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Nur keine Hektik bei Notre Dame

Mehr als 1.100 französische und internationale Architekten warnen vor Präsident Macrons Zielgabe, die Kathedrale nach dem Brand in nur fünf Jahren wiederaufzubauen.

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Nach dem verheerenden Brand von Notre-Dame gehen die Sicherungsarbeiten an der Kathedrale weiter. Eine wasserdichte Plane bedeckt das Dach.
Nach dem verheerenden Brand von Notre-Dame gehen die Sicherungsarbeiten an der Kathedrale weiter. Eine wasserdichte Plane bedeckt das Dach. © dpa/Michel Euler

Von Birgit Holzer, SZ-Korrespondentin in Paris

Viele schätzen Emmanuel Macron für sein jugendliches Ungestüm. Doch nicht in allen Situationen kommt das Voranpreschen des französischen Präsidenten an. So erregt sein Versprechen, die Kathedrale Notre-Dame nach ihrem Brand Mitte April in nur fünf Jahren wiederaufzubauen, Sorge und Widerstand bei Experten für Denkmalschutz. Auch die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, hatte 2024 als Datum für die Wiedereröffnung des meistbesuchten Monumentes Europas genannt – das Jahr, in dem die französische Hauptstadt die Olympischen Spiele ausrichtet.

Diese Frist sei absurd, kritisierte gestern der Konservator der nationalen Monumente, Laurent Alberti, im französischen Radio. Gemeinsam mit 1.169 Kollegen aus dem Bereich der Denkmalpflege und der Architektur hat er einen in der Zeitung „Le Figaro“ abgedruckten offenen Brief unterzeichnet, um vor überstürztem Handeln bei der Restauration des Bauwerks zu warnen. 

„Nehmen wir uns Zeit, um den richtigen Weg zu finden und ja, setzen wir uns eine ehrgeizige Frist für eine vorbildliche Restaurierung“, schreiben sie. Die Komplexität der Aufgabe dürfe nicht einer plakativen Effizienz hintangestellt werden, kritisieren sie recht unverhohlen das Vorgehen des Präsidenten, der beweisen wollte, dass die Regierung zur Stelle sei.

Rasch hatte Premierminister Édouard Philippe einen internationalen Architekten-Wettbewerb für den Aufbau eines neuen Spitzturms ausgerufen, der „an die Techniken und Herausforderungen unserer Zeit angepasst ist“ – was Spielraum für Interpretationen lässt bei der Frage, ob es sich um eine identische Rekonstruktion oder eine modernere Version handeln soll. In der letzten Woche wurde ein Gesetzestext vorgestellt, der der Regierung unter anderem erlauben soll, Verordnungen zu erlassen, um die üblichen Regeln für Arbeiten an historischen Monumenten zu umgehen und diese zu beschleunigen.

Die nächsten Monate steht aber erst noch die Sicherung des Sakralbaus an, den die Flammen und das Löschwasser stark beschädigt haben. Experten zufolge wurde die gesamte Struktur massiv in Mitleidenschaft gezogen. Das Bauwerk verlor 60 Prozent an Widerstandskraft gegen den Wind. Bis zum Sommer wird eine Art Regenschirm über das Gebäude gezogen, nachdem eine provisorische Plane bereits vor Regen schützt.

Geschockt von den Spenden

Inzwischen hat die Polizei den abgesperrten Sicherheitsbereich um das Bauwerk verringert, das jährlich zwölf bis 14 Millionen Besucher anzieht. Nun warnte die Präfektur die Anwohner auf der Seine-Insel vor gefährlichen Bleipartikeln in der Luft durch den Brand und rief sie zur „Reinigung ihrer Häuser und Wohnungen mit feuchten Tüchern auf, um die Staubbelastung zu beseitigen“. Bis jetzt sei allerdings keine Vergiftung gemeldet worden. Die Bereiche mit erhöhtem Blei-Aufkommen, vor allem in den Gärten um die Kathedrale, seien für die Öffentlichkeit geschlossen und würden rasch gereinigt, versprach die Polizei.

Zwei Wochen nach dem Feuerdrama wurde fast eine Milliarde Euro gesammelt oder zumindest in Aussicht gestellt – so viel, dass mehrere Gemeinden ihre Versprechen seither wieder zurückgezogen haben, wie im nordfranzösischen Morbecque. „Manche Leute waren durch die Lawine an Spenden geschockt. Manchmal wäre es besser, die jeweiligen Summen gar nicht zu nennen“, sagte der Bürgermeister Jérôme Darques. Sein Gemeinderat habe schließlich gegen die geplante Spende von 2.600 Euro gestimmt.