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Warum Orte am Quitzdorfer See bald den Pfarrer verlieren

Viele Einwohner wollen, dass Christian Huth bleibt. Der Kirchenrat hat sich dagegen entschieden. Jetzt auch er selbst.

Von Frank-Uwe Michel
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Eines der Projekte, die Pfarrer Christian Huth (rechts) unterstützt hat: der Anbau am alten Gemeindehaus. Ortsvorsteher Werner Müller (Mitte) war froh über den Baufortschritt in der Gemeinde.
Eines der Projekte, die Pfarrer Christian Huth (rechts) unterstützt hat: der Anbau am alten Gemeindehaus. Ortsvorsteher Werner Müller (Mitte) war froh über den Baufortschritt in der Gemeinde. © André Schulze

Die zehn Jahre sind fast vorbei - so lange läuft Christian Huths Vertrag als Pfarrer in der Evangelischen Trinitatisgemeinde am See. Zu ihr gehören die Orte See, Kollm, Petershain, Horscha, Steinölsa und Sproitz. Hier kümmert sich der 46-Jährige um das Seelenheil von rund 700 Gemeindemitgliedern.

Doch weil der Vertrag des Gottesmannes zum 1. November ausläuft, wurde schon seit Monaten um eine mögliche Verlängerung gerungen. Vor allem im "weltlichen" See ist er sehr beliebt, mehrere Ortschaftsräte haben sich für ihn ausgesprochen. Ortsvorsteher Werner Müller, dessen Schwiegersohn Huth ist, will sich nicht dazu äußern. Er sei befangen, stellt er klar. Anders sieht das bei Heidrun Hennersdorf aus. Der Pfarrer habe sich sehr für den Zusammenhalt von Ort und Kirchgemeinde eingesetzt, sich für verschiedene Projekte eingesetzt, begründet die Ortschaftsrätin. "Ich kenne hier niemanden, von dem Herr Huth abgelehnt wird."

Pfarrer und Kirchenrat mit unterschiedlichen Ansichten

Dass es zu einer Trennung kommen wird, steht aber inzwischen fest. Das hat der Gemeindekirchenrat (GKR) jüngst in einer Veröffentlichung kundgetan: Nach vielen Gesprächen und reiflichen Überlegungen sei man mit Pfarrer Huth einvernehmlich übereingekommen, keine Verlängerung seiner Pfarrstelle zu beantragen. Simon Bieneck, der als GKR-Mitglied diese Entscheidung mitträgt, will sich zu den Gründen öffentlich nicht äußern. Er meint vielmehr: "Es war ein langwieriger Prozess. Dessen Ausgang haben wir uns nicht leicht gemacht." Und es sei ein Votum, das alle Seiten mittragen.

Bärbel Berndt, seit vielen Jahren selbst im Gemeindekirchenrat, spricht sogar von einer "einmütigen Entscheidung". Denn: Auch jene tragen sie mit, die sich persönlich nicht mit dem Ende des bestehenden Pfarrer-Vertrages anfreunden konnten. Sie sei enttäuscht, dass es in der Bevölkerung jetzt Proteste gebe, obwohl der GKR schon lange um Mitwirkung gebeten habe. "Wer wollte, konnte sich aktiv an der Entscheidungsfindung beteiligen." Letztlich seien die Ansichten von Pfarrer und Gemeindekirchenrat bei der Zukunftsgestaltung auseinandergegangen. "Wir möchten eine einladende, für Jung und Alt offene Gemeinde sein. Die auch Menschen mit anderen Meinungen und ohne christlichen Glauben akzeptiert", skizziert sie die künftigen Ansprüche.

Spaß bei der Arbeit - den hat Pfarrer Christian Huth ab September im Umland von Hoyerswerda. Seine Stelle in See läuft aus.
Spaß bei der Arbeit - den hat Pfarrer Christian Huth ab September im Umland von Hoyerswerda. Seine Stelle in See läuft aus. © André Schulze

Er selbst sei anfangs unschlüssig gewesen, so Christian Huth. "Manche Dinge haben dafür gesprochen, dass ich weitermache. Andere dagegen." Im Laufe der Diskussion sei er mit seiner Familie jedoch zu der Überzeugung gelangt, "dass ein Neuanfang auch für mich etwas Positives sein kann." Dieses Positive will er ab September im Pfarrsprengel Oberlausitzer Seenland finden, bezeichnet es als "Gottes Fügung." Wo sich eine Tür schließe, öffne sich eine andere. Im Hoyerswerdaer Umland ist er zuständig für die Gemeinden Lohsa, Uhyst und Groß Särchen.

Zu den Gründen seines Umdenkens hält sich der scheidende Pfarrer bedeckt. Nur so viel: Er sei vor zwölf Jahren nach See gekommen, als junger Priester zuerst durch eine Entsendung, danach ausgestattet mit dem jetzt auslaufenden Vertrag. "Über einen solchen Zeitraum bilden sich schon mal Reibungspunkte", räumt er ein. Viel Positivem habe zuweilen auch "Beschwerendes" gegenübergestanden. Konkreter werden will er nicht. Nur so viel noch: "Es gibt Dinge, die rauben einem die Energie." Seinen Unterstützern macht er Mut: "Mit mir geht doch nur ein kleiner Hirte. Der gute Hirte, Jesus, bleibt. Es wäre fatal, sich nur an eine Person zu hängen." Er selbst habe Frieden mit der Situation geschlossen. "Meine Anliegen bis zum Ende meiner Mission werden das Miteinander der Menschen und ihre Versöhnung sein."

Mitgliederzahl im Kirchenkreis schrunmpft

Laut Thomas Koppehl ist der personelle Wechsel in einer Pfarrstelle nach zehn Jahren etwas völlig Normales. "Kirchgemeinde, Pfarrer und Superintendent können für eine Verlängerung votieren. Wenn das nicht gewollt ist, wird nach einer Neubesetzung gesucht", erklärt der Superintendent des Kirchenkreises schlesische Oberlausitz, der das Gebiet der ehemaligen Landeskirche schlesische Oberlausitz umfasst, die 2004 mit der Landeskirche Berlin-Brandenburg vereinigt wurde. Zum Kirchenkreis gehören aktuell 36.884 Gemeindeglieder in 64 Gemeinden. Betreut werden sie von 39 Pfarrern. Der Mitgliederverlust pro Jahr beträgt 1,5 Prozent.

Doch gerade die Zahl der Pfarrer ist es, die perspektivisch weiter sinken wird. "In den vergangenen zehn Jahren haben wir 10 bis 15 Prozent der Pfarrstellen verloren", sagt Koppehl, ohne absolute Zahlen zu nennen. Auch die Evangelische Trinitatisgemeinde am See wird von den Kürzungen betroffen sein. Die bisherige Dreiviertel-Stelle von Pfarrer Huth wird wegen schmaler Finanzen und rückläufiger Mitgliederzahl auf eine halbe Stelle zusammengeschrumpft. Das bedeutet: Die Kirchgemeinde muss sich Verbündete suchen, um einen neuen Pfarrer für eine ganze Stelle mit dann verminderter Stundenzahl für See zu finden. Infrage kommen die Kirchgemeinde Niesky oder die Pfarrsprengel Bärwalder See und Gebelzig, Förstgen, Kreba.

Pfarrer wird in den Gemeinden zum "Moderator"

Der Trend zur personellen Optimierung wird von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) vorgegeben. Kirchgemeinden mit weniger als 300 Mitgliedern sollen sich zusammentun. Von den 1.184 selbstständigen Kirchgemeinden betrifft dies mit 684 aktuell etwa die Hälfte. Mehr als 200 haben sogar nur 50 Mitglieder oder weniger. Dass durch die Bildung von größeren Strukturen das Gemeindeleben leidet, glaubt Superintendent Koppehl indes nicht. "Es wird ein anderes Miteinander. Wir gehen weg von der pfarrerzentrierten Kirche, hin zu gruppenbezogenem Denken der Gemeinden, die vom Pfarrer gefördert werden."

Simon Bieneck hofft, dass Einwohner und Gläubige in See wieder näher zusammenrücken und das Vergangene hinter sich lassen. "Wenn wir den Blick nach vorn richten, gewinnen alle Seiten noch dabei."

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