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Neues Berggeschrey im Erzgebirge

Es gibt wieder einen Ansturm auf Bodenschätze hierzulande. Bald könnten weitere Bergwerke in Betrieb gehen. Denn unter Tage lagen seltene Kostbarkeiten.

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Bergmann Sebastian Lorenz verlässt in einem Kübel nach seinen Arbeiten in 175 Meter Tiefe den Erkundungsschacht des Unternehmens Saxony Minerals & Exploration (SME). In Pöhla im Erzgebirge soll in  2021 ein Untertageerzbergwerk den Betrieb aufnehmen.
Bergmann Sebastian Lorenz verlässt in einem Kübel nach seinen Arbeiten in 175 Meter Tiefe den Erkundungsschacht des Unternehmens Saxony Minerals & Exploration (SME). In Pöhla im Erzgebirge soll in 2021 ein Untertageerzbergwerk den Betrieb aufnehmen. © dpa-Zentralbild

Aufwändig, langwierig, kostspielig – aber im Idealfall auch ertragreich. Angetrieben von dem weltweit seit Jahren steigenden Bedarf an Rohstoffen erlebt das an Bodenschätzen immer noch reiche Erzgebirge eine Renaissance des Erzbergbaus. Seit 2006 wurden beim Sächsischen Oberbergamt in Freiberg 60 Vorhaben auf Erkundung, Errichtung und Betrieb neuer Bergwerke im Bereich Erz und Spat genehmigt, sagt Oberberghauptmann Bernhard Cramer.

Mit Stand vom 26. Juni gab es in Sachsen noch 16 genehmigte Erkundungen, drei weit fortgeschrittene Projekte sowie ein aktives Bergwerk. „Das ist der neue Bergbau-Hype, der sich global auf spezifische Erzlagerstätten ergeben hat“, sagt Cramer. Es ist dies das vierte Berggeschrey seit den ersten Silberfunden im 12. Jahrhundert. Als Berggeschrey wird im Erzgebirge ähnlich dem Goldrausch in Amerika der Ansturm auf Bodenschätze bezeichnet.

Dass von einst 60 Projekten nur noch ein Drittel fortgeführt wird, ist für den Oberberghauptmann ganz normal. Bei vielen Unternehmen seien es nur kurzfristige Aktivitäten. „Die Guten bleiben.“ Die weltweite Erfahrung besagt, dass auf 100 Projekte ein neues Bergwerk kommt, so Cramer. „Wir hatten jetzt 60, ein Bergwerk steht schon, zwei sind weit entwickelt“, bilanziert er für Sachsen.

Das neue Berggeschrey unterscheide sich jedoch sehr deutlich von den drei vorherigen, weil es erst ein Bergwerk gebe, sagt Cramer. „Wir werden hier nicht wieder 30 verschiedene Bergwerke im Erzgebirge in den nächsten 100 Jahren haben. Aber der Begriff an sich schlägt die Brücke zwischen dem, was war, und dem Versuch, wieder einen Anschluss herzustellen“, betont er. Das erste und derzeit einzige Untertagebergwerk in Sachsen seit 1992 ist die Grube Niederschlag nahe Oberwiesenthal. Dort wird Fluss- und Schwerspat abgebaut. Weitere aktive Bergwerke könnten im Schwarzenberger Ortsteil Pöhla für Zinn und Wolfram, in Zinnwald für Lithium und in Schleife im Landkreis Görlitz für Kupfer entstehen. „Diese drei Projekte haben ein Recht auf Errichtung und den Betrieb eines Bergwerks“, sagt Cramer.

Wolframerz Unter Schwarzlicht.
Wolframerz Unter Schwarzlicht. © Foto: Robert Michael/dpa

In Pöhla erkundet das Unternehmen Saxony Minerals & Exploration AG (SME) aus Halsbrücke im Landkreis Mittelsachsen seit Dezember 2016 das Erdreich. Der Erkundungsschacht hat fast die vorgesehene Tiefe von 175 Metern erreicht. Man sei dabei auf das erwartete Wolfram- und Flussspat-Lager gestoßen, so die SME. Schon 2012 hatte die Firma die Bewilligung für den Abbau von Wolfram, Zinn und Flussspat erhalten. 2014 waren die Probebohrungen abgeschlossen worden.

2021 soll in Pöhla der Betrieb aufgenommen und im Jahr darauf die Höchstfördermenge von 400 000 Tonnen Erz pro Jahr erreicht werden, sagte der SME-Aufsichtsvorsitzende Thomas Reissner. In den kommenden Monaten werden 3 000 Tonnen Erz gefördert und in einer Pilotanlage analysiert. „Im September wissen wir, was wir haben“, sagte Reissner. Danach würden die Betriebspläne eingereicht. Nächstes Jahr soll dann die Einfahrtrampe für das Bergwerk errichtet werden.

Laut SME hat das Erz in der Lagerstätte einen Wolframgehalt von 0,6 Prozent. Bei bekannten Bergwerken liege der Wert zwischen 0,1 und 0,3 Prozent. Pro Jahr sollen rund 1 200 Tonnen Wolfram gewonnen werden. Das Schwermetall wird unter anderem für die Stahlproduktion sowie Halbleiter- und Elektronikindustrie benötigt.

Seit 2016 wurde laut SME eine zweistellige Millionensumme investiert. Für den Betrieb des Bergwerks würden weitere 32 bis 35 Millionen Euro benötigt. Ab 2022 soll ein Umsatz von 50 Millionen Euro erreicht werden. Gerechnet wird mit bis zu 100 neuen Arbeitsplätzen.

Wer in Sachsen Bodenschätze heben will, braucht einen langen Atem. Das Genehmigungsverfahren inklusive Rahmenbetriebsplänen, Umweltverträglichkeitsprüfungen und Raumordnungsverfahren ist kompliziert und dauert lange. Zuerst wird ein Antrag auf eine bergbaurechtliche Erlaubnis erteilt. „Hier fällt noch nicht die Entscheidung über eine Investition für die Nutzung, sondern man guckt sich die Lagerstätten an und entwickelt Pläne“, sagt Cramer.

Danach folgt der begründete Antrag für die Errichtung und den Betrieb eines Bergwerks. Im Verlaufe dieser Phase würden über Investitionen entschieden und Geldgeber akquiriert. „Wenn das durch ist, dann müssen sie plötzlich eine Investition über 100 oder 200 Millionen Euro tätigen“, erläutert Cramer. Und weiter: „Deswegen gibt es diese sehr komplexen, langen Vorgänge, die alle technisch, geologisch, finanziell und rechtlich miteinander abgestimmt sein müssen.“ (dpa)