgewinnung nun davon aus, dass dieses Verfahren sogar mehrmals spontan von den Neandertalern entdeckt worden sei.
Mit dem Experiment "entziehen wir der in der Wissenschaft laufenden Debatte zu den geistigen Fähigkeiten der Neandertaler ein wichtiges Argument", sagte Patrick Schmidt von der Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen. Dass Neandertaler möglicherweise bereits hoch entwickelt waren, müsse man nun auf andere Weise belegen. (dpa)