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Nicht nur Hintern abwischen

Die Altenpflege ist ein Beruf mit Zukunft. Neben Herz und Verstand braucht man starke Nerven und flinke Füße.

Von Peggy Zill
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„Meine Bea“ nennt Eberhard Hempel die Wohnbereichsleiterin Beatrice Wendrich. Auch wenn es manchmal stressig ist, bleibt immer noch Zeit für ein Schwätzschen.
„Meine Bea“ nennt Eberhard Hempel die Wohnbereichsleiterin Beatrice Wendrich. Auch wenn es manchmal stressig ist, bleibt immer noch Zeit für ein Schwätzschen. © Norbert Millauer

Radebeul. Die Heizung ist auf die höchste Stufe gedreht, ein unangenehmer Geruch liegt im Raum. Die Bewohnerin sitzt in Shorts auf dem Bett und strahlt, als sie Beatrice Wendrich sieht. Die alte Dame hat nach einer Thrombose offene Stellen am Bein. Der Verband muss gewechselt werden. Zum Geruch kommt nun noch ein übler Anblick. Die Altenpflegerin stört das nicht. „Pflege ist kein Zuckerschlecken.“ Routiniert reinigt sie die Wunden, redet mit der 83-Jährigen, macht Späßchen.

Die 33-Jährige ist Wohnbereichsleiterin in der K&S Seniorenresidenz Radebeul. Im Haus Elbtal leben 183 Männer und Frauen. Beatrice Wendrich muss sich um 37 kümmern, die auf ihrem Gang leben. Nicht allein. Heute haben drei weitere Kollegen mit ihr Schicht. Zu viert seien sie gut ausgestattet, sagt sie.

 Allerdings ist sie die einzige Fachkraft. Viel Zeit hat sie nicht. Den Eindruck einer dauergestressten Pflegekraft, die genervt über die Flure huscht, macht sie dennoch nicht. Trotzdem würde sie sich wünschen, mehr Kollegen zu haben. Denn der Dienstplan kommt schnell durcheinander, wenn Pfleger krank werden. Dann müssen andere einspringen. Vom Vorschlag des Gesundheitsministers, zur Abfederung des Pflegekräftemangels das vorhandene Personal zu Mehrarbeit zu bewegen, hält Beatrice Wendrich wenig. „Wir haben schon jetzt alle genug Überstunden. Manche bis zu 100.“

Um 6 Uhr beginnt ihr Arbeitstag in der Regel. Wenige Minuten danach klingeln die Ersten, wollen angezogen und gewaschen werden. Fast keiner kann das mehr allein. Dann geht es zum Frühstück. Kurz vor zehn ist das beendet. Im Frühstücksraum sitzen trotzdem noch acht Männer und Frauen, die meisten im Rollstuhl, den Kopf gesenkt, als wären sie eingeschlafen. Im Hintergrund dudelt Volksmusik. Ein trauriger Anblick. Dahinvegetieren, würde das ihr Mann nennen, gibt Beatrice Wendrich zu. Aber gleich gibt es Beschäftigung für alle, die es wollen. Im Kino läuft heute ein Märchen.

Würde sie ihre Eltern auch im Heim unterbringen? Ja, sagt Beatrice Wendrich. Die Belastung, neben der Arbeit und den Kindern auch noch zu Hause zu pflegen, sei zu hoch. Seit August ist die 33-Jährige Wohnbereichsleiterin. Vorher hat sie sich in Ingolstadt zur Sozialbetreuerin ausbilden lassen, später zur Altenpflegerin umgeschult. Für Beatrice Wendrich ist es ein Traumjob. Auch wenn es manchmal stressig ist. „Ich könnte mir nichts anderes vorstellen.“ Den ganzen Tag am Schreibtisch zum Beispiel. Obwohl sie dort auch viel Zeit verbringt. Dank digitaler Akten sei es aber leichter geworden.

Ein guter Altenpfleger hat Geduld, passt sich an die Bewohner an, denn das Heim ist deren Zuhause, sagt sie. „Und man darf nicht zimperlich sein.“ Ekel ist fehl am Platz. Bewohner voller Stuhlgang würden sie nicht stören. „Aber wenn sich jemand übergibt, kann ich das nicht hören.“ Wegwischen hingegen gehe dann wieder.

Körperlich ist der Beruf nicht mehr so anstrengend. „Es gibt viele Hilfsmittel.“ Aber auf die Psyche kann es gehen, wenn es Bewohner gibt, die ständig schreien, weil sie nicht allein sein wollen. Oder wenn Bewohner sterben. „Da sitzen wir vorher oft am Bett und halten Hände.“ Beatrice Wendrich sagt, man darf nicht zu viel mit nach Hause nehmen.

Beruf und Familie lassen sich gut vereinbaren. Und wenn der Mann sich mal nicht kümmern kann, sind die Zwillinge gern gesehene Gäste in der Seniorenresidenz. Die Mädchen bekommen dann ihre Namensschilder und teilen mit Essen aus oder helfen in der Wäscherei. „Das ist ein sehr kinderfreundliches Haus.“

Sie würde sich wünschen, dass die Arbeit, die die Pfleger leisten, wieder mehr wertgeschätzt wird. „Es ist eben nicht nur Hintern abwischen.“ Und würde eine bessere Bezahlung den Beruf attraktiver machen? Ein einheitliches Einkommen in der Altenpflege gibt es nicht. 

Es kommt darauf an, wo und bei welchem Träger man lernt oder angestellt ist. K&S zahlt den Pflegefachkräften zwischen 2 300 und 2 450 Euro Grundgehalt, je nach Erfahrung und Berufsjahren. Ungelerntes Personal bekommt den Pflegemindestlohn von 10,55 Euro pro Stunde. Alle erhalten Zuschläge für Wochenend-, Feiertags- und Nachtdienste. Für Wohnbereichsleiter, Praxisanleiter oder Wundexperten gibt es noch Zulagen von 100 bis 200 Euro.

Mit ihrem Gehalt ist Beatrice Wendrich zufrieden. „Es kann immer mehr sein“, sagt sie. „Aber ich mache es nicht wegen des Geldes. Mir gefällt die Arbeit mit alten Menschen.“

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