Merken

Oderwitzer Dauergast

Winter hin oder her: Ein Weißstorch hält einem alten Schornstein im Ort die Treue. Eine Gefahr besteht derzeit nicht.

Teilen
Folgen
© Annett Paul

Von Mario Sefrin

Oderwitz. Da sitzt ein Storch auf dem Schornstein einer alten Färberei und schaut auf Oderwitz. Und ganz sicher hat er schon mitbekommen, dass wiederum das halbe Dorf und manch andere Oberlausitzer interessiert verfolgen, was der Storch so treibt und wie es ihm geht. Seit mehreren Wochen sorgt der Vogel nun schon für Aufregung in der Gemeinde am Landwasser: Ein örtlicher Kindergarten kommt regelmäßig vorbei, um nach dem Storch zu schauen, auch in sozialen Internet-Netzwerken wird über den großen Vogel diskutiert, und darüber, ob es besser wäre, ihn in eine Wildtierauffangstation zu bringen, damit er dort den Winter überleben kann.

Doch den Weißstorch interessiert das alles nicht. Zu recht: „Solange es noch warm ist und er ausreichend Futter findet, besteht keine Gefahr“, weiß Kerstin Titzler von der integrativen Oderwitzer Kindertagesstätte „Knirpsenland“. Seitdem die Einrichtung im Gemeindeblatt über den „zurückgebliebenen“ Storch berichtet hat, stehen die Telefone in der Kindertagesstätte nicht mehr still. „Viele Leute rufen bei uns an und sagen, dass wir den Storch fangen und versorgen sollen“, sagt Kerstin Titzler. Denn eigentlich sind Weißstörche Zugvögel, die mit Einsetzen kühlerer Jahreszeiten das Weite suchen und Deutschland Richtung Süden verlassen. Das wissen mittlerweile auch die Oderwitzer „Knirpsenland“-Kinder – schließlich haben sie schon im vergangenen Jahr das Storchentreiben auf dem Schornstein der alten Färberei in Oberoderwitz beobachtet. „Die Kinder konnten miterleben, wie die Störche im April zum Nest zurückkehrten, brüteten und zwei Jungvögel aufzogen“, sagt Kerstin Titzler. Ende August seien die Störche dann davongeflogen.

Doch im Oktober gab es dann eine Überraschung: Auf dem Nest stand wieder ein Storch. Ob es einer der Störche vom Sommer ist, konnte bislang nicht geklärt werden. Doch alle hätten gehofft, dass sich auch dieser Storch auf den Weg macht und seinen Artgenossen hinterherfliegt, sagt Kerstin Titzler. Der aber dachte überhaupt nicht daran – viel lieber zog er seine Kreise über Oderwitz und die umliegenden Wiesen und Felder. Als es November und damit kälter wurde, fragten sich nicht nur die Kinder im Oderwitzer „Knirpsenland“: Was passiert mit dem Storch, wenn es schneit? Wird er frieren und genügend Nahrung finden? Zudem habe es immer mehr Hinweise von Oderwitzern gegeben, wann und wo der Storch gesehen wurde. Mit all diesen Informationen sollte das Storchenprojekt der Kita „Knirpsenland“ erst richtig Fahrt aufnehmen. Und da sich die Kindereinrichtung der Umweltpädagogik verschrieben hat, waren die Informationen und besorgten Nachfragen der Oderwitzer Einwohner an der richtigen Stelle: „Mit unseren Fragen haben wir uns an die Wildauffangstation im Tierpark Görlitz gewandt“, erzählt Kerstin Titzler. „Dort wurde uns gesagt, dass wir Geduld haben sollen, vielleicht würde der Storch ja doch noch wegfliegen.“ Doch auch nachdem der Vogel das nicht getan hat, gebe es bislang kein Problem, sagt Kerstin Titzler. „Solange er sich selbst versorgen kann, ist alles in Ordnung. Erst wenn er das nicht mehr kann und zu schwach ist, bekommt er ein Winterquartier im Görlitzer Tierpark.“

Auch wenn die Gefahr eines Schwächeanfalls beim Storch gegenwärtig nicht groß ist: Die Kinder und Erzieher vom Oderwitzer „Knirpsenland“ stehen sicherheitshalber in Kontakt mit der örtlichen Feuerwehr. Nur für den Fall, dass eine schnelle Rettung nötig wäre. Und die Kinder haben sich auch schon weitere Gedanken gemacht, wie dem Storch zu helfen wäre. „Sie hatten die Idee, Geld zu sammeln und dem Storch ein Flugticket nach Afrika zu bezahlen“, sagt Kerstin Titzler. Sie hat sich kundig gemacht: „Das wäre sogar möglich.“ Die Kinder wollen nun weitere Ausflüge zu ihrem Storch machen, zumal sich dort auch ein Spielplatz befindet. Außerdem sollen Vögel in den Mittelpunkt ihres nächsten Projektes rücken: „Wir wollen einen Nistkasten für Meisen bauen, mit einer kleinen Kamera darin. Die Livebilder aus dem Nistkasten wollen wir uns dann gemeinsam mit den Kindern ansehen“, sagt Kerstin Titzler. Die Einrichtung sucht noch ein paar Sponsoren für dieses Projekt.