Politik
Merken

Der Attentäter von Christchurch 

Der Mann, der die Moscheen angegriffen hat, inszenierte sich als moderner Kreuzfahrer, sagt Terror-Forscher Peter R. Neumann. Dabei befruchten sich rechte und muslimische Terroristen gegenseitig.

 2 Min.
Teilen
Folgen
Dieses Bild aus dem Video des mutmasslichen Schützen, das am 15. März 2019, gedreht wurde, zeigt ihn während der Fahrt in einem Auto.
Dieses Bild aus dem Video des mutmasslichen Schützen, das am 15. März 2019, gedreht wurde, zeigt ihn während der Fahrt in einem Auto. © Tätervideo/AP/dpa

Einer der Terroristen hat den Anschlag in Christchurch offenbar mit seiner Helmkamera gefilmt und life über Facebook verbreitet. Gibt es Vorbilder für solche Propaganda?

2011 griff ein Jihadist eine jüdische Schule in Toulouse an. Er hatte sich eine Kamera umgeschnallt, die aber nicht funktionierte. Seitdem musste man mit diesem Muster rechnen. Christchurch dürfte nun der erste wichtige derartige Anschlag sein. Im Gegensatz dazu wurden die Enthauptungsvideos des Islamischen Staates nicht life veröffentlicht, sondern später.

Haben sich Rechtsradikale vorher solcher medialer Mittel bedient?

Jihadistische und rechte Terroristen befruchten sind gegenseitig. Der norwegische Attentäter Anders Breivik, der 77 Menschen ermordete, schaute sich seine Taktik bei Al-Quaida ab, wie er selbst erklärte.

Wie hat sich der Täter von Christchurch inszeniert?

Ähnlich wie Breivik 2011. Auch er veröffentlichte zur Tat ein Manifest. Er übernahm die von Breivik zugespitzte Ideologie, rechte Attentäter heute seien moderne Kreuzritter, die wie ihre Vorbilder im Mittelalter gegen den Islam kämpften. Bei rechten Demonstrationen, beispielsweise Pegida, tauchen immer wieder Leute in Roben der Kreuzfahrer auf. Diese Rechten wollen keine Verlierer sein, sondern Kämpfer. Um solche Gedanken vor seiner Tat zu verbreiten, nutzte der Attentäter von Christchurch offenbar viele Plattformen im Netz. Eine davon heißt 4chan. Anscheinend kündigte er den Anschlag so auch an.

Peter R. Neumann (45) leitet das „International Centre for the Study of Radicalisation“ an der Londoner Universität King’s College.
Peter R. Neumann (45) leitet das „International Centre for the Study of Radicalisation“ an der Londoner Universität King’s College. © Hannes Koch

Ein Motiv des Täters für die weltweite Veröffentlichung seines Mordvideos könnte sein, Gleichgesinnte zu ähnlichen Verbrechen aufzurufen. Was wollte er noch erreichen?

Terror soll immer Nachahmer motivieren. Deshalb ist die Zeit unmittelbar nach einem Anschlag so wichtig und gefährlich. Dann kann der Mobilisierungseffekt eintreten – und die nächsten Terroristen machen sich bereit. Außerdem geht es darum, die eigene Ideologie zu verbreiten.

Facebook und Twitter löschten die Seiten des Täters. Das Mord-Video wurde von anderen Leuten aber weiter verbreitet. Wie lässt sich sowas verhindern?

Soziale Medien wie Facebook und Twitter passen inzwischen besser auf. Sehr schwierig ist die Kontrolle aber, wenn Lifevideos hochgeladen und innerhalb weniger Stunden auf hunderten Webseiten geteilt werden. Meine Empfehlung lautet, die virtuellen Subkulturen im Netz staatlich stärker zu überwachen. Damit würden Tatankündigungen vielleicht eher auffallen, und man könnte solche Seiten präventiv sperren.

Interview: Hannes Koch