Wohnmobile an der Neiße auf der Überholspur

Zelten oder im Wohnmobil reisen, ist inzwischen eine Erfolgsgeschichte geworden. Der Aufwärtstrend wurde durch die beiden Pandemie-Jahre zum Boom.
Der Caravaning Industrieverband Deutschland (CIVD) sagt, dass allein im vergangenen Jahr 130.666 Reisemobile in Deutschland hergestellt wurden. Knapp 55.000 Fahrzeuge davon gingen ins Ausland. Laut Verband ist das eine Steigerung von 12,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Sie hätte noch höher sein können, wenn die Hersteller im zweiten Halbjahr nicht Probleme mit den Materiallieferungen und höheren Preisen bekommen hätten.
Das Unternehmen dwt-Zelte in Niesky ist einer der Ausrüster von Freizeitmobilen. Das Unternehmen steht im wahrsten Sinne des Wortes gut im Stoff. Denn was in Niesky von Hand gefertigt wird, ist Bestandteil jedes Wohnwagens und jedes Reisemobiles. "Dieser Aufschwung ist auch bei uns in Niesky angekommen", bestätigt Geschäftsführer Claus Winneknecht. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, die Belegschaft ist inzwischen auf 73 Mitarbeiter, vorwiegend Frauen, gewachsen.
Görlitzer Anbieter vermietet Wohnmobile
Die Nachfrage nach eigenen mobilen Freizeitaktivitäten ist durch die Reisebeschränkungen der Pandemie und der Ungewissheit, was den Urlauber im Ausland erwartet, hierzulande gestiegen. Davon profitieren auch Wohnmobil-Vermieter an der Neiße. Sven Schwerdtner vermietet seit 2013 in Görlitz solche Mobile. Angefangen hat er mit drei Caravans. Heute gehören 14 Fahrzeuge zu seiner Flotte - vom Wohnwagen bis zum Luxus-Reisemobil. Nicht erst seit Corona ist Caravaning im Aufwind, auch schon die Jahre zuvor, berichtet Schwerdtner. Aber die Pandemie hat dem Geschäft einen kräftigen Schub gegeben. Deshalb will der Unternehmer weitere Fahrzeuge anschaffen. Für die Sommerferien seien schon so gut wie alle Fahrzeuge vermietet.
Von den 260.000 im vergangenen Jahr in Europa neu zugelassenen Freizeitfahrzeugen haben laut CVID rund 106.000 ein deutsches Kennzeichen. Der größte Zuwachs ist bei Wohnmobilen mit 81.420 Neuzulassungen in Deutschland. Das sind 4,3 Prozent mehr als im Vorjahr und das elfte Rekordjahr in Folge für die Reisemobil-Hersteller. Der Bestand an Reisemobilen in Deutschland betrug zum 1. Januar 2021 rund 674.700 Fahrzeuge und der an Caravans rund 722.500. In Sachsen sind 19.723 Reisemobile und 34.565 Caravans zugelassen. Gegenüber 2020 ist das eine Steigerung von 19,7 beziehungsweise 4,8 Prozent.

Stellflächen öfters ausgebucht
Die Besitzer solcher Fahrzeuge wollen damit unterwegs sein und suchen sich Ziele, wie die Stadt Görlitz. Zu einer guten Adresse hat sich dabei das Kühlhaus mit seinem weitläufigen Gelände entwickelt. Ideal also für Camper und Reisemobilisten. Vereinsvorsitzender Danilo Kuscher bestätigt, das in den vergangenen zwei Jahren die Stellflächen öfter ausgebucht waren als 2019 und die Jahre zuvor. "Wir haben guten Zuspruch aus dem deutschsprachigen Raum sowie aus Polen, Tschechien und Holland. Andere Länder fehlen noch."
Dass das Vermieten von Stellflächen inzwischen zu einem Geschäftsmodel geworden ist, darauf verweist die Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH (EGZ). Private Grundstücksbesitzer, Hotels und andere Einrichtungen schaffen Platz, auf denen Caravans parken können. "In der Stadt Görlitz gibt es inzwischen viele Möglichkeiten, sein Reisemobil abzustellen", sagt die Leiterin der Görlitz-Information Karin Prenzel. Sei es am Berzdorfer See oder auf dem Großparkplatz am alten Waggonbau. Was aber noch fehlt, sind die stationären Ver- und Entsorgungsmöglichkeiten für Wohnmobile. An diesem Komfort muss die Stadt noch arbeiten beziehungsweise investieren.

13.000 Zelte im Jahr
Sich unabhängiger machen von äußeren Einflüssen, das will dwt-Zelte in Niesky. 13.000 Zelte verlassen im Jahr das Werk. Eine relativ gleichbleibende Größe, dafür ist die Produktion ausgelegt. Um diese zu gewährleisten, setzt die Geschäftsführung des Familienunternehmens auf mehr Vorratswirtschaft, um Lieferausfälle überbrücken zu können, und auf die eigene Produktion. So werden seit 2007 die Zeltgestänge aus Stahl und Aluminium in einem eigenen Unternehmen, der Premium Metallsysteme GmbH, gleich neben der Zeltproduktion in Niesky hergestellt. Rund 1,2 Millionen Euro wurden in eine neue Produktionshalle investiert. Denn die integrierte Produktion macht unabhängig von Fremdzulieferern.
Von der Idee bis zur Qualitätskontrolle
Im Nieskyer Werk läuft alles zusammen. Von der Entwicklung und Konstruktion, über die Fertigung bis zur Qualitätskontrolle. Dafür braucht es qualifiziertes Personal. "Wir haben viele langjährige und erfahrene Kolleginnen und Kollegen. Drei von ihnen konnten im vergangenen Jahr ihr 40-jähriges Betriebsjubiläum feiern", erzählt der Geschäftsführer. Ihm ist aber auch wichtig, dass junge Leute angestellt werden, um die Zukunft abzusichern.

Erklärtes Ziel ist es, drei Lehrlinge pro Jahr auszubilden. Aus Mangel an Bewerbern sind es dann oft nur einer oder zwei. In einer eigenen Lehrwerkstatt werden Technische Konfektionäre in dem Handwerk praktisch ausgebildet. Der Beruf umfasst nicht mehr nur das Nähen von Textilstoffen. Sondern auch das Kleben und Schweißen bis hin zum Lesen von Zeichnungen. Um das alles erst einmal kennenzulernen, bietet das Unternehmen ein "Schnupperpraktikum" in allen Abteilungen an. Aber auch für den kaufmännischen Bereich werden junge Leute gesucht.
Mehr Präsenz durch Online-Handel
Ein Geschäftsfeld will das Familienunternehmen künftig stärker betreiben: den Onlinehandel. Wie der Geschäftsführer berichtet, ist man dabei, einen "virtuellen Laden" einzurichten, in dem man per Internet alles bestellen kann. Vom Befestigungshaken, Hering genannt, bis hin zum kompletten Zelt. "Wir wollen uns dabei nicht nur auf unsere Zelte konzentrieren, sondern dem interessierten Camper auch das Zubehör dazu anbieten", sagt Claus Winneknecht.
Bisher wurden die Zelte über ein europaweites Händlernetz vertrieben. Dazu hat dwt-Zelte einen eigenen und selbstständigen Vertrieb mit acht Mitarbeitern. Das soll auch so bleiben. Wenngleich die vergangenen beiden Jahre besonders gezeigt haben, dass der Einkaufstrend zum Online-Handel geht. Dem wollen sich die Nieskyer in dem Traditionsbetrieb verstärkt stellen.