Bürgermeisterin verlässt Rothenburg der Liebe wegen

Heike Böhm lacht. Natürlich sei sie noch da. Zurzeit bestreite sie aber eine regelrechte Abschiedstour, erzählt die Bürgermeisterin von Rothenburg. Hier einen Kaffee, dort ein Glas Sekt. Freundliche Worte und Händeschütteln gibt es dazu. Ihr Nachfolger wird Philipp Eichler, das steht seit dem 12. Juni fest. Für sie selbst war der Abschied aus ihrer Wahlheimat schon viel früher klar. Die 58-Jährige hat sich vor ein paar Jahren neu verliebt und wird zu ihrem Partner in die Nähe von Meißen ziehen.
"Natürlich ist mir die Entscheidung nicht leicht gefallen. Einerseits habe ich in den letzten 14 Jahren in Rothenburg viel erlebt und ich hoffe auch bewegt. Andererseits soll man aufhören, wenn es am schönsten ist. Ich habe mich für die zweite Variante entschieden." Wobei "schön" eher erfolgreich meint. Denn mit dem neuen Schulcampus hat die gebürtige Mecklenburgerin das wichtigste Zukunftsprojekt der Stadt entscheidend angeschoben. Auch wenn sie weder Umsetzung noch Einweihung, selbst den ersten Spatenstich, nicht mehr im Amt miterleben wird.

Eigentlich war gar nicht klar, dass die frühere Grundschullehrerin Bürgermeisterin werden würde. "1999 hat mich die SPD gefragt, ob ich der Partei beitreten will." Zwei Jahre später war sie in der Neißestadt noch immer das einzige aktive Mitglied ihrer Partei. "Deshalb blieb mir gar nichts anderes übrig, als bei der Bürgermeisterwahl anzutreten", schmunzelt sie. Die Hoffnungen auf Erfolg waren jedoch nicht allzu groß: Sie war nicht im Stadtrat. Außerdem kursierte in der Bevölkerung das Gerücht, sie sei wohl von Arbeitslosigkeit bedroht. "Mir war das egal. Ich habe mich einfach in den Wahlkampf gestürzt. Und war überrascht, wie gut das lief." Trotzdem reichte es nicht, Hans-Dietmar Dohrmann gewann die Wahl. "Aber ich hatte Blut geleckt. Auch, weil mir viele Leute Mut zusprachen. Ich nahm mir vor: Beim nächsten Mal werde ich es schaffen."
Verblüfft über Erfolg im ersten Wahlgang
2008 ergab sich diese neue Chance. Heike Böhm hatte gelernt, sich mittlerweile in Stadtrat und Kreistag wählen lassen, um in der Kommunalpolitik erste Spuren zu hinterlassen und bei den Menschen ganz einfach bekannter zu werden. "Ich habe wirklich viel Zeit, Kraft und Ideen investiert", erinnert sie sich an diese spannende Zeit. Dabei fällt ihr eine Begebenheit ein: "Am Vorabend der Abstimmung habe ich im Bett gelegen und bin im Kopf die einzelnen Wahllokale durchgegangen: Dort dürfte es reichen, da könnte es knapp werden. Eigentlich hatte ich kein schlechtes Gefühl." Das sie nicht täuschen sollte: Mit knapp 60 Prozent hatte sie schon im ersten Wahlgang die Nase vorn. "Ich war nicht erschrocken, aber schon ein bisschen verblüfft." Und sie ahnte, dass dies ein interessanter, aber auch stressiger Anfang war.

Heute kann die Wahl-Rothenburgerin, die 1984 in die Stadt gekommen ist, Scherze machen über das, was sie vor 14 Jahren erlebte. "Ich habe manchmal tagelang kaum ein Auge zugemacht", erinnert sie sich. Am Freitag, nachdem im Rathaus der Feierabend eingezogen war, fuhr sie zum Lehrgang, um im Öffentlichen Recht ihren Berufsabschluss zu machen. Sonnabend setzte sich das Lernen fort. Am Sonntag nahm die neue Bürgermeisterin noch einmal in der Stadtverwaltung Platz, um Liegengebliebenes abzuarbeiten. "Nach drei Jahren habe ich die Belastung dann gemerkt. Aber ich war stolz, dass ich den Abschluss in der Tasche hatte."
Heike Böhm merkte, dass sie an Grenzen stieß. "Das wollte ich auch, denn ich wollte sie verschieben." Die Begeisterung für den Beruf, sagt sie, war immer da. Bis heute. Daran änderte auch das Geholper vor der Kandidatur zu ihrer zweiten Amtszeit nichts. "Es gab Personen, die sich mir entgegenstellten. Noch einmal das Ganze - das wollte ich deshalb eigentlich nicht." Doch als sie diese Absicht öffentlich machte, war plötzlich Ruhe. "Ich konnte mich erholen und habe neue Kraft gesammelt." Herausforderer Steffen Menzel - den sie sehr schätzt - war knapp unterlegen, sie blieb als Bürgermeisterin im Amt.
14 Jahre an der Spitze einer Kleinstadt mit rund 4.400 Menschen. "Das hat mich geprägt. Und auch ein Stück demütig gemacht. Ich habe gemerkt: Um mich und meine Person geht es nicht. Ich bin Dienstleisterin für die Verwaltung, muss Aufgaben verteilen, neues Personal beschaffen. Wir alle sind den Bürgern verpflichtet." Diese Erkenntnis habe sie viel entspannter werden lassen. "Ich dachte mir: Einfach gesund bleiben, alles andere kannst du regeln."
Leben künftig auf einem Drei-Seiten-Hof
Menschlich, stellt sie fest, hat der Job als Rathauschefin sie nicht verändert. Nach wie vor sei sie freundlich, offen und optimistisch. "Allerdings habe ich eine Entscheidungsfreude an mir entdeckt, die ich vorher gar nicht kannte." In das nun folgende Leben nimmt sie nicht nur ihren zweiten Berufsabschluss mit, sondern auch einen großen Sack voll Selbstvertrauen. Natürlich ist auch ein Stück Wehmut dabei, denn mit ihrem Wirken hat sie in Rothenburg Spuren hinterlassen.

Neugier und Vorfreude jedoch überwiegen. "Ich werde auf einem Drei-Seiten-Hof wohnen, muss mit der neuen Umgebung klarkommen, werde hautnah die Landwirtschaft erleben." Deshalb lacht sie auch: "Es hätte mich tatsächlich schlechter treffen können. Denn in Zukunft kann ich alles mit dem Fahrrad erreichen, habe die Natur um mich. Ja - ich freue mich darauf."
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Beruflich bleibt sie dem Landesamt für Schule und Bildung erhalten, nimmt den Faden der früheren Lehrerin sozusagen wieder auf. Gespräche zu ihrer künftigen Einsatzstelle laufen noch. Mit Rothenburg, meint Heike Böhm, wird sie jedoch immer verbunden bleiben. "Ich habe viele Freunde in der Stadt, will zum Friseur oder muss den Zahnarzt besuchen." Es ist nicht ganz leicht, diesem Abschnitt in ihrem Leben Tschüss zu sagen.