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Dürreprognose: Kreis Görlitz trocknet immer mehr aus

Der Klimawandel trifft die Oberlausitz besonders hart. Daran ändern auch ein paar heftige Niederschläge nichts. Mittelfristig könnte das Folgen für Anwohner und Unternehmen haben.

Von Frank-Uwe Michel
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Sieht es im Sommer im Landkreis Görlitz bald wie auf diesem Foto aus? Hier wurde die Talsperre Quitzdorf wegen Untersuchungen an der Staumauer abgelassen.
Sieht es im Sommer im Landkreis Görlitz bald wie auf diesem Foto aus? Hier wurde die Talsperre Quitzdorf wegen Untersuchungen an der Staumauer abgelassen. © Archivfoto: André Schulze

Seit Jahren wird in den Sommermonaten das Wasser knapp im Landkreis Görlitz. Erst vor kurzem hat das Landratsamt die Bürger wieder zum sparsamen Umgang mit dem kostbaren Nass aufgerufen und das Abpumpen von Wasser aus Flüssen und Bächen verboten.

Doch wie soll das in Zukunft werden? Müssen wir uns im heimischen Garten auf Trockenblumen und Dörrgemüse einstellen? Dr. Peter Börke vom Sächsischen Landesumweltamt - dort zuständig für das Referat Siedlungswasserwirtschaft und Grundwasser - erklärt die Situation.

Herr Börke, gerade erst hat der Landkreis Görlitz seinen Bürgern verboten, aus öffentlichen Gewässern Wasser für den Privatgebrauch abzupumpen. Das kennen die Menschen hier schon aus den vergangenen Jahren. Wird dies ein Zustand, an den wir uns gewöhnen müssen?

Dazu muss man etwas weiter ausholen. Die bedeutendsten Fließgewässer im Landkreis Görlitz sind die Lausitzer Neiße, ihre Zuflüsse Mandau und Pließnitz sowie die Spree und deren Zuflüsse Weißer und Schwarzer Schöps. Außerdem das Löbauer Wasser. Die größten Standgewässer sind die Talsperre Quitzdorf und der Bärwalder See. Der Freistaat Sachsen betreibt an den Fließgewässern im Kreis insgesamt 25 Pegel, mit denen Wasserstand und Durchfluss kontinuierlich beobachtet werden.

Niedrigwasser an der Neiße hält länger an

Und wie fallen diese Beobachtungen aus?

Die ältesten stammen aus dem Jahre 1875 vom Pegel Görlitz an der Neiße. Aber auch an der Mandau, am Löbauer Wasser oder den Schöpsen wurden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Pegel errichtet, um den Wasserstand zu beobachten. Daher können wir beurteilen, ob das in den vergangenen Jahren beobachtete Niedrigwasser vergleichbar mit denen in vergangenen Zeiten ist. Perioden mit sehr geringen Durchflüssen gab es in der Neiße unter anderem 1947, 1962 bis 1964, 1976, aber auch 2003 bis 2004. Der niedrigste Durchfluss am Pegel Görlitz wurde im August 1963 mit 1,25 Kubikmeter pro Sekunde gemessen. Den danach niedrigsten Wert gab es dort im September 2020 mit 2,20 Kubikmeter. Bedeutend ist aber, dass in den Jahren 2018, 2019 und 2020 das Niedrigwasser deutlich länger anhielt als bisher an der Neiße beobachtet.

Wie sieht das bei anderen Flüssen aus?

Auch in den anderen Fließgewässern im Landkreis ist noch länger mit geringen Durchflüssen zu rechnen, da sich seit 2018 kontinuierlich ein Niederschlagsdefizit aufgebaut hat, das sich im aktuellen Grundwasserhaushalt widerspiegelt. Insbesondere bei trockenem Wetter wird die Wasserführung in den Fließgewässern durch das zuströmende Grundwasser bestimmt. Da die Grundwasserstände aber sehr niedrig sind, fällt die Wasserführung auch nach starken Regengüssen sehr schnell wieder auf das niedrige Ausgangsniveau. Dieser Zustand wird andauern, bis sich der Grundwasserhaushalt erholt hat.

Entnahmeverbote sind auch künftig möglich

Kommen wir aus diesem Teufelskreis heraus?

Das hängt konkret vom weiteren Verlauf der Niedrigwasser- und Dürresituation ab und lässt sich schwer vorhersagen. Die für Sachsen bekannten Klimaszenarien und einige Modellprojektionen lassen eine Abnahme der Niederschlagssummen für Ostsachsen erwarten. Damit werden auch Wasserdefizite auftreten, sodass derartige Verfügungen - wie jetzt vom Landkreis erlassen - erneut in Kraft treten könnten. Ein Entnahmeverbot aus Oberflächengewässern ist aber auch aus Vorsorgegründen zu sehen. Damit will man Schäden an gewässersensiblen Ökosystemen vermeiden oder sie so weit wie möglich abmildern.

Dr. Peter Börke ist Leiter des Referats Siedlungswasserwirtschaft und Grundwasser im Landesumweltamt.
Dr. Peter Börke ist Leiter des Referats Siedlungswasserwirtschaft und Grundwasser im Landesumweltamt. © LfULG/Burkhard Lehmann

Die letzten drei Jahre galten als Dürrejahre, das erste Halbjahr 2021 war dagegen ziemlich verregnet. Warum ist das Wasser trotzdem knapp?

