Streit um letzte Ruhestätte in Neustadt

Beim Thema Bestattungswald in Neustadt kochen derzeit die Emotionen hoch. Das Ganze scheint sich zum Politikum zu entwickeln. Grund: Die Stadt hat ein Unternehmen beauftragt, eine Studie für einen Bestattungswald vorzustellen. Das hat die Tombar GmbH öffentlich getan. Vor allem im neu gegründeten Kirchenbund Nördliche Sächsische Schweiz stößt die Vorgehensweise der Stadt jetzt auf harsche Kritik. Saechsische.de hat vier Gründe dafür zusammengefasst.
Kritik 1: Mögliche Kosten zu früh in die Öffentlichkeit getragen
Mit der öffentlichen Vorstellung samt möglicher Kosten ist den Kritikern zufolge eine Vorentscheidung über die Betreibung eines solchen Platzes zumindest vorangetrieben worden. "Aus meiner Sicht, ist ein solches Verfahren rechtlich bedenklich und intransparent, denn es werden schon jetzt Fakten geschaffen", sagt Neustadts Pfarrer Sören Schellenberger.
Er ist zugleich Vorsitzender des neu gegründeten Kirchengemeindebundes Nördliche Sächsische Schweiz. Der Verwaltungsgemeinschaft gehören die Kirchgemeinden Lauterbach-Oberottendorf, Neustadt, Sebnitz-Hohnstein und Stolpener Land an. Die Kirchgemeinden betreiben alle selbst Friedhöfe und verfolgen deshalb auch kritisch die Bestrebungen der Stadt Neustadt. "Eine solche Vorgehensweise empfinde ich geradezu als manipulativ und für andere Friedhofsträger geschäftsschädigend", sagt Pfarrer Schellenberger. Aus seiner Sicht seien Kalkulationen und Prognosen von Preisen zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht möglich, da das Genehmigungsverfahren noch nicht eröffnet und die Kosten noch gar nicht ermittelt seien.
Das bestreitet die Stadt auch nicht. Doch um erst einmal die genauen Kosten zu ermitteln, müsse das Projekt weiter vorangetrieben werden. Ziel der Stadt ist es, einen Bestattungswald als weitere Alternative für eine letzte Ruhestätte anzubieten, gedacht für diejenigen, die sich nicht für eine der verschiedenen Beerdigungsmöglichkeiten auf einem Friedhof entscheiden wollen.
Die Stadt Neustadt beruft sich darauf, dass dies eine reine Vorstellung eines möglichen Konzeptes für einen Bestattungswald gewesen sei. Das werde auch daran deutlich, dass es im Stadtrat dazu keine Beschlussfassung gegeben hat und es damit eine reine Information gewesen sei.
Kritik 2: Diskrepanz zwischen öffentlichen und privaten Trägern
Öffentliche Friedhöfe sind Gebühreninstitute. Gebühren werden nach klaren und einheitlichen Vorgaben kalkuliert, die transparent, vergleichbar und aktuell sind. Diese Kalkulationsgrundlagen gelten für alle Friedhöfe, unabhängig ihrer Trägerschaft. Die Firma Tombar GmbH hat aus ihren zweijährigen Erfahrungen heraus Schätzungen für die Kosten abgegeben.
Das Vorgehen zweifeln die Kritiker ebenfalls an. Tatsache ist, öffentliche Friedhofsträger unterscheiden sich von privaten Anbietern, die natürlich Gewinn erzielen wollen. Preise zum jetzigen Zeitpunkt zu nennen, sei deshalb reine Spekulation. Ebenfalls an unseriös betrachtet Pfarrer Schellenberger die Aussagen über den Refinanzierungszeitraum für die durch die Stadt Neustadt zu tragenden Kosten. Tombar hat den auf maximal elf Jahre bestimmt, bei Betreibung durch die Firma. Der neue Kirchgemeindebund wirft der Stadt nun vor, dass sie einem privaten, gewinnorientierten Unternehmen offenkundig einen Wettbewerbsvorteil verschaffe.
Für die Stadt Neustadt war es ein weiterer Schritt in der Umsetzung der Bürgerumfrage von Anfang letzten Jahres. 63,1 Prozent der Teilnehmer hatten sich für den Bestattungswald ausgesprochen. Das Ergebnis war damals nicht unumstritten, weil offenbar manche Stimmen mehrfach abgegeben und trotzdem gewertet wurden. Die Idee, eine solche Beerdigungsalternative anzubieten, stammt von Klaus Anders, Fraktionsvorsitzender Neustädter für Neustadt, aus dem Jahr 2018. In der Folge soll es nun darum gehen, das Vorhaben umzusetzen. Öffentliche Vorstellung deshalb, damit auch Einwohner die Chance haben, mehr darüber zu erfahren.
Kritik 3: Friedhöfe bieten bereits Alternativen an
Der neue Kirchgemeindebund Nördliche Sächsische Schweiz ist Träger von 16 Friedhöfen in der Region. Sie arbeiten ohne Zuschüsse aus öffentlicher beziehungsweise kommunaler Hand, auf Grundlage von Gebühren. "Die Angebote auf allen Friedhöfen werden gezielt weiterentwickelt, die Veränderungen in der Bestattungskultur haben wir im Blick", sagt Pfarrer Sören Schellenberger.
Dabei übernehme man man auch die Verantwortung für den Erhalt kleinerer Friedhöfe wie beispielsweise in Rückersdorf und Oberottendorf. Diese seien schon jetzt wirtschaftlich eigenständig kaum zu führen. Der Erhalt dieser Friedhöfe solle, so der Kirchgemeindebund, als Orte der Heimatgeschichte und Identität eigentlich eine gemeinsame Aufgabe sein. Die Entwicklung eines zusätzlich privatwirtschaftlich betriebenen Bestattungswaldes würde die Aufgabe weiter erschweren.
Außerdem gebe es bereits Alternativen, so unter anderem auf dem Neuen Friedhof in Neustadt, mit naturnaher Bestattung, Ruhegemeinschaften und pflegevereinfachten Partnergrabstätten. All das werde auch gut nachgefragt und anerkannt.
Kritik 4: Keine Gespräche mit den Friedhofsträgern
Besonders verärgert scheint man jedoch, weil sich die anderen Friedhofsträger mehr Absprachen im Vorfeld gewünscht hätten. Konsultationen hätten jedenfalls nicht stattgefunden, kritisiert Pfarrer Schellenberger. Deshalb appelliert er jetzt auch an den Bürgermeister und die Stadtverwaltung in Neustadt, die Gesamtsituation der Friedhöfe und der Bestattungskultur im Auge zu behalten.
Die Herausforderungen, insbesondere für die kleinen Friedhöfe, seien riesig. Aus Sicht des Kirchgemeindebundes müsse es ein gemeinsames Ziel sein, die Friedhöfe von Neustadt gezielt weiterzuentwickeln und sie auch als Stätten der Erinnerungskultur, Heimatgeschichte und soziale Begegnungsstätte für alle Menschen zu erhalten.
Als Vertreter eines öffentlichen Friedhofsträgers erwarte er mehr Transparenz, Weitsicht und Kommunikation. "Von einem konstruktiven und vertrauensvollen Miteinander", so Schellenberger, "sind wir derzeit leider weit entfernt."
Neustadts Bürgermeister Peter Mühle (NfN) hat unterdessen Gespräche mit dem Kirchgemeindebund angekündigt. Man wolle sich zum Thema noch einmal eingehend verständigen. "Uns geht es nicht darum, in Konkurrenz zu treten. Wir wollen lediglich ein weiteres Angebot schaffen", sagt er.