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Fansterritschl, oack und noaatschn

Aus 200 Vorschlägen hat eine Jury in Neugersdorf die Oberlausitzer Wörter des Jahres ausgewählt - ein Adverb, ein Verb und ein Substantiv.

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Am Bismarckturm: Die Kinder halten in Tracht die Wörter des Jahres 2020 in den Händen.
Am Bismarckturm: Die Kinder halten in Tracht die Wörter des Jahres 2020 in den Händen. © Jörg Neumann

Fansterritschl, oack und noaatschn - so lauten die Oberlausitzer Wörter des Jahres 2020, die eine Jury am Bismarckturm in Neugersdorf bekanntgegeben hat. Aus 200 eingereichten Vorschlägen wählten die sieben Mundartkenner somit ein Substantiv, ein Verb und ein Adverb aus.  Was dahinter steckt, erläutert Mundartdichter Hans Klecker:

oack, ack, ock, oacke - Adverb, Partikel (eingereicht von Frank Vesper aus Neugersdorf)

Die meisten deutschen Siedler, die im Hochmittelalter in die Oberlausitz eingewandert sind, stammten aus dem Rheinland und aus Hessen. In diesen Gebieten sprach man mittel- und rheinfränkisch. Die Siedler kamen auf der Via Regia (Königstraße) über Thüringen, Meißen (Obersachsen) in die Oberlausitz. Zur damaligen Zeit gab es keine Hoch- bzw. Standardsprache in Deutschland, alle sprachen Mundart. Die Bauern aus dem Rheinland brachten ihre Vokabeln ocker, ockers, ockert, eckers, oht, und eht in unsere Heimat mit. Es sind alles sprachliche Formen aus der Zeit von 1050 bis 1350, die für „nur“, „bloß“, „doch“, „nun“, „eben“, „wohl“ und „allerdings“ stehen. In verschiedenen Ortsmundarten um Köln lebt das Wort ockers in den Formen ockersch und eckersch heute noch weiter.

Die Oberlausitzer Mundart ist durch das Abschwächen und Abstoßen von unbetonten Endungen gekennzeichnet. So wurde aus dem zweisilbigen Wort „Sonntag“ ein einsilbiges Sunntch, aus „richtig“ richtch und aus „ocker“ eben ock. Unser Oberlausitzer ock ist über das ahd. „öchert“ bis in die Germanenzeit zurückzuverfolgen. Vor der Vertreibung der Deutschen aus Nordböhmen und Schlesien war es auch in den dortigen Mundarten gebräuchlich, vereinzelt auch im Elbsandstein- und Osterzgebirge. Die Mundart in der Hinteren Sächsischen Schweiz wird dem Oberlausitzischen zugerechnet. Nördlich von Bretnig in der Westlausitz wird ock kaum noch gesprochen, aus kumm oack(e) wird komm nor. Die alten Seifhennersdorfer und Schirgiswalder verwendeten die Sprachform komm ack. Die Partikel ock, oack und ack gelten heute als Kennwort der Oberlausitzer Mundart.

noaatschn - Verb (eingereicht von Ines Ritter aus Mosbach)

Für „weinen“ oder umgangssprachlich „heulen“ gibt es viele mundartliche Ausdrücke, so flenn, floarrn, sich bleckn, fänsn, knietschn, knutschn, ningln oder plarrn. Das Wort flennen gibt es in allen deutschen Mundarten, floarrn, flarrn oder sich bleckn im Raum Neugersdorf, Eibau, Seifhennersdorf, das Wort fähnsn im Ostmeißnischen um Dresden und im gesamten Erzgebirge. Anders verhält es sich mit noaatschn, Das gibt es hauptsächlich in der Oberlausitz, in Schlesien und vereinzelt auch im Ostmeißnischen. Etymologisch ist es mit „netzen“ verwandt, das wiederum „nass machen“ bedeutet. Wenn man noaatscht bekommt man feuchte oder nasse Augen; wenn ´s kleene Maajdl noaatscht, nee, wie do de Tranl kullern! In anderen deutschen Regionen gebrauchen die Mundartler den Ausdruck natschen fürnaschen“, „Zuckerzeug lutschen“, „naschend pflücken“, „lustlos essen“, „zu Brei zerreiben“, „zanken“, „sticheln“ oder „nörgeln“.

Fansterritschl – Substantiv (eingereicht vom Mundartkaffeeklatsch auf der Birkmühle)

Der Diminutiv (Verkleinerungsform) von einer „Rutsche“ ist das „Rütschlein“, mundartlich Ritschl. Dieses Wort verwendet der Oberlausitzer für a. eine Schiebefensterlade, für b. einen Schieber in der Holzdecke der Wohnstube, für c. eine verschiebbare kleine Fensterscheibe mit Rahmen als Teil eines Fensters (Ritschlfanster) und in Seifhennersdorf und der östlichen Oberlausitz auch für d. eine kleine hölzerne Fußbank, dem Hitschl. In den Dörfern der ehemaligen Preußischen Oberlausitz werden damit auch primitive, aus Holzbrettern gefertigte Schlitten für Kinder als Ritsche bezeichnet, die der Oberländer Kasehitsche nennt. Wenn der Oberlausitzer vom Fansterritschl spricht, meint er die rutschende Holzplatte, die innen am Fenster angebracht ist und die man zum Verdunkeln vor das Fenster schiebt. Sind die Schiebefensterladen auch groß, so neigt der Südlausitzer, wie auch der Deutschböhme, sprachlich zur Verkleinerungsformen. Die Deutschen in Tschechien bezeichnen die beiden Riesenfässer im Jeschken- und Isergebirge auch als Fassl. Weitere Bezeichnungen für Schiebefensterläden sind Fansterrutschn, Fansterritscherche und Ritschlloadn. Das Hin- und Herschieben dieser Fensterrutschen wird auch ritschln genannt.

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