Die Bäche und Flüsse führen schon seit 2015 wenig Wasser. Dabei hielt insbesondere 2018 und 2019 das Niedrigwasser sehr lange an. Das gesamte Niederschlagsdefizit von 2018 bis 2020 beträgt in Sachsen etwa 500 Millimeter. Das sind etwa zwei Drittel der für Sachsen typischen Jahresniederschlagssumme. Der für das laufende Jahr bis Ende Juni aufgebaute Niederschlagsüberschuss ist aber nur ein Bruchteil dessen, was zur Auffüllung des in den vergangenen drei Jahren aufgelaufenen Defizits notwendig wäre. Trotz der ergiebigen Niederschläge Ende Juni liegen die Durchflüsse an allen Pegeln bei Spree und Neiße deutlich unter den monatsüblichen Werten, in den Oberläufen und kleinen Fließgewässern sogar im Niedrigwasserbereich. Das trifft vor allem auch auf die Pegel der Oberflächengewässer in Ostsachsen zu. Mit dem sehr nassen Mai weisen zwar 60 Prozent der Messstellen eine steigende Grundwasser-Tendenz auf. An der Hälfte der Messstellen bestehen aber dennoch sehr niedrige Stände. Die seit dem Sommer 2018 anhaltende Grundwasserdürre hält somit weiter an, wenn auch nicht mehr auf so extremem Niveau.

Wasserstände an den großen Seen sinken

Welchen Einfluss haben die großen Tagebauseen wie der Olbersdorfer, Berzdorfer und Bärwalder See, dazu die Talsperre Quitzdorf, auf den Wasserhaushalt im Kreis?

Der Wasserhaushalt ist das Ergebnis natürlicher Vorgänge. Hier werden die Zu- und Abflüsse der Oberflächenwasser, die Verdunstung, der Niederschlag und die Ströme des Grundwassers berücksichtigt. Die genannten Seen werden also nicht nur von den Zuflüssen, sondern auch vom Grundwasser gespeist. Das ist aber wie beschrieben aktuell nicht gerade üppig vorhanden. Also sinken die Wasserstände auch in den großen Oberflächengewässern.

Wie kann man diesem Phänomen mittel- und langfristig begegnen oder hilft nur rigoroses Wassersparen?

Maßnahmen zur Klimaanpassung umfassen generell ein breites Spektrum. Am 1. Juni 2021 hat das sächsische Kabinett ein Energie- und Klimaprogramm (EKP) für den Freistaat beschlossen. Darin werden unter anderem neun Handlungsfelder beschrieben - zum Beispiel für kommunalen Klimaschutz und Klimaanpassung, für die Energieversorgung, aber auch für die Mobilität, Umwelt und die Nutzung von Wasser, Boden und den Naturschutz. Daraus soll ein Maßnahmenplan entstehen.

Glücklich ist bis jetzt der Grundstücksbesitzer, der auf Wasser aus seinem eigenen Brunnen zurückgreifen kann. Wird das so bleiben?

Sofern der Wasserspiegel im privaten Hausbrunnen ausreicht, kann der Grundstücksbesitzer auch weiter Wasser entnehmen. Wir vom Landesumweltamt haben bisher keine Informationen, dass dies eingeschränkt werden soll. Genau legt das aber die Untere Wasserbehörde des Landkreises fest.

Trockenheiten an der Neiße künftig häufiger

Welche Prognose geben Sie ab, wenn Sie den Wasserhaushalt des Landkreises Görlitz in fünf, zehn oder 20 Jahren betrachten?

Der ostsächsische Raum ist – auch aufgrund der bislang vorherrschenden Klimabedingungen - von den Auswirkungen des Klimawandels besonders betroffen. In einem sächsisch-polnischen Projekt zur klimatischen und hydrologischen Modellierung der Neiße, das auch Prognosen zu Wasserressourcen unter Niedrigwasserbedingungen umfasst, haben wir schon einige Erkenntnisse herausgearbeitet. Demnach ist in Zukunft mit länger anhaltenden, stärkeren und häufiger auftretenden Trockenheiten und Niedrigwasser in der Neiße zu rechnen. Das ist eine Gefahr für die vom Wasser abhängigen Ökosysteme und Lebensräume sowie für die wasserwirtschaftlichen Nutzer im Einzugsgebiet.

Und es gibt keinen Ausweg aus dieser vertrackten Situation?

Die Untersuchungen zeigen im Ergebnis einen Rückgang an verfügbaren Wasserressourcen für die Region. Da dies aber ein grenzüberschreitendes Problem ist, wurde ein Informationsportal zu Wasserressourcen im Einzugsgebiet der Neiße entwickelt. Es soll den Akteuren vor Ort als zusätzliche Anlaufstelle zum aktuellen Stand dienen als auch Hintergrundinformationen und hilfreiche Verhaltenshinweise zum Schutz der Ressource Wasser bereitstellen.

Das Portal ist im Internet unter http://neymo.imgw.pl/de zu finden.