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Neue Brücke in der Zittauer Tongasse gleitet auf Schienen

Seit 14 Uhr bewegt sich das 600 Tonnen schwere Bauwerk an seinem Standort. Ab Montag soll der Zugverkehr schon wieder darüber rollen.

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© Matthias Weber

Zittau. Es ist kurz nach 8 Uhr. Über 20 Bauarbeiter wuseln auf der Baustelle in der Tongasse umher. Die vorgefertigte Brücke aus Stahlbeton steht auf der Fahrbahn. Heute ist der Tag gekommen, an dem der 600 Tonnen schwere Koloss an seinen endgültigen Standort verschoben wird. Da wo vor dem Abriss die alte Brücke stand, klafft noch ein großes Loch, das bis zum Abend gefüllt werden soll. Die Gleise sind unterbrochen, in einer Hilfsbrücke aus Edelstahltraversen sind die Signalkabel verstaut. Eigentlich sollte der Einschub erst am Mittwoch über die Bühne gehen, aber der Abbruch alter Brückenteile ging dann doch schneller als geplant, sagt Bauüberwacher Andreas Biedermann von der Baufirma Strabag aus Freital. Bis Donnerstag wollen die Baufirmen die Hinterfüllung abschließen und ab Montag soll die Brücke wieder befahrbar sein, so Biedermann.

Das Einschieben der neuen Brücke erledigt eine Spezialfirma aus Zwenkau bei Leipzig. Bis kurz vor 11 Uhr fädeln die Bauarbeiter den beiden sogenannten Verschubträger zentimetergenau unter der Brücke ein, die noch auf vielen kleinen Betonwürfeln steht. Die Verschubträger bestehen aus miteinander verschraubten, massiven Profilstahlstücken. Sie dienen als Schiene. Von Hydraulikzylindern geschoben, soll die ganze Brücke auf den Schienen und einer Schicht Teflon Millimeter für Millimeter an ihren Standort gleiten, so der Plan. Diese Einschubtechnologie hat den Vorteil, dass der Bahnverkehr nur kurze Zeit unterbrochen werden muss, weil die Brücke in den vergangenen Monaten im laufenden Verkehr neben der Bahnstrecke vorgefertigt wurde. 11.30 Uhr kracht es, alle Blicke richten sich auf das Stellwerk W6 unmittelbar neben der Brückenbaustelle. Der große Greifer des Abrissbaggers versetzt dem Gebäude den finalen Todesstoß. Die Bahn nutzt die Vollsperrung der Bahnstrecke auch zum schnellen Abriss des überflüssig gewordenen Stellwerks. Der Giebel stürzt ein, Steine rollen den Bahndamm hinunter. Nach wenigen Minuten verzieht sich die meterhohe Staubwolke. Das Stellwerk ist Geschichte.

13.50 Uhr sind die Schläuche zwischen Hydraulikzylindern und Pumpe montiert. Als ein Bauarbeiter die Hydraulikpumpe anlässt, beginnt das Bauwerk, sich ganz langsam zu bewegen. Auf den Gehwegen rund um die Tongasse, am Kummersberg und in der Bergstraße drängen sich zahlreiche Schaulustige und knipsen ununterbrochen Fotos. Die Bewegung der gleitenden Brücke ist allerdings so langsam, dass man sie nur wahrnimmt, wenn man konzentriert auf die Schienen schaut. Die Bauarbeiter montieren immer wieder Stahltraversen zwischen den Hydraulikzylindern und den beiden Endstücken der Verschubbahn, weil die Zylinder nur rund zwei Meter ausfahren. So arbeiten sie sich Stück für Stück voran. Halb vier fängt es an zu regnen. Die Schaulustigen suchen das Weite. Über die Hälfte der rund 15 Meter langen Einschubstrecke hat die Brücke jetzt bereits hinter sich. Vom Rand der Baugrube entrollen Bauarbeiter Planen, um zu verhindern, dass die offen liegende Böschung vom Regenwasser weggespült wird. Kurz nach 17 Uhr ist das Bauwerk an seinem Bestimmungsort angekommen. Die Baustelle leert sich. „Schluss für heute“, sagt einer der Männer.

Auch wenn der Bahnverkehr ab Montag wieder über die Brücke rollt, bleibt die Tongasse im Bereich der Eisenbahnbrücke noch bis Mitte Oktober voll gesperrt. So lange wird es dauern, bis die Trinkwasser-, Abwasser-, Gas- und Stromleitungen unter der Brücke neu verlegt sowie die Straße und der Fußweg neu hergerichtet sind, erklärt die Bahn. Um die Bedienung der Baustelle weiter zu ermöglichen, ist die Eisenbahnstraße im Bereich der Einmündung der Tongasse/Bergstraße noch bis 22. Juli voll gesperrt und in der Zeit vom 23. Juli bis 31. August nur halbseitig befahrbar, so die Bahn.

Im April 2017 haben die Arbeiten an der Eisenbahnbrücke begonnen. Damals war die Bahn noch optimistisch, den Bau bis Ende 2017 fertigstellen zu können. Die Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Brücke mit vier Gleisen war marode und wurde deshalb durch eine dreigleisige Brücke ersetzt. Das Gleis 26 fällt weg.