Von Antje Steglich
Zeithain/Dresden. Seine Nummer eins wiegt fünf Zentner und wurde Dienstagmittag bei Bauarbeiten an den Bahngleisen in Leipzig-Mockau gefunden. Seit Beginn des Jahres ist André Mauermeister Chef des sächsischen Kampfmittelbeseitigungsdienstes und hat nun erstmals die Entschärfung und Bergung einer Fliegerbombe zu verantworten. Dabei war das für den 35-Jährigen bis vor Kurzem noch eine völlig fremde Welt.

„Ich kannte das selbst nur aus Filmen und aus dem Fernsehen“, sagt der junge Familienvater noch am Vormittag in seinem Büro im Polizeiverwaltungsamt auf der Neuländer Straße in Dresden. Hier wirkt alles ganz aufgeräumt. Ein Apfel, eine Banane und eine Kaffeetasse auf dem Schreibtisch sind die einzigen persönlichen Dinge in dem kleinen Raum mit den dunklen Möbeln und den hellen Lamellenrollos vor dem großen Fenster. Das Foto von einer großen Sprengung in der Königsbrücker Heide sind genauso Relikte des Vorgängers Thomas Lange wie die Granaten im Schrank. André Mauermeister weiß selbst noch nicht genau, welcher Bauart die sind, und gibt offen zu, dass ihm noch die Fachkunde über Munition fehlt. Demnächst will er deshalb einen ersten Lehrgang besuchen, um die Grundlagen vor allem über Kampfmittel aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zu lernen. Eine Fliegerbombe wie die in Leipzig selbst entschärfen, wird er aber trotzdem nie, stellt er klar.
Dafür gibt es in seiner 25-köpfigen Mannschaft sieben sehr gut ausgebildete Sprengteams, die im Schichtsystem rund um die Uhr einsatzbereit sind. André Mauermeister selbst soll indes verwalten – sich um Verträge, Liegenschaften, Personal und Haushalt kümmern.
Basis ist in Zeithain
Als Wirtschaftsingenieur sei er prädestiniert dafür, sagt der Sprecher des Polizeiverwaltungsamtes Jürgen Scherf. Zumal die Trennung zwischen Verwaltung und Entschärfung durchaus schon in Sachsen praktiziert wurde. Nur eben unter Thomas Lange, der Ende 2016 mit 66 Jahren in Ruhestand ging, eben nicht. Doch dafür lastete auf dem langjährigen Sprengmeister eben auch die doppelte Verantwortung. „In dem Bereich sind zum Beispiel in großem Volumen Aufträge zu bewältigen“, erklärt Jürgen Scherf und verweist unter anderem auf die Zusammenarbeit mit Fremdfirmen zur Kampfmittelsuche, die einer europaweiten Ausschreibung bedarf. Und dabei sei ebenso großer Sachverstand gefragt wie andererseits bei der Bergung, Entschärfung und Vernichtung von Kampfmitteln.
Allerdings hatte André Mauermeister schon in seinem früheren Berufsleben durchaus mit dem Kampfmittelbeseitigungsdienst zu tun. Der Dresdner arbeitete zuvor in der Telekommunikationsbranche und war in Sachsen und Thüringen verantwortlich für die Infrastruktur. Wenn Medien verlegt wurden, kam es da schon ab und an vor, dass der Kampfmittelbeseitigungsdienst vorsorglich dazu gerufen wurde. „Es wurde aber nie etwas gefunden“, sagt André Mauermeister. Die Entscheidung für den Jobwechsel fiel aber trotzdem nicht, weil es ihm zu ruhig war, sondern hatte ganz persönliche Gründe. „Ich wollte nicht mehr pendeln, deshalb habe ich mich beworben“, sagt der gebürtige Thüringer und gibt zu: „Das war schon was ganz Neues, was ganz anderes.“
Nervös sei er deshalb nicht. Zumal er in den vergangenen Wochen viele Aufgaben, Kollegen und Dienststellen kennengelernt hat. Jede Woche ist er auch in der Kampfmittelzerlegeeinrichtung Zeithain, in der Basis des Kampfmittelbeseitigungsdienstes. Bei einer Entschärfung oder Sprengung war er allerdings bisher noch nicht dabei. „Das ist sicher noch einmal was ganz anderes. Da will ich auf jeden Fall mal dabei sein“, sagt er – nur wenige Stunden vor dem Anruf aus Leipzig.
Bis Dienstagabend war allerdings noch nicht klar, ob die Fliegerbombe entschärft und in der Zeithainer Anlage vernichtet werden kann oder vor Ort gesprengt werden muss. Doch egal, wie sie letztlich unschädlich gemacht wird, seine erste Bombe wird André Mauermeister sicher nie vergessen.