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Neinerlaa und leuchtende Kerzen

Kartoffelsalat mit Fischeinlage, „Raachermanneln“ und ein brennender Weihnachtsbaum - Die schönsten Bräuche im Osterzgebirge.

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Die erzgebirgischen Traditionen bestehen nicht nur aus Holzkunst.
Die erzgebirgischen Traditionen bestehen nicht nur aus Holzkunst. © Adobe Stock/jo.pix (Symbolfoto)

„Paul, Paul, d’r Christboam brennt!“ Die Stimme vom „Rupprich“ wechselt urplötzlich vom sonoren Bescherungs-Bass in aufgeregt hohe Tonlagen. Den Mini-Brand erstickt der Familienvater mit den Händen. Der fünfjährige Sohn glaubt ab sofort nicht mehr an den real existierenden Weihnachtsmann. Denn die unverstellte Stimme vom „Rupprich“ gleicht der von Opa Max.

Eine Geschichte aus vergangenen Zeiten. Denn einen Weihnachtsbaumbrand schließt heute die elektrische Beleuchtung aus. Doch auf den „Rupprich“ – im Erzgebirge ein Synonym für „Weihnachtsmann“ – warten am Heiligen Abend die Kinder noch immer sehnsüchtig – und mehr noch auf die Geschenke, die er mitbringt.

Engel und Bergmann auf dem Fensterbrett

Am 24. Dezember gibt es im Erzgebirge „Neinerlaa“ – oder zumindest Rudimente davon. Im Zinnwalder Raum besteht das traditionelle Menü aus Suppe, Kartoffelsalat mit Fischeinlage – in der Regel Karpfen –, Hirsebrei, Pilz- oder Schwammsoße, Apfelstrudel, Keksen, Tee mit Rum, Äpfeln, Nüssen und Kompott. Daneben existieren zahlreiche weitere, örtlich stark abgewandelte Varianten. Häufig werden Linsen zu Mittag gegessen. Sie sollen für das nötige Kleingeld im nächsten Jahr sorgen. Den Stollen schneiden traditionsbewusste Familien erst am 24. Dezember an. Und am ersten Feiertag wird die Weihnachtsgans zelebriert – heute teilweise abgelöst durch andere Festgerichte.

In Advents- und Weihnachtszeit verbreiten „Raachermanneln“ duftende Schwaden, dann brennen an langen, dunklen Abenden die Kerzen von Engel und Bergmann, Adventskranz, Weihnachtspyramide, Weihnachtskrippe und -berg. Schwibbögen am Fenster leuchten in die Nacht. Früher wiesen sie zusammen mit Engel und Bergmann den von der Arbeit heimkehrenden Bergleuten den Weg. Oft saßen dann mehrere Familien beim „Hutzen“ zusammen. Heute besuchen sich die Nachbarn eher seltener.

Angebranntes Weihnachtsgebäck bringt Glück

Ihren Unterhaltungen ist hin und wieder ein wenig Aberglaube beigemischt. Ihn nimmt zwar keiner ernst, doch die meisten erschrecken doch über einen zerbrochenen Stollen. Kündet er doch angeblich von einem bevorstehenden Todesfall in der Familie. Angebranntes Weihnachtsgebäck bringe sofort Unglück, das Essen von Hülsenfrüchten Krankheit. Wäsche auf Leinen hinauszuhängen, ist in der Zeit der „Unternächte“ vom 25. Dezember bis 6. Januar tabu, sonst erhängt sich womöglich ein Verwandter im nächsten Jahr. Man sagt, Träume in diesen zwölf Nächten verwirklichen sich im entsprechenden Monat des Folgejahres. In der zwölften Unternacht züngelnde Flammen zu sehen, könnte demnach einen brennenden „Christboam“ zur nächsten Weihnacht bedeuten. (cs)