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Die Neustadt feiert 20 Jahre Kunsthof

Was macht die beliebte, bunte Passage nach wie vor zu einem der schönsten Orte Dresdens? 

Von Melanie Schröder
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Eine Initialzündung für das Kreativviertel Neustadt: Künstlerin Viola Schöpe hat 1997 die Kunsthofpassage zum Leben erweckt.
Eine Initialzündung für das Kreativviertel Neustadt: Künstlerin Viola Schöpe hat 1997 die Kunsthofpassage zum Leben erweckt. © René Meinig

Es hätte auch anders kommen können. Schließlich macht jeder im Leben Dinge, zu denen er später nicht mehr steht. Weil die Zeit den Blick, den Geschmack verändert hat. Für Viola Schöpe war die Kunsthofpassage so ein Projekt, das hätte kippen können. Im Jahr 1997 gestaltete die Künstlerin im Herzen der Neustadt 900 Quadratmeter Hausfassade. Es war der Stein des Anstoßes für ein wachsendes Kleinod der Stadt. „Ich staune heute noch, wie zeitlos und stimmig der Kunsthof für mich ist. Ich würde keinen einzigen Strich anders machen“, sagt Schöpe selbstbewusst, lässt das Kinn auf die Handfläche sinken und den Blick schweifen. Ihr tun es seit Jahren Dresdner wie Touristen gleich.

Die Kunsthofpassage ist ein Identifikationsort der Stadt – genau deswegen soll sie ab Montag gefeiert werden. 20 Jahre Kunsthof lautet das Motto. Das Datum ist eigentlich etwas schief, wird von den Händlern, die hier arbeiten und das Fest organisieren, aber kreativ interpretiert. Ebenso wie die Kunst, die hier schon vor 1999 Stück für Stück die Fassaden erobert hat. Eine Woche wird nun mit einem bunten Programm gefeiert. In den sechs Höfen treten Künstler auf, Livemusik ist zu hören, die Nachbarschaft soll zusammenkommen. Patricia Funke, Inhaberin des Ateliers Ultramaringelb, erklärt die Motivation genauer: „Die Kunsthöfe sind ein beliebtes touristisches Ziel. Das freut uns und macht die Neustadt noch internationaler.“ Die Dresdner selbst würden darüber aber manchmal vergessen. Das Fest soll das Viertel deshalb zusammenbringen und den Neustädtern die Passage ein Stück weit zurückzugeben.

Um an den Anfang der Kunsthöfe zurückzukehren, ist eine Perspektive unerlässlich: die der Künstler. Schöpe ist nur eine von ihnen. Sie nennt sich selbst eine Impulsgeberin. Nachdem ihre Arbeit fertig war, haben auch die Fassaden der umliegenden Höfe Gestalt angenommen.

Die Tür zu ihrer Schneiderstube steht immer offen. Büsten, Stoffe, Nähmaschinen – damit umgibt sich Tatjana
Löwen am liebsten. Sie will zeigen, dass hinter Mode aufwendiges Handwerk steckt. Heute, in einer Welt der Billigwaren, sei das oft nicht zu erkennen. Auch für den Wert von Unikaten will sie sensibilisieren – denn genau dafür steht in ihren Augen die Kunsthofpassage. Nirgends sonst in Dresden finde kreatives Handwerk derart konzentriert statt. Seit 2011 arbeitet Löwen im Hof der Elemente und schneidert vor allem Abendmode. Die Höfe seien ein Türöffner: „Viele Touristen machen den Ort zu einem der internationalsten der Stadt. Das ist ein großes Glück.“
Die Tür zu ihrer Schneiderstube steht immer offen. Büsten, Stoffe, Nähmaschinen – damit umgibt sich Tatjana Löwen am liebsten. Sie will zeigen, dass hinter Mode aufwendiges Handwerk steckt. Heute, in einer Welt der Billigwaren, sei das oft nicht zu erkennen. Auch für den Wert von Unikaten will sie sensibilisieren – denn genau dafür steht in ihren Augen die Kunsthofpassage. Nirgends sonst in Dresden finde kreatives Handwerk derart konzentriert statt. Seit 2011 arbeitet Löwen im Hof der Elemente und schneidert vor allem Abendmode. Die Höfe seien ein Türöffner: „Viele Touristen machen den Ort zu einem der internationalsten der Stadt. Das ist ein großes Glück.“ © Sven Ellger
Er ist ein Neuling: Erst im Jahr 2017 hat Alexander Neumeister sein Atelier in den Kunsthof verlegt. Vorher arbeitete er am Neumarkt, in einer. Der größte Unterschied für ihn: Der Kunsthof ist freier. „Ich bin nicht an die strengen Öffnungszeiten gebunden, ich genieße den kreativen Austausch.“ Die Miete im Hof der Tiere sei hingegen vergleichbar mit der in der Altstadt, sagt er und beschreibt seine Arbeit poetisch: „Ich folge dem Fluss der Tusche.“ Er fertigt persönliche Illustrationen, etwa für Geburtstage. Im Kunsthof fühlt er sich angekommen, nur an eins muss er sich noch gewöhnen: „Manchmal geht mir der Tourismus zu schnell. Man sollte sich Zeit für diesen Ort nehmen.“
Er ist ein Neuling: Erst im Jahr 2017 hat Alexander Neumeister sein Atelier in den Kunsthof verlegt. Vorher arbeitete er am Neumarkt, in einer. Der größte Unterschied für ihn: Der Kunsthof ist freier. „Ich bin nicht an die strengen Öffnungszeiten gebunden, ich genieße den kreativen Austausch.“ Die Miete im Hof der Tiere sei hingegen vergleichbar mit der in der Altstadt, sagt er und beschreibt seine Arbeit poetisch: „Ich folge dem Fluss der Tusche.“ Er fertigt persönliche Illustrationen, etwa für Geburtstage. Im Kunsthof fühlt er sich angekommen, nur an eins muss er sich noch gewöhnen: „Manchmal geht mir der Tourismus zu schnell. Man sollte sich Zeit für diesen Ort nehmen.“ © Sven Ellger
Arbeiten in Urlaubsstimmung – das ist für Sabine Vittinghoff der Kunsthof. Seit 1999 arbeitet sie hier. „Die Passage war damals ein Kreativpool. Als Künstler hat man in schwierigen Phasen immer Rückhalt und Inspiration gefunden.“ Zwar funktioniere die Nachbarschaft nach wie vor sehr gut, die Höfe seien aber kommerzieller geworden. Kreativ arbeitet Vittinghoff im Winter, ihr Laden im Hof der Metamorphosen öffnet dann nur drei Tage. Alles andere würde sich nicht rechnen. Ihr Markenzeichen: die Fruchtfliege. So heißt auch ihr Laden. Sie hat das Tierchen mal für einen Freund gezeichnet, der mit einer Plage zu kämpfen hatte. Heute gibt es sie als Kunstmotiv in etlichen Versionen.
Arbeiten in Urlaubsstimmung – das ist für Sabine Vittinghoff der Kunsthof. Seit 1999 arbeitet sie hier. „Die Passage war damals ein Kreativpool. Als Künstler hat man in schwierigen Phasen immer Rückhalt und Inspiration gefunden.“ Zwar funktioniere die Nachbarschaft nach wie vor sehr gut, die Höfe seien aber kommerzieller geworden. Kreativ arbeitet Vittinghoff im Winter, ihr Laden im Hof der Metamorphosen öffnet dann nur drei Tage. Alles andere würde sich nicht rechnen. Ihr Markenzeichen: die Fruchtfliege. So heißt auch ihr Laden. Sie hat das Tierchen mal für einen Freund gezeichnet, der mit einer Plage zu kämpfen hatte. Heute gibt es sie als Kunstmotiv in etlichen Versionen. © Sven Ellger

Den Auftrag bekam sie damals von Eigentümer Tankred Lenz, Chef der Firma Ginkgo Projektentwicklung. „Er war von Spanienaufenthalten inspiriert, vor allem von der Kunst Gaudis und Hundertwassers. So etwas wollte er für die Kunsthofpassage. Ich habe diese Ideen abgewandelt, die Mosaikkunst reduziert“. Ein Jahr hat Schöpe das Projekt vorbereitet, letztlich sah an den Wänden aber nichts so aus, wie es die Künstlerin auf Papier entworfen hatte.

Ihr Hof geht von der Alaunstraße ab. Bekannt ist er als Hof der Fabelwesen. Schöpe kann damit allerdings nicht viel anfangen: „Meine Kunst hat nichts mit Fabelwesen zu tun, sondern mit Transformationen.“ Im Gespräch macht die Dresdnerin viele große Themen auf, spricht vom Übergang von Leben zu Tod, von der ewigen Lebensreise, auf der jeder Einzelne unterwegs ist. Dieser Lebensfluss bildet sich am rechten Seitengebäude ab. Hier sitzen Schöpes Figuren in kleinen Booten, manche haben ein schweres Päckchen zu tragen – ein Haus, ein Auto. Hinterfragt werden soll, was wirklich notwendig ist.

Heute sitzt Schöpe gern einfach nur hier und beobachtet, wie sich die Besucher selbst auf ihrem Weg durch die Passage verändern, sich transformieren. „Sie staunen und freuen sich über Entdeckungen, die sie auf den Wänden machen. Für mich ist die Kunsthofpassage ein Ort, der den hektischen Alltag ausbremst. Eigentlich denkt man, man hastet auch hier schnell hindurch, wird dann aber von der besonderen Atmosphäre aufgehalten und berührt.“ Genau deshalb sind die Höfe identitätsstiftend für die Stadt. Sie sind für Schöpe auch ein Erlebnis, das sich einbrennt. Zum Beispiel körperlich. Jeder Schritt über das holprige, unebene Pflaster bleibt an einem haften. „In unserer so glatten Welt ist der Kunsthof quasi das aufrührerische Element.“

20 Jahre Kunsthof werden vom 13. bis 18 Mai gefeiert, täglich von 17 bis 20 Uhr sowie am Samstag von 10 bis 18 Uhr. Auf dem Programm steht unter anderem Livemusik, ein Kinderprogramm, offene Ateliers, eine Fotoausstellung. Einen Überblick über das gesamte Programm gibt es online unter www.kunsthof-dresden.de