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O, Tannenbaum

Andreas Gropp zieht Weihnachtsbäume groß. Damit sie anwachsen, simuliert er Herbst und Winter.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Annett Heyse

WIlsdruff. Es ist frostig in Kleinopitz und auch drinnen im Gewächshaus gerade einmal knapp über null Grad. Aber hier wachsen auch keine exotischen Pflanzen, Gemüse oder Schnittblumen. Das war einmal. Grün ist es trotzdem. Tannengrün – denn Andreas Gropp betreibt auf dem Gelände einer ehemaligen Gärtnerei einen Tannenhof. Hier wachsen Tausende zukünftige Weihnachtsbäume heran. Gropp zieht die Tür des Gewächshauses schnell hinter sich zu. Frost sollen die Winzlinge nicht abbekommen. Sie sind gerade vier Zentimeter groß. Bis sie eine weihnachtliche Nordmanntanne von gut zwei Metern Größe abgeben, werden noch neun Jahre vergehen. Weihnachtsbaumgärtner Gropp greift sich ein Bäumchen, zeigt auf die Spitze, auf der noch ein dünnes Häutchen liegt. Es ist ein Rest der Samenhülse. „Wir ziehen die Bäume vom Samenkorn bis zum fertigen Baum hoch.“

Für die Samen müssen Zapfenpflücker auf Bäume im Kaukasus klettern.
Für die Samen müssen Zapfenpflücker auf Bäume im Kaukasus klettern. © Karl-Ludwig Oberthür
Im Winter müssen auch die zweijährigen Bäume ins Gewächshaus.
Im Winter müssen auch die zweijährigen Bäume ins Gewächshaus. © Karl-Ludwig Oberthür
Gerade einmal vier Zentimeter hoch sind die Winzlinge nach 9 Monaten.
Gerade einmal vier Zentimeter hoch sind die Winzlinge nach 9 Monaten. © Karl-Ludwig Oberthür

Das Leben eines Weihnachtsbaumes – vor allem werden hier Nordmanntannen produziert – beginnt mitten im Winter. Dann müssen mehrere Kilogramm Saatgut, von Zapfen im Kaukasus geerntet, in den Kühlschrank. Der wird so eingestellt, dass es darin mal kalt, mal eisig, mal feucht, mal trocken ist. „Damit simulieren wir im Zeitraffer den Herbst und den Winter. Die Samen sind so nach sechs Wochen keimbereit“, erklärt Andreas Gropp. Nun ist Handarbeit gefragt. Jedes einzelne Körnchen wird in einen sogenannten Torfquelltopf gelegt. Das ist nichts weiter als ein mit Gaze umwickelter Torfballen. Darin wurzelt das Bäumchen an. Von da an geht alles sehr langsam. Nach einem halben Jahr hat jedes Bäumchen gerade einmal drei bis vier Zentimeter erreicht. Dann wäre in der Natur eigentlich wieder Winter. Genau diesen lässt Andreas Gropp in seinem Gewächshaus aber nicht einziehen. „Die meisten Bäumchen würden den Frost nicht überstehen, der Verlust wäre zu hoch.“ Also sorgt er dafür, dass es unter den Glasdächern knapp über null Grad und schön feucht bleibt.

Weihnachtsbäume wurden schon im ausgehenden Mittelalter aufgestellt, damals meist in Kirchen oder Amtshäusern. In die Wohnstuben zog der geschmückte Tannenbaum wohl um 1600 herum ein. Damals wurde er mit Früchten, Süßigkeiten und auch Papierschmuck behängt. Ein Jahrhundert später ist auch von Wachslichtern, die aufgesteckt werden, die Rede.

Im 19. Jahrhundert verbreitet sich der Brauch von Deutschland aus in andere Länder. Nun stellt das englische Königshaus und auch der Zar in St. Petersburg einen Weihnachtsbaum auf. Obwohl es heute längst Weihnachtsbäume aus Kunststoff gibt, sind die echten Exemplare immer noch gefragt. 2015 wurden in Deutschland 24 Millionen verkauft. Der beliebteste Baum ist mittlerweile die Nordmanntanne. „Sie hat einen gleichmäßigen Wuchs und schöne, biegsame Nadeln, die rund um den Ast sitzen“, sagt Andreas Gropp. Blaufichten oder Kiefern seien dagegen außer Mode. Was Gropp noch anbaut, sind Korktannen und Dufttannen. Letztere verströmen in warmer Raumluft einen zarten Zitrusduft.

Im zweiten Lebensjahr legen die Nordmanntannen zehn Zentimeter zu und bilden erste Zweige aus. Im Sommer stehen sie im Freien. Sonne, Regen, Wind, Hitze und Kälte sollen sie abhärten. Denn im Herbst des dritten Lebensjahres – also im Alter von 27 Monaten – ziehen sie um. In einem Wald bei Königsbrück werden die Bäume eingepflanzt. Jetzt heißt es: warten.

Zu tun gibt es trotzdem immer etwas. „Man muss schon darauf achten, dass nicht zu viel Unkraut wächst und sich keine Schädlinge einnisten“, sagt der Baumexperte. Vor allem aber müsse er die kleinen Tannen vor Wildverbiss schützen. „Die Triebe sind doch für die Rehe wie Schokolade.“ Ein an der Spitze gekappter Baum aber verzweigt sich. Für die Verkauf ist er dann wertlos. Nach acht bis zehn Jahren – abhängig vom Wachstum – kommt das Finale. Die Nordmanntannen werden gefällt und zurück nach Kleinopitz gebracht. In einem ausgedienten Gewächshaus haben die Gropps einen kleinen Markt aufgebaut. Bei Glühwein und Lagerfeuerschein kann man sich hier seinen Baum aussuchen. Geöffnet ist montags bis freitags 9 bis 18 Uhr, sonnabends 9 bis 15 Uhr.