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Rothenburg zerlegt Flugzeuge bald in großem Stil

Das Recycling soll Teil eines Technologiecampus für grüne Kreislaufwirtschaft werden. Auch Wasserstoff und Sonnenenergie spielen eine Rolle.

Von Frank-Uwe Michel
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Nun ist die Katze aus dem Sack: Das Flugzeugrecycling in großem Stil wird am Landeplatz Rothenburg aufgebaut. Andreas Sperl, Chef der Elbe Flugzeugwerke, hat diesen Entschluss jetzt in der Neißestadt verkündet.
Nun ist die Katze aus dem Sack: Das Flugzeugrecycling in großem Stil wird am Landeplatz Rothenburg aufgebaut. Andreas Sperl, Chef der Elbe Flugzeugwerke, hat diesen Entschluss jetzt in der Neißestadt verkündet. ©  Archiv/André Schulze

Das Zerlegen des ersten Airbus A 320 ist schon eine Weile her. Im November 2020 war der ausgemusterte Riesenvogel auf dem Rothenburger Airport gelandet, wurde ab Dezember fachgerecht in seine Einzelteile zerlegt. Die versuchten die Elbe Flugzeugwerke (EFW) als Ideengeber und Investor des Projekts anschließend zu vermarkten. Und zogen Schlüsse daraus für die künftige Industrialisierung. Die Neißestadt war zwar im Lostopf für die Flugzeugzerlegung im großen Stil. Doch dass dies tatsächlich hier stattfinden würde, war lange offen. Denn auch andere Landeplätze bekundeten ihr Interesse. Jetzt steht allerdings fest: Rothenburg hat das Rennen gemacht.

Dies bekräftigte EFW-Geschäftsführer Andreas Sperl am Mittwochabend vor dem Stadtrat. Das Flugzeugrecycling sei "ein Riesengeschäft", in das sich das Dresdener Unternehmen möglichst zeitig einklinken wolle. Bis 2026 würden weltweit rund 4.000 Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge außer Dienst gestellt. Das Volumen im Komponentenmarkt betrage jährlich zwischen sechs und sieben Milliarden Dollar.

Rothenburg wird nächstes EFW-Standbein

Mit dem im März 2021 abgeschlossenen Prototypenprojekt habe man den Startschuss gegeben, so Sperl. Inzwischen sei beim Umweltamt des Landkreises Görlitz schon der für den Dauerbetrieb notwendige Antrag nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz abgegeben worden. Dabei wird geprüft, ob schädliche Umwelteinwirkungen durch Emissionen in Luft, Wasser und Boden zu erwarten und wie sie zu vermeiden sind.

Im Dezember 2020 und den folgenden Wochen wurde der erste Airbus in Rothenburg zerlegt. Schon in Kürze soll der nächste Großraumflieger kommen. Im nächsten Jahr dann neun.
Im Dezember 2020 und den folgenden Wochen wurde der erste Airbus in Rothenburg zerlegt. Schon in Kürze soll der nächste Großraumflieger kommen. Im nächsten Jahr dann neun. ©  Archiv/André Schulze

Die Elbe Flugzeugwerke, die im Kodersdorfer Gewerbegebiet schon seit mehreren Jahren ihre Töchter CCI Assembly und Acosa mit Fertigungslinien von Zulieferteilen betreiben, wollen in Rothenburg ein weiteres Standbein etablieren. Dazu soll schon in Kürze ein zweiter Flieger beschafft werden. Ab 2022 könnten dann bereits neun Flugzeuge in der Neißestadt zerlegt und recycelt werden. Der Endausbau ist laut Kay-Uwe Hörl, Projektleiter und gleichzeitig Personalchef der Flugzeugwerke, noch nicht absehbar. "Die Anzahl der hier recycelten Flugzeuge könnte sich nach den ersten eins, zwei Jahren verdoppeln." Man müsse sehen, dass man für den steigenden Bedarf gewappnet sei. Denn fest steht unterdessen, dass Airbus ernstes Interesse an wiederverwertbarem Material hat. "Wenn das anläuft, sind jedoch große Mengen gefragt, die dann auch kontinuierlich geliefert werden müssen."

Rothenburg soll Vorreiter beim Recycling werden

Auch die Elbe Flugzeugwerke selbst dürften künftig zu den Kunden des Recyclingzentrums zählen. Denn im Stammhaus des Unternehmens wird mit 100 Flugzeugumrüstungen pro Jahr geplant. Aus Passagier- werden Transportmaschinen mit den unterschiedlichsten Anforderungen gemacht.

Dass die Bedeutung von Second-Hand-Teilen künftig stark zunehmen wird, davon ist der EFW-Manager überzeugt. Denn: Die Rohstoffressourcen würden immer mehr abnehmen. Und: "Es gibt in der Branche zwar noch keine gesetzlichen Regelungen zur Wiederverwertung. Bei den Airlines fehlen zudem Selbstverpflichtungen. Aber das wird kommen", ist Hörl überzeugt. Auf diesen Moment müsse man vorbereitet sein.

CO2-neutraler Standort soll entstehen

Für den Kauf des nächsten ausgemusterten Airbus setzen die EFW rund eine Million Euro ein. Die Ertüchtigung der Infrastruktur vor Ort wird laut vorläufigen Berechnungen weitere 240.000 Euro kosten. Dabei gehe es weniger um riesige Baumaßnahmen, sondern eher um kleinere Vorhaben wie Sanitäranlagen, Elektroinstallationen und die Erneuerung des Daches am Hangar.

Allerdings setzen die Flugzeugwerke nicht allein auf das Recyclingprojekt. Denn entstehen soll auf dem Gelände des Rothenburger Landeplatzes ein CO2-neutrales Gewerbegebiet - ein Technologiecampus für grüne Kreislaufwirtschaft. Dazu sind laut Kay-Uwe Hörl weitere Komponenten nötig. "Wir denken da an Fotovoltaik, bei der es sehr interessante Entwicklungen gibt und vor allem eine lokale Nutzung wichtig wäre." Aber auch das Thema Wasserstoff solle künftig eine Rolle spielen. "Als Energiequelle der Zukunft wird er unserer Überzeugung nach ähnlich wichtig werden wie aktuell die Elektroenergie und die daraus resultierenden Möglichkeiten für die Mobilität." Deshalb müsse man die Stichworte Speicher, Brennstoffzellenbahn, aber auch Personennahverkehr - ausgehend vom Rothenburger Flugplatz - intensiv bearbeiten.

Auch alte Windräder sollen recycelt werden

Vierter Punkt, der auf dem Areal des Flugplatzes angegangen werden soll, ist die Kreislaufwirtschaft. Denn nicht nur alte Flugzeuge werden künftig für die Materialwirtschaft zunehmend wichtig. Auch in die Jahre gekommenen Windkraftanlagen oder E-Fahrzeugen blüht das gleiche Schicksal. "Wir wollen deshalb breit aufgestellt sein, um alle diese Anforderungen abzudecken", so Hörl. Dazu gebe es bereits konkrete Forschungsprojekte. "Unsere Aufgabe für die nächste Zeit wird natürlich sein, all diese Dinge mit konkreten Maßnahmen zu untersetzen."

Der 27. August 2019 war ein bedeutender Tag für Rothenburg. Andreas Sperl, Geschäftsführer der Elbe Flugzeugwerke, und Landrat Bernd Lange unterschrieben damals eine Absichtserklärung zur Gründung eines Recyclingzentrums für Flugzeugteile. Dies wird jetzt
Der 27. August 2019 war ein bedeutender Tag für Rothenburg. Andreas Sperl, Geschäftsführer der Elbe Flugzeugwerke, und Landrat Bernd Lange unterschrieben damals eine Absichtserklärung zur Gründung eines Recyclingzentrums für Flugzeugteile. Dies wird jetzt ©  Archiv/André Schulze

Der Rothenburger Stadtrat steht geschlossen hinter dem Projekt. Was wiederum für Andreas Sperl äußerst wichtig ist. Denn in der nächsten Woche wird der EFW-Hauptanteilseigner aus Singapur in Dresden erwartet. Dem soll der Technologiecampus in Rothenburg ans Herz gelegt werden.

Bebauungsplan entsteht in zwei Etappen

Unterdessen haben die Räte den ersten Teil ihrer Hausaufgaben gemacht. Denn ohne einen Bebauungsplan wäre die Entwicklung des Areals auch für finanzkräftige Investoren schwierig. Zwar wurde der Aufstellungsbeschluss schon vor einiger Zeit gefasst, bisher verhinderten aber fehlende Finanzen, dass konkret an den Planunterlagen gearbeitet wird. Auch jetzt ist ein solches Planwerk für Rothenburg nicht komplett zu stemmen. Deshalb haben sich die Räte jetzt für eine Abarbeitung in zwei Stufen entschieden. Dabei soll nur jenes 46 Hektar große Areal des insgesamt 220 Hektar umfassenden Gebietes betrachtet werden, das als Entwicklungsfläche für den künftigen Industrie- und Gewerbestandort gilt. Schon bis zum Jahresende soll der Vorentwurf fertig sein - darin eingeschlossen die Befragung der Träger öffentlicher Belange. Die weitere Arbeit am B-Plan soll dann in den Haushalt für das nächste Jahr eingeordnet werden.