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Nur beste Erinnerungen an Riesa

Christina Hammer bestreitet am Samstag in den USA den größten Frauenboxkampf aller Zeiten. In ihrer Heimat wird das aber kaum jemand mitbekommen.

Von Alexander Hiller
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Christina Hammer will Samstagnacht unumstrittene Weltmeisterin werden.
Christina Hammer will Samstagnacht unumstrittene Weltmeisterin werden. © PR

Der Samstag könnte als außergewöhnlicher Tag in die Geschichte des Profiboxens der Frauen eingehen. Das liegt in erster Linie an den herausragenden Protagonistinnen: hier die Amerikanerin Claressa Shields, zweifache Olympiasiegerin bei den Amateuren und vielleicht so eine Art Jahrhunderttalent. Dort die Deutsche Christina Hammer. Die als Baby mit ihren Eltern aus dem kasachischen Nowodolinka nach Deutschland übersiedelte und exzellente Verbindungen nach Sachsen unterhält.

Es wird das Duell zweier bislang ungeschlagener Weltmeisterinnen. Shields, die bei ihrem ersten Olympiagold in London erst 17 Jahre alt war, hält im Mittelgewicht die WM-Gürtel der bedeutenden Weltverbände IBF, WBA und WBC, Christina Hammer den der WBO. Erst acht Profikämpfe hat Shields in den Knochen, ihre deutsche Rivalin schon 24 – alle gewonnen. Seit neun Jahren ist sie Weltmeisterin. In der Erdgasarena von Riesa holte sie sich 2010 den vakanten WBO-Titel. „Ich habe deshalb immer eine besondere Beziehung zu dieser Stadt“, erklärte Hammer der Sächsischen Zeitung. Sie würde auch gern wieder in Riesa boxen. „An mir liegt es nicht, es liegt immer an den Veranstaltern. Für mich ist Riesa eine besondere Stadt, weil ich da mit 20 Jahren die jüngste Weltmeisterin geworden bin. Ich denke heute noch sehr gerne zurück“, sagt sie.

Christina Hammer beim Sparring in Atlantic City.
Christina Hammer beim Sparring in Atlantic City. © dpa/Edward Lea

Rekordbörsen für beide

Ihr Fokus liegt freilich auf der Gegenwart. Nach diesem Wochenende wird es vermutlich eine uneingeschränkte Herrscherin im Mittelgewicht geben. Einen ähnlichen Vergleich dieser Reputation und dieser beiderseitigen Klasse hat es im Profifaustkampf der Frauen noch nicht gegeben. Und vermutlich wird zumindest Shields bei dem Kampf, der in den Staaten auf dem Pay-TV-Sender Showbox läuft, eine Millionen-Gage einstreichen. Der Afroamerikanerin soll bereits in ihrem zweiten Profikampf eine Börse von 150.000 Dollar kassiert haben. „Dafür würden hierzulande fast alle Männer in den Ring steigen“, hatte Hammers damaliger Manager Harald Pia erzählt. Auch Hammer wird für ihren Auftritt in der Boardwalk Hall von Atlantic City die Rekordgage ihres Lebens einnehmen. „Dieser Kampf wird der Gleichstellung von Männern und Frauen in unserem Sport erst mal auf die Sprünge helfen. Wenn viele Leute einschalten und sehen, dass Frauenboxen interessant ist, wird auch mehr bezahlt“, hofft Hammer.

In ihrem 25. Kampf könnte die 28-Jährige vom Renommee her sogar an der deutschen Box-Queen Regina Halmich vorbeiziehen. Von der Popularität der ehemaligen Weltmeisterin im Fliegengewicht ist sie jedoch weit entfernt. „In Amerika wird zur Zeit viel mehr getan als in Deutschland. Es ist schon ein bisschen traurig. Ich würde mir wünschen, dass da mehr kommt“, sagt die in Dortmund lebende Kämpferin. Der Frauenboxkampf des Jahrhunderts wird ihr in Deutschland in puncto Popularität wohl keinen Zuwachs bringen. Der Pay-TV-Sender DAZN Deutschland überträgt den Kampf in der Nacht von Samstag auf Sonntag ab 3.10 Uhr.

Auch Seilspringen gehört bei der Vorbereitung auf den WM-Kampf natürlich zum Programm.
Auch Seilspringen gehört bei der Vorbereitung auf den WM-Kampf natürlich zum Programm. © dpa/Edward Lea

Hammer ärgert sich außerdem darüber, dass Shields in der unabhängigen Weltrangliste bereits vor ihr rangiert. „Ich war lange die Nummer eins. Ob sie mit acht Kämpfen vorne stehen muss, ist fraglich. Aber das werden wir am 13. April klären“, gibt sich Hammer betont martialisch. Denn die bisherigen persönlichen Begegnungen der beiden Weltmeisterinnen waren von beiderseitiger Abneigung geprägt. „Wir sind zwei verschiedene Typen und werden sicher keine Freunde sein nach dem Kampf. Sie ist offensichtlich auch neidisch auf mich, sie hat mehrmals meine Bikinifotos angesprochen. Ich würde zu viel Haut zeigen“, sagt die Ungeschlagene.

Die bisherige sportliche Karriere von Claressa Shields nötigt ihr allerdings Respekt ab. „Natürlich ist das eine großartige Leistung, die sie erbracht hat“, betont Hammer mit Blick auf die zwei Olympiasiege und zwei Weltmeistertitel, die die 24-jährige Amerikanerin in ihrer Amateurlaufbahn errang. „Aber ich sehe nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft. Das Profigeschäft ist eine ganz andere Welt als das Amateurgeschäft. Deshalb kann man das gut trennen“, findet sie.

Die Deutsche glaubt, „dass mein größter Vorteil ist, dass ich mental stärker bin. Meine Reichweite ist größer, ich bin beweglicher, habe eine bessere Beinarbeit und bin vor allem technisch besser ausgebildet“. Das sieht Shields naturgemäß anders. „Ihr einziger guter Schlag ist der Jab“, sagt sie, „alles andere ...“, sie senkt den Daumen nach unten und macht ein Pupsgeräusch mit der Zunge. „Claressa ist stark im Infight, sie geht stark nach vorne, was ich unterbinden muss“, weiß Hammer.

Krankheit verhindert früheres Duell

Das Duell Shields gegen Hammer war bereits für den 17. November 2018 angesetzt. Doch der 28-Jährigen kam ihre Gesundheit in die Quere, es wurde eine Gluten-Unverträglichkeit diagnostiziert. „Es hat im August letzten Jahres begonnen, dass ich Magenkrämpfe hatte, auch schwach im Training war und ich bemerkte, irgendwas stimmt bei mir nicht“, berichtet sie. Eine Magen-Darm-Spiegelung sorgte für die Erkenntnis. „Ich musste meine Ernährung umstellen und verzichte jetzt völlig auf glutenhaltige Lebensmittel wie Brot und Nudeln. Es hat eine Zeit lang gedauert, bis der Körper das angenommen und sich alles normalisiert hat. Aber jetzt geht’s mir sehr gut“, sagt Hammer, die bereits seit dem 4. April in den USA weilt.

Vielleicht kehrt sie als ungeschlagene Weltmeisterin nach Deutschland zurück und stattet Dresden einen Besuch ab. Ihr Lebensgefährte, der Zweitliga-Handballer Daniel Andrejew, spielt mit seinem Wilhelmshavener HV am 19. Mai beim Abstiegsgipfel gegen den HC Elbflorenz.