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Neuer Handelsriese entsteht

Deutschlands beide letzten großen Warenhausketten Karstadt und Kaufhof schließen sich zusammen. Die Kartellwächter haben aber auch noch ein Wort mitzureden.

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© dpa/Harald Tittel

Von Erich Reimann und Michael Rothe

Alles unter einem Dach: Deutschlands letzte große Warenhauskonzerne Karstadt und Kaufhof wollen sich mit ihrer Fusion besser im Wettbewerb behaupten. Der neue Einzelhandelsriese wird europaweit 243 Standorte haben und rund 32 000 Mitarbeiter beschäftigen. Das teilten der österreichische Karstadt-Eigentümer Signa und der kanadische Kaufhof-Eigner Hudson’s Bay Company (HBC) am Dienstag mit. Die Kartellämter müssen noch zustimmen.

Betroffen sind auch knapp 1 000 Mitarbeiter in Sachsen: in zwei Karstadt-Häusern in Dresden und Leipzig sowie an zwei Kaufhof-Adressen in Leipzig und Chemnitz. Die Chefin von Karstadt in Dresden mit rund 300 Mitarbeitern will sich zu möglichen Folgen nicht äußern. „Dazu ist es zu früh“, sagt Christiane Meyer von Froreich zur SZ.

Noch viele offene Fragen

Was sich für Verbraucher und durch die Fusion konkret ändern wird, ist noch unklar. So lassen die Firmen offen, ob Filialschließungen geplant sind. Beide Marken werden wohl vorerst bestehen bleiben. Ob die gemeinsame Hauptverwaltung in Essen oder in Köln sitzt, ist noch nicht entschieden. Auch zu einem möglichen Stellenabbau gibt es keine Angaben. Medienberichten zufolge könnten 5 000 Jobs wegfallen.

Branchenkenner, darunter Jörg Lauenroth-Mago von der Gewerkschaft Verdi, halten die Zahl jedoch für zu hoch gegriffen. Der Fachbereichsleiter in Leipzig hat nach Bekanntgabe der Fusion „mehr Fragen als Antworten“. Er sieht aber „keinen großen Jobabbau, denn die Personaldecke ist so schon sehr dünn“. Er rät, die Ruhe zu bewahren, räumt aber ein, dass das wegen der spärlichen Informationen an die Arbeitnehmervertretungen nicht leicht sei.

Karstadt-Gesamtbetriebsratschef Jürgen Ettl fordert den Erhalt aller Standorte und Jobs. „Die Fusion darf nicht zulasten der Arbeitnehmer gehen“, sagt er. Verdi-Sekretär Lauenroth-Mago verlangt, Karstadt-Beschäftigte nach der Fusion aus dem Sanierungstarifvertrag zu entlassen. Sie bekämen schon seit Jahren rund 16 Prozent weniger Lohn, als ihnen laut sächsischem Einzelhandelstarif zustehe.

Offiziell ist von einer „Fusion unter Gleichen“ die Rede. Doch wird die Signa-Holding von Karstadt-Eigentümer René Benko die Mehrheit am neuen Unternehmen halten: Signa erhält 50,01 Prozent der Anteile, HBC 49,99 Prozent. An den Kaufhof-Immobilien, die viele Milliarden wert sind, wird Signa hälftig beteiligt sein.

Unter dem Dach der neuen Holding werden nicht nur die deutschen Filialen beider Marken vereint, sondern auch die 28 Karstadt-Sporthäuser – darunter das in Dresden –, die europäischen Filialen der Outlet-Kette Saks Off 5th, die Galeria-Inno-Kaufhäuser in Belgien, die jüngst gegründeten Hudson’s-Bay-Warenhäuser in den Niederlanden und einige Internet-Anbieter. Geleitet werden soll das zusammengeschlossene Unternehmen von Karstadt-Chef Stephan Fanderl.

Kaufhof und Karstadt macht seit Jahren der Siegeszug von Billiganbietern wie Primark und Online-Händlern wie Amazon oder Zalando zu schaffen, aber auch die Konkurrenz großer Einkaufszentren. Besonders kritisch ist die Lage bei Kaufhof. Die Kölner kämpfen seit der Übernahme durch HBC Ende 2015 mit Umsatzrückgängen und roten Zahlen. Karstadt hat nach einer harten Sanierung unter Führung Fanderls gerade erst die Rückkehr in die schwarzen Zahlen geschafft.

Die Bündelung von Einkaufsmacht dürfte es Kaufhof und Karstadt ermöglichen, bessere Konditionen von den Lieferanten zu bekommen. Auch könnten nach Einschätzung von Branchenkennern in der Verwaltung, Datenverarbeitung und Logistik beträchtliche Summen gespart werden.

Ein Wort mitzureden haben die Wettbewerbshüter. Kartellamtspräsident Andreas Mundt kündigt bereits an, die Pläne genau unter die Lupe zu nehmen: „Wir stellen uns auf ein extrem umfangreiches und aufwendiges Verfahren ein.“ Es müssten sowohl die Folgen für die Kunden als auch für die Lieferanten geprüft werden.

Der Deutsche Städtetag sieht die Fusion nach den Worten seines Hauptgeschäftsführers Helmut Dedy „nicht ohne Sorge“. Die Warenhäuser seien wichtige Arbeitgeber und Versorgungszentren vor Ort, sie unterstützten durch ihre Anziehungskraft auch den Einzelhandel in ihrem Umfeld. Deshalb wünsche er sich, dass möglichst alle Kaufhaus-Standorte bestehen bleiben.

Verantwortung für die Innenstädte

Der Handelsverband Sachsen begrüßt die Fusion. „Wir sehen sie positiv“, sagt Präsident Joachim Otto. „Uns sind die innerstädtischen Standorte wichtig, und die werden mit dem Zusammenschluss gestärkt“, so der Inhaber und Chef einer Parfümkette mit Sitz im vogtländischen Auerbach. Otto steht dem Handelsverband als Interessenvertretung von rund 1 600 Mitgliedsunternehmen seit Mai vor.

Otto hofft, dass auch der Karstadt-Standort in Leipzig erhalten bleibt. Die Filiale hatte unlängst ihren rund 400 Beschäftigten zum 31. März 2019 gekündigt. Dann soll das Kaufhaus schließen, weil der Vertrag mit dem Vermieter Even Capital aus Luxemburg ausläuft. Dem Vernehmen nach stand eine fast 70-prozentige Mieterhöhung im Raum, auf die sich die Filiale nicht einlassen wollte. Betroffene berichten, ihnen seien Ersatzjobs in München, Berlin und Duisburg angeboten worden. Karstadt wolle das Weihnachtsgeschäft noch mitnehmen und dann den Ausverkauf starten, hieß es – offiziell. Der Verbandspräsident glaubt aber, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. „Ich sehe ein Pokerspiel“, sagt Otto. Ähnlich äußert sich Verdi-Mann Lauenroth-Mago. „Even Capital gehört ein großer Teil der City“, so der Gewerkschafter. Dann habe man auch Verantwortung für die Stadt zu tragen, und Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) müsse den Druck auf Manager Michael Lévy erhöhen. (SZ/dpa)