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Noch nie gehörte „Stille Nacht“

Dresdner lassen vergessene Weihnachtslieder für eine CD aufleben und schenken einem Klassiker neuen Klang.

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Die kleine Kirche von Fördergersdorf diente dem Chor Dimuthea ebenfalls als Aufnahmestudio.
Die kleine Kirche von Fördergersdorf diente dem Chor Dimuthea ebenfalls als Aufnahmestudio. © Rolf Schinzel

Ambitioniert. So lässt sich das Projekt charakterisieren, das zwei Dresdner Musikanten in den vergangenen Monaten realisiert haben. Von den heißen Tagen des späten Frühlings bis zu den frühen Tagen des nicht minder heißen Herbstes gelang es dem Pianisten Rolf Schinzel zusammen mit Chorleiter Reinhart Gröschel, eine ganze Schar von Sängerinnen und Sängern in zwei kühlenden Kirchen fast vergessene Weihnachtslieder zu erlernen, anzustimmen und für eine CD einzusingen.

Frisch gemixte Tonträger mit den beliebtesten Melodien zum Fest zählen vor Weihnachten zum Standard, doch diese zwei Scheiben dürfen für sich in Anspruch nehmen, etwas ganz Besonderes zu sein. Das liegt zum einen an dem 200 Jahre alten Klassiker „Stille Nacht“, der mittlerweile das Prädikat des Weltkulturerbes trägt und dessen drei Strophen die ganze christliche Hemisphäre kennt. Aber eben nur drei. Das Lied besitze jedoch derer sechs, und die inszenierte das Duo ganz individuell: Eine Strophe singt eine Solistin zur Gitarre, anschließend wechseln Männer und Frauen sich ab beim Gesang, und zum Finale ertönt die ganze Kirchengemeinde zusammen mit dem Chor.

Draußen schien grell die Sonne bei dreißig Grad auf das Schild „Achtung Aufnahme“, und drinnen nach dem Soundcheck schmolzen die Stimmen zur Melodie von „Stille Nacht, Heilige Nacht“. „Wir haben das Experiment gewagt und allen Beteiligten hat es gefallen“, fasst Allround-Musiklehrer Schinzel das Ergebnis des komplexen Arrangements zusammen.

Die Gemeinde am Weißen Hirsch kurz vorm Einsingen. 
Die Gemeinde am Weißen Hirsch kurz vorm Einsingen.  © Rolf Schinzel

Damit den engagierten Laien nie die Luft ausging, ließ der Dresdner Chor Dimuthea die Klänge leicht wie Schneeflocken durch das Kirchenschiff schweben. Der Chor-Name bedeutet so viel wie die „Musiktheatralischen“ und mit diesem Einsatz widmeten sich die rund dreißig Frauen und Männer auch den anderen Weihnachtsliedern auf der CD. Die stammen allesamt aus der Feder von Max Welcker. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts komponierte der Lehrer im heimischen Augsburg fast im Akkord. 

Musik-Historiker Schinzel hat inzwischen ein Werkverzeichnis mit 535 Kompositionen zusammen getragen. „In den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs sind viele Originale verbrannt und für immer verloren, doch dafür leben einige Melodien dieses volkstümlichen Komponisten ewig“, sagt Schinzel. Dazu zähle auf jeden Fall auch das Lied mit dem schlichten Titel „Weihnacht“.

Unter dem Namen kennen es wohl nur die wenigsten. Die ersten Takte aber getragen von den Worten „Lichterglanz vom Himmelszelt“, die haben Freunde der kirchlichen Weihnachtsmusik oft im Ohr, wissen aber nicht um dessen Herkunft. Das änderten nun die beiden Dresdner mit der Produktion ihrer wuchtigen Welcker-Weihnachts-CD. Dabei zog das Duo aus Dresden alle Register, Schinzel an der Orgel und Gröschel mit dem Taktstock, um das oft mehrstimmig gesungene Liedgut für die Nachwelt zu bewahren.


Der Chor bei der Aufnahme.
Der Chor bei der Aufnahme. © Rolf Schinzel

Der Komponist, der den Sommer von 1913 in Dresden sowie im Erzgebirge verbrachte und in den 20ern ein „Ave Maria“ von Karl May vertonte, besaß keine Berührungsängste zur schon damals populären „Stillen Nacht“ und lieh sich prompt die erste Strophe als Refrain für seine Komposition „Weihnacht“. Weil das einfach so schön klingt. Das fand 1832 auch ein Dresdner Musikverlag und druckten als Erster die Noten des Klassikers.

Damit schließt sich der Kreis und wer die Musik live erleben möchte, der sichert sich rechtzeitig einen Platz für das Konzert am 2. Dezember um 16 Uhr im Kulturrathaus Dresden.