Wie die Polizei mit den Coronamaßnahmen klar kam

Eine ruhige Kugel konnte die Polizei in den vergangenen Monaten nicht gerade schieben. Im Gegenteil: Zu den sonst üblichen Konfliktfeldern wie Einbruch, Diebstahl oder Drogendelikten kamen die Aufgaben innerhalb der Corona-Pandemie hinzu. Wie sich die Beamten dabei schlugen, welche persönlichen Einstellungen und Sichtweisen es gab, hat eine Studie des erst im vergangenen Jahr gegründeten Sächsischen Instituts für Polizei- und Sicherheitsforschung (SIPS) der Rothenburger Polizeihochschule untersucht. Das Ergebnis liegt jetzt auf dem Tisch.
Einsätze bei Demonstrationen von Corona-Gegnern, bei der Kontrolle strenger Ausgangsbeschränkungen oder der Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln waren immer wieder Thema in der SZ. Dabei mussten sich die Beamten manches gefallen lassen. So hieß es am 30. Dezember 2020, dass sich zwei Polizisten auf ihrem Weg zum Einsatzort von einem Mann den Stinkefinger zeigen lassen mussten. Darüber hinaus habe er die Ordnungshüter als Spinner bezeichnet.

Genauso fordernd war es auch, angemeldete Protestveranstaltungen in Görlitz, Niesky, Zittau oder Neugersdorf angemessen zu begleiten. Ebenso die immer wiederkehrenden Autokorsos entlang der B96 oder die Sternfahrten von Gegnern der Corona-Maßnahmen aus Görlitz und Bautzen Richtung Großschönau, um damit möglichst nah am Wohnhaus von Ministerpräsident Michael Kretschmer gegen dessen Politik zu protestieren. Ganz zu schweigen von den vielen Einsätzen, bei denen es "nur" um die richtige Verwendung der Mund-Nase-Bedeckung oder der zwischenzeitlich verordneten Ausgangssperre ging. Gerade hierbei wurden die Beamten mit den ungewöhnlichsten Ausreden konfrontiert. Am 19. Dezember 2020 hieß es dazu in der SZ: "Als Begründung für das nächtliche Verlassen der Wohnung gaben sie Besuche von Freunden, Gartenarbeit und Alkoholkonsum auf der Arbeit an."
2.323 der 15.000 sächsischen Polizisten beteiligen sich
Laut Tom Thieme, dem stellvertretenden Direktor des Rothenburger Forschungsinstitutes, war Ausgangspunkt der Studie eine studentische Idee. Dabei sollte geklärt werden, was maßvolle polizeiliche Führung während der Coronapandemie bedeutet. Daraufhin wurden alle rund 15.000 sächsischen Polizisten zwischen Mitte Oktober und Mitte November 2020 zu ihrem Dienst, aber auch zur persönlichen Befindlichkeit, unter den erschwerten Bedingungen befragt. In jener Zeit also, in der Deutschland in den zweiten Lockdown steuerte. 2.323 Beamte beteiligten sich daran und erteilten Auskunft zu ihrer Einstellung und der Sicht auf die Bekämpfung der Pandemie. Sie gaben aber auch Einblick darüber, wie hoch die eigene mentale Belastung im Dienst, die Handlungssicherheit und die Führungsstärke der Vorgesetzten war.

Im Ergebnis fanden die Rothenburger Forscher heraus, dass 25 Prozent die zum damaligen Zeitpunkt verordneten Coronaschutzmaßnahmen noch nicht weit genug gingen, andererseits 31 Prozent sie für übertrieben hielten. Christoph Meißelbach, wissenschaftlicher Koordinator am SIPS, zeigen diese Zahlen zum einen eine stärkere Polarisierung in der sächsischen Polizei als in der Gesamtbevölkerung des Freistaates. Zum anderen aber auch einen höheren Grad der Verunsicherung. Dies sei aber vor allem auf die dienstlichen Besonderheiten dieser Zeit zurückzuführen, stellt er klar.
In der Pandemie viele neue Herausforderungen
Für Sachsens Polizeipräsident Horst Kretzschmar war die Handlungsbereitschaft der Beamten "nicht eingeschränkt, auch wenn sie mit den politischen Vorgaben zum Teil nicht einverstanden waren." So sei es für viele eine große Herausforderung gewesen, die Menschen auf der Straße zu fragen, ob sie zum gleichen Hausstand gehören oder an das richtige Tragen der Schutzmaske zu erinnern. Dabei hätten die Beamten auch das verkraften müssen, was ihnen an Reaktionen entgegenschlug.

Kretzschmar glaubt, dass die sächsische Polizei auf eine mögliche vierte Welle im Herbst noch besser eingestellt sein wird als auf die Wellen vor einem Jahr. Weil man Erfahrungen gesammelt habe im Umgang mit Coronaleugnern, aber auch weil es bei der Polizei einen ausgeprägten Berufsethos gebe.
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Mirko Göhler, kommissarischer Rektor der Rothenburger Hochschule, hält die Ergebnisse der Forschungsarbeit ebenfalls für sehr interessant. Der kritische Blick auf die Freiheitsrechte werde im Bachelorstudium schon mit abgedeckt. In Auswertung des Papiers werde es künftig aber darum gehen, Selbstverantwortung und soziale Kompetenz zu stärken. Überdies soll die Studie zum "Polizeidienst in Krisenzeiten" den Studenten im ersten Jahr des Masterstudiums vorgestellt werden. Schließlich werde die Arbeit auch im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Polizei trifft..." eine Rolle spielen.