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Nichts mehr mit Kunst

Italienische Künstler sind mit ihrem Konzept gescheitert. Der alte Gasthof steht erneut zum Verkauf. Zu einem stolzen Preis.

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© Andreas Weihs

Von Jürgen Müller

Wölkisch. Sie hatten Großes vor, die italienischen Künstler Paolo Dolzan (43) und Roberta Galbani (36), als sie vor gut zwei Jahren den ehemaligen Gasthof „Herr Gevatter“ in Wölkisch kauften. In dem Gasthaus, das seit dem 1. Januar 2014 geschlossen ist, wollten sie ein Kunsthaus etablieren. Ateliers für Maler, Keramiker und Bildhauer sollten entstehen, im ehemaligen Saal sollte es Ausstellungen geben. Um alles zu finanzieren, sollten im ehemaligen Gastraum Spezialitäten aus Italien angeboten werden.

Sollte für ständig wechselnde Ausstellungen genutzt werden: der Saal, der 120 Gästen Platz bietet.
Sollte für ständig wechselnde Ausstellungen genutzt werden: der Saal, der 120 Gästen Platz bietet. © Andreas Weihs
Äußerlich ist das direkt an der B 6 gelegene Gebäude in einem beklagenswerten Zustand.
Äußerlich ist das direkt an der B 6 gelegene Gebäude in einem beklagenswerten Zustand. © Andreas Weihs
Im Inneren haben die Künstler ihrer Kreativität freien Raum gelassen.
Im Inneren haben die Künstler ihrer Kreativität freien Raum gelassen. © Andreas Weihs

Doch es kam ganz anders. Das Konzept des Künstlers aus Venedig ging nicht auf, vor allem finanziell nicht. Jetzt steht der Gasthof erneut zum Verkauf. Angeboten wird es von der Firma GSA Immobilien GmbH aus Coswig. Zum Verkauf steht der Gasthof mit Restaurant, Ballsaal, zwölf Gästezimmern, Nebengebäuden und Garage im Hof sowie großem Parkplatz. Dazu gehören eine Gewerbeküche, eine Zentralheizung und Öfen, ein Restaurant für 30 Gäste und ein Saal für 120 Besucher, sechs Gästezimmer mit zwölf Betten, zehn nicht einsehbare Parkplätze im Hof und hinter dem Saal sowie ein Parkplatz für 30 Pkws oder fünf Sattelzüge. Im Obergeschoss befindet sich auch eine Wohnung. Zuletzt wurde das Haus in den Jahren 1974 bis 1976 umgebaut.

Überraschend ist allerdings der geforderte Kaufpreis. Während die Italiener die Immobilie vor gut zwei Jahren für gerade mal 40 000 Euro erwarben, sind jetzt stolze 142 500 Euro aufgerufen. Ginge der Gasthof für diesen Preis raus, wäre das also eine Wertsteigerung um das Dreieinhalbfache. Und das, obwohl die Italiener an dem Haus zumindest äußerlich kaum etwas gemacht haben.

Selbst Immobilienmakler Andreas Jannak ist über den geforderten Kaufpreis überrascht: „Das Haus wurde zwar im Inneren etwas entkernt und renoviert, aber woher diese hohe Wertsteigerung kommen soll, kann ich auch nicht sagen“, räumt er ein. Die ehemalige Scheune wurde im vergangenen Jahr entkernt und mit der Sanierung begonnen. Das Objekt weist an den Außenwänden Feuchtigkeitsschäden auf.

Einige der Änderungen, die die Künstler vornahmen, sind äußerst gewöhnungsbedürftig und müssen wohl wieder entfernt werden. So wurden die Räume der Gaststube giftgrün gestrichen, die Bauernholzstühle sind in tiefes Schwarz getaucht. Auf den nun gelben Tischplatten hat Paolo Dolzan Malereien angebracht. Auch die Wände sind mit Kunstwerken dekoriert.

Der Gasthof in Wölkisch hat eine lange Tradition. 1898 erbaut, wurde er im Laufe der Jahre immer weiter ausgebaut. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Vorgängerbau schon 1642. Am 10. September 1812 machte Kaiser Napoleon in Wölkisch halt. Er übernachtete im Haus des Grundbesitzers, dessen Frau hochschwanger war und in der Nacht ein Kind gebar. Napoleon wurde von dem Ehepaar gebeten, die Patenschaft für das Kind zu übernehmen. Der Kaiser sagte zu und wurde der Taufpate, der Gevatter, des Kindes. So entstand der Name für den Gasthof.

Der französische Kaiser ist allerdings nicht im Taufbuch eingetragen. Offiziell konnte er nämlich gar kein Pate werden. Denn Napoleon war katholisch, das Ehepaar evangelisch.

Einst diente der Gasthof den Fuhrwerken auf ihrem Weg zwischen Dresden und Leipzig als Ausspanne und war später vor allem bei Kraftfahrern als Raststätte sehr beliebt. Bis Ende 2013 betrieb Ingrid Möbius den „Herrn Gevatter“, erst gemeinsam mit ihrem Mann. Als dieser 1997 bei einem Autounfall starb, Ingrid Möbius selbst wurde schwer verletzt wurde und zwei Jahre krank war, betrieb sie ihn später mit einer Angestellten und Pauschalkräften weiter. Zu DDR-Zeiten lief die direkt an der damaligen Fernverkehrsstraße 6 gelegene Gaststätte gut. Vor allem Kraftfahrer wussten das gute und preiswerte Frühstücks- und Mittagsangebot sehr zu schätzen.

Nach der Wende änderte sich das. Die Fahrer stehen unter enormem Zeitdruck, fahren meist auf der Autobahn. Wer doch die Bundesstraße nutzt, nimmt sich kaum Zeit, um einzukehren. 70 Prozent der Gäste waren zu DDR-Zeiten Kraftfahrer, später war es nicht mal jeder Zehnte, sagt Ingrid Möbius.

Wie es nun mit der Immobilie weitergeht, ist unklar. Laut Makler Andreas Jannak gibt es mehrere Kaufinteressenten. Wer es kauft, zu welchem Preis und wie das Haus künftig genutzt wird, ist derzeit noch völlig offen. Geeignet ist es laut Maklerbüro als Eventgastronomie, Pension, zur Vermietung, als Casino oder für Bewirtung.