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Wieso Pfingsten nach Corona helfen könnte

Künstler öffnen an diesem Wochenende ihre Ateliers und Galerien. Jetzt wollen sie Action.

Von Christoph Springer
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Thomas Reichstein und Doreen Wolff haben eine Galerie an einer Topadresse und stellen dort ihre mannshohen Skulpturen aus.
Thomas Reichstein und Doreen Wolff haben eine Galerie an einer Topadresse und stellen dort ihre mannshohen Skulpturen aus. © SZ/Christoph Springer

Dresden. Der Anfang ist gemacht und das war an diesem Sonnabend vