Es hätte auch anders kommen können. Schließlich macht jeder im Leben Dinge, zu denen er später nicht mehr steht. Weil die Zeit den Blick, den Geschmack verändert hat. Für Viola Schöpe war die Kunsthofpassage so ein Projekt, das hätte kippen können. Im Jahr 1997 gestaltete die Künstlerin im Herzen der Neustadt 900 Quadratmeter Hausfassade. Es war der Stein des Anstoßes für ein wachsendes Kleinod der Stadt. „Ich staune heute noch, wie zeitlos und stimmig der Kunsthof für mich ist. Ich würde keinen einzigen Strich anders machen“, sagt Schöpe selbstbewusst, lässt das Kinn auf die Handfläche sinken und den Blick schweifen. Ihr tun es seit Jahren Dresdner wie Touristen gleich.
Die Kunsthofpassage ist ein Identifikationsort der Stadt – genau deswegen soll sie ab Montag gefeiert werden. 20 Jahre Kunsthof lautet das Motto. Das Datum ist eigentlich etwas schief, wird von den Händlern, die hier arbeiten und das Fest organisieren, aber kreativ interpretiert. Ebenso wie die Kunst, die hier schon vor 1999 Stück für Stück die Fassaden erobert hat. Eine Woche wird nun mit einem bunten Programm gefeiert. In den sechs Höfen treten Künstler auf, Livemusik ist zu hören, die Nachbarschaft soll zusammenkommen. Patricia Funke, Inhaberin des Ateliers Ultramaringelb, erklärt die Motivation genauer: „Die Kunsthöfe sind ein beliebtes touristisches Ziel. Das freut uns und macht die Neustadt noch internationaler.“ Die Dresdner selbst würden darüber aber manchmal vergessen. Das Fest soll das Viertel deshalb zusammenbringen und den Neustädtern die Passage ein Stück weit zurückzugeben.
Um an den Anfang der Kunsthöfe zurückzukehren, ist eine Perspektive unerlässlich: die der Künstler. Schöpe ist nur eine von ihnen. Sie nennt sich selbst eine Impulsgeberin. Nachdem ihre Arbeit fertig war, haben auch die Fassaden der umliegenden Höfe Gestalt angenommen.
Den Auftrag bekam sie damals von Eigentümer Tankred Lenz, Chef der Firma Ginkgo Projektentwicklung. „Er war von Spanienaufenthalten inspiriert, vor allem von der Kunst Gaudis und Hundertwassers. So etwas wollte er für die Kunsthofpassage. Ich habe diese Ideen abgewandelt, die Mosaikkunst reduziert“. Ein Jahr hat Schöpe das Projekt vorbereitet, letztlich sah an den Wänden aber nichts so aus, wie es die Künstlerin auf Papier entworfen hatte.
Ihr Hof geht von der Alaunstraße ab. Bekannt ist er als Hof der Fabelwesen. Schöpe kann damit allerdings nicht viel anfangen: „Meine Kunst hat nichts mit Fabelwesen zu tun, sondern mit Transformationen.“ Im Gespräch macht die Dresdnerin viele große Themen auf, spricht vom Übergang von Leben zu Tod, von der ewigen Lebensreise, auf der jeder Einzelne unterwegs ist. Dieser Lebensfluss bildet sich am rechten Seitengebäude ab. Hier sitzen Schöpes Figuren in kleinen Booten, manche haben ein schweres Päckchen zu tragen – ein Haus, ein Auto. Hinterfragt werden soll, was wirklich notwendig ist.
Heute sitzt Schöpe gern einfach nur hier und beobachtet, wie sich die Besucher selbst auf ihrem Weg durch die Passage verändern, sich transformieren. „Sie staunen und freuen sich über Entdeckungen, die sie auf den Wänden machen. Für mich ist die Kunsthofpassage ein Ort, der den hektischen Alltag ausbremst. Eigentlich denkt man, man hastet auch hier schnell hindurch, wird dann aber von der besonderen Atmosphäre aufgehalten und berührt.“ Genau deshalb sind die Höfe identitätsstiftend für die Stadt. Sie sind für Schöpe auch ein Erlebnis, das sich einbrennt. Zum Beispiel körperlich. Jeder Schritt über das holprige, unebene Pflaster bleibt an einem haften. „In unserer so glatten Welt ist der Kunsthof quasi das aufrührerische Element.“
20 Jahre Kunsthof werden vom 13. bis 18 Mai gefeiert, täglich von 17 bis 20 Uhr sowie am Samstag von 10 bis 18 Uhr. Auf dem Programm steht unter anderem Livemusik, ein Kinderprogramm, offene Ateliers, eine Fotoausstellung. Einen Überblick über das gesamte Programm gibt es online unter www.kunsthof-dresden.de