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Neun Jahre Haft für Brandstifterin

Die 70-Jährige ist für die Brände in Döbeln Nord verantwortlich. Sie wurde noch im Gerichtssaal verhaftet.

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© DA-Archiv/Jens Hoyer

Von Jens Hoyer

Döbeln/Chemnitz. Für neun Jahre soll eine 70 Jahre alte Döbelnerin in Haft, der vorgeworfen wurde, eine Reihe von Bränden im Keller des Hauses Albert-Schweitzer-Straße 23 gelegt zu haben. Nach einem langen Prozess mit wenigen Beweisen fällte die Schwurgerichtskammer am Landgericht Chemnitz am Donnerstag das Urteil. Ausschlaggebend war eine lange Indizienkette, die seit November durch die Aussagen vieler Zeugen und mit Abhörprotokolle von Telefongesprächen entwickelt wurde. Weil es sich um ein Schwerverbrechen handelt, wurde sofort ein Haftbefehl erlassen und die Döbelnerin in die JVA Chemnitz gebracht. Staatsanwalt Sebastian Hertwig hatte sogar eine Haftstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten gefordert. Der Verteidiger Karsten Opitz plädierte auf Freispruch seiner Mandantin. Er hat jetzt eine Woche Zeit, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.

Von der Vielzahl der Anklagepunkte über Brandstiftung mit Todesfolge bis zu Vortäuschung von Straftaten waren am Ende nur die relevantesten übrig geblieben: Eine schwere Brandstiftung im Oktober 2016, bei der eine Hausbewohnerin durch Rauchgas verletzt wurde und vier Tage im Krankenhaus verbringen musste. Damals war das Haus über Wochen unbewohnbar gewesen – die Mieter waren zum Teil in Pensionen und Hotels untergebracht. Der zweite Vorwurf war der schwerwiegendste: Eine versuchte Brandstiftung am 1. März vergangenen Jahres. Da war eine 85 Jahre alte Frau von der Feuerwehr im verqualmten Treppenhaus aufgefunden worden, die wenige Wochen später an den Folgen verstarb.

Das Gericht folgte in weiten Teilen der Argumentation des Staatsanwalts Sebastian Hertwig: Alle Indizien und Beweise deuteten auf die 70-Jährige als Täterin hin. Sie hatte sich in Widersprüche verstrickt. „Ihre Aussagen bei der Polizei hatte sie immer weiter ausgeschmückt“, sagt der Staatsanwalt und bringt ein Beispiel: Beim Brand im Oktober will die Angeklagte den Täter im Keller überrascht haben. Der habe sie geschlagen und sie will ihm ein Drohschreiben entrissen haben, von dem sie später zugab, es selbst verfasst zu haben. „Erst war der Täter von dunkler Hautfarbe und mit Locken. An den Füßen hatte er Flipflops. Später waren es Schnürstiefel und es könnte auch ein Deutscher mit dunklen Haaren gewesen sein.“ Der Täter soll ihr erst auf der Treppe, später aus dem Keller entgegengekommen sein, der schon brannte und in dem sich nach Ansicht des Brandermittlers niemand hätte aufhalten können. Nach Aussage des Ermittlers spricht vieles dafür, dass der Brandstifter aus dem Haus kam.

Als sich der Verdacht gegen die 70-Jährige erhärtete, hörte die Polizei das Telefon der Angeklagten ab. Die Erkenntnisse daraus sind nach Ansicht der Staatsanwaltschaft der wichtigste Beweis. „Wegen der unbefangenen Äußerungen der Angeklagten“, so Hertwig. Als die Angeklagte eine Verwandte anrief und ihr sagte, dass die Hausbewohnerin gestorben sei, hatte diese spontan geäußert: „Jetzt bis du eine Mörderin.“ „Das ist Täterwissen“, so der Staatsanwalt. Vor Gericht hatte die Verwandte eine Zeugenaussage verweigert. Als Tatmotiv sieht der Staatsanwalt die latente Ausländerfeindlichkeit der Angeklagten. 2016 war ein Iraner in der Wohnung unter ihr eingezogen. Auf ihn habe sie den Verdacht lenken wollen.

Der Verteidiger Karsten Opitz sah dagegen überhaupt keine Beweise gegen die 70-Jährige vorliegen. „Wie kommt man überhaupt darauf, meine Mandantin vor Gericht zu stellen?“ Er machte vor allem den aus seiner Sicht übertriebenen Ermittlungseifer der Polizei für die Anklage verantwortlich. Die Beamten hätten seine Mandantin unter Druck gesetzt und den Verdacht auf sie gelenkt. Selbst das Geständnis der Angeklagten vor der Polizei, Urheberin der verschiedenen Drohbriefe gegen den Vermieter Pro Leipzig zu sein, ist für Karsten Opitz kein Beweis. Das Geständnis sei unter Druck der Polizeibeamten entstanden. Die Frau habe nur ihre Ruhe haben wollen. Grundsätzlich hält er diesen Beweis nicht für verwendbar. Der Schriftgutachter habe erst dem Verhör beigewohnt und danach auch noch das Schriftgutachten verfasst, das seine Mandantin mit „leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit“ als Urheberin des Schreibens benennt. Das Gericht sah das genauso. Das Geständnis der Angeklagten in diesem Punkt war nicht verwertbar. Für eine Verurteilung hat es trotzdem gereicht.