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NSU 2.0 - eine Chronologie der Ereignisse

Der Rücktritt des hessischen Polizeipräsidenten hat die Wogen nicht geglättet. Nach Drohschreiben hat der Komplex nun Berlin erreicht.

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Peter Beuth (CDU, r), Innenminister des Landes Hessen, gibt im Innenministerium in Wiesbaden ein Statement zum Rücktritt des Landespolizeipräsidenten ab.
Peter Beuth (CDU, r), Innenminister des Landes Hessen, gibt im Innenministerium in Wiesbaden ein Statement zum Rücktritt des Landespolizeipräsidenten ab. © Arne Dedert/dpa

Frankfurt/Wiesbaden/Berlin. Am Anfang stand die Bedrohung einer Anwältin, mittlerweile hat der Komplex "NSU 2.0" auch Berlin erreicht. Eine Chronologie der Ereignisse:

  • August 2018: Die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die im Münchner NSU-Prozess Nebenklagevertreterin einer der Opferfamilien war, erhält ein mit «NSU 2.0» unterzeichnetes Drohschreiben. Darin wird auch ihre kleine Tochter bedroht. Die Juristin erstattet Anzeige bei der Polizei. Bei den NSU-Opfern handelte es sich um acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin.
  • Dezember 2018: Durch Medienveröffentlichungen wird der Fall Basay-Yildiz bekannt. Dabei wird erstmals berichtet, dass persönliche Daten der Juristin von einem Rechner des 1. Frankfurter Polizeireviers abgerufen wurden. Zudem wird bekannt, dass im Zuge der Ermittlungen eine Chatgruppe innerhalb der Polizei mit rechtsextremen Inhalten aufgedeckt wurde.
  • Januar 2019: Medien berichten über ein weiteres Drohschreiben an Basay-Yildiz.
  • Februar 2019: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier trifft sich während eines eintägigen Besuchs in Frankfurt mit Polizisten und hat eine private Begegnung mit Basay-Yildiz.
  • März 2019: Die Berliner Kabarettistin Idil Baydar erhält ein Schreiben, in dem sie mit dem Tod bedroht wird. Mittlerweile ist bekannt, dass persönliche Daten von einem Polizeicomputer in Wiesbaden abgefragt wurden.
  • 3. Juli 2020: Über Medienveröffentlichungen wird bekannt, dass Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende der Linken im Hessischen Landtag, mit «NSU 2.0» unterzeichnete Drohschreiben erhalten hat.
  • 9. Juli 2020: Der hessische Innenminister Peter Beuth(CDU) erhebt schwere Vorwürfe gegen das Landeskriminalamt (LKA). Er habe erst am Vortag erfahren, dass von einem Polizeirechner persönliche Daten über Wissler abgefragt worden seien. Er kündigt einen Sonderermittler an und schließt inzwischen nicht mehr aus, dass es ein rechtes Netzwerk in der hessischen Polizei geben könnte.
  • 9. Juli 2020: Auch die Thüringer Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke) hat mehrere mit «NSU 2.0» unterzeichnete Drohmails erhalten, wie einer ihrer Mitarbeiter berichtete. Renner war eine der Obfrauen der Linken im Thüringer Untersuchungsausschuss zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU).
  • 9. Juli 2020: Anne Helm, Fraktionsvorsitzende der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, berichtet mehreren Medien, sie habe eine Mail mit einer Art «Todesurteil» erhalten.
  • 14. Juli 2020: Beuth gibt auf einer Pressekonferenz bekannt, dass Landespolizeipräsident Udo Münch am Vortag um die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gebeten. Münch hatte zunächst berichtet, das Landespolizeipräsidium sei nicht über die Datenabfragen informiert gewesen. Dann räumte er ein, dass er laut einem Protokoll bereits im März in einer Videokonferenz zu diesem Sachverhalt informiert worden sei. Er habe jedoch weder das Protokoll noch den Sachverhalt selber bewusst wahrgenommen. Eine so herausragende Information hätte sowohl für die Ermittlungen als auch die politische Bewertung unmittelbar erfolgen müssen, sagte Beuth.
  • 14. Juli 2020: Die Fraktionschefs der Bundestagsfraktion der Linken informieren darüber, dass auch die Bundestagsabgeordnete Helin Evrim Drohmails erhalten habe.
  • 15. Juli 2020: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt bestätigt, dass die in Berlin eingegangenen Drohschreiben an den «NSU 2.0»-Ermittlungskomplex angekoppelt wurden. Ob es einen direkten Zusammenhang gibt, müsse aber noch festgestellt werden. (dpa)