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Nünchritz-West steckt im Dilemma

Die Umsiedlung ist praktisch vom Tisch. Deshalb fordern die Bürger von Nünchritz-West den Flutschutz. Und zwar so schnell wie möglich.

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© Matthias Seifert

Von Sebastian Münster

Mario Bergmann sitzt nicht nur auf heißen Kohlen, er wohnt praktisch drauf. Grund dafür ist die Elbe. Die verläuft nicht weit von seiner Haustür. Nach den Fluten 2002 und 2013 haben die Hauseigentümer des Wohngebietes alles wiederaufbauen müssen. Und das – da sind sich Bergmann und auch alle anderen in Nünchritz-West sicher – kann jederzeit wieder passieren. Das Jahrhunderthochwasser verdient nach Bergmanns Ansicht diesen Namen nicht. Denn mit einer Flut, wie es sie 2002 gegeben hat, müssen Elbbewohner wesentlich häufiger rechnen. Das Hochwasser 2013 ist für ihn der beste Beweis.

Ähnlich wie Röderau-Süd hätte Nünchritz-West nie Ende der 90er als Bauland ausgewiesen werden dürfen, sagt Mario Bergmann. Zu DDR-Zeiten galt hier Bauverbot wegen Hochwassergefahr. Gewusst hat er das aber nicht, als er sein Grundstück 1999 kaufte. Der inzwischen geänderte Bebauungsplan hatte es nicht erwähnt. Und selbst wenn: Restriktive Bauvorschriften hätten ihn und alle anderen daran gehindert, ihre Häuser beispielsweise erhöht zu bauen, um sicherer zu sein. Seit rund zwei Jahren kämpfen die Bürger von Nünchritz-West nun um eine Umsiedlung auf Kosten der Kommune oder aber des Freistaats – so wie es in Röderau-Süd 2003 geschehen ist.

Hoffen auf ein Wunder

Dass der Berufungstermin am Dresdner Landgericht Ende August noch ein Wunder bewirken wird, ist nicht ausgeschlossen. Doch daran glaubt kaum noch einer der 15 verbliebenen Kläger. Die meisten der Anwohner werden wohl hier wohnen bleiben und vielleicht eine Entschädigung erhalten. „Wir haben Angst“, sagt Mario Bergmann. Und zwar davor, dass das Wasser wiederkommt, bevor der Hochwasserschutz gebaut wird. Die Bürgerinitiative Hochwasser Nünchritz (BI), die Mario Bergmann und Heiko Sander vor zwei Jahren selbst mitgegründet haben, hatte die Elbanreiner im Juli bei ihren Einsprüchen gegen die geplanten Flutschutzmaßnahmen unterstützt. „Das widerspricht für uns klar der Satzung, die sich die BI einmal gegeben hat“, stellt Heiko Sander klar. Im September 2013 waren Bergmann und Sander zusammen mit Co-Gründer Mario Skopp wegen Differenzen aus dem Vorstand der BI ausgetreten. „Uns geht das alles viel zu langsam“, sagt Mario Bergmann.

Denn auch wenn sie nicht daran glauben, dass die geplanten Maßnahmen ihnen hundertprozentigen Schutz bieten können. Sie würden wesentlich ruhiger schlafen, wenn er schon da wäre. Dass es begründete Einsprüche gebe, daran zweifelt Mario Bergmann nicht. „Aber muss denn wirklich jeder für einen eigenen Durchgang durch die Mauer streiten?“, fragt er.

In einem Treffen Anfang des Monats haben die Bewohner von Nünchritz-West nun beschlossen, Landes- und Bundespolitiker an den Tisch zu holen und sie an die Versprechen zu erinnern, die sie den flutgeplagten Elbbewohnern im Bundeswahlkampf 2013 gegeben hatten. Politiker wie den heutigen Wirtschaftsminister von Sachsen, Martin Dulig (SPD), der damals in der Opposition saß. Schnelle und unbürokratische Hilfe solle es geben, hieß es damals.

Den Flutschutz verhindern wolle niemand bei der BI, sagt Sprecher Reinhard Neumann. Es gehe um „nachhaltige Lösungen“ beim Flutschutz. Der BI-Vertreter sieht das Problem vor allem in der fehlenden Kommunikation der verantwortlichen Landestalsperrenverwaltung. Die habe es verfehlt, die Betroffenen über Sinn und Funktion der Bauvorhaben aufzuklären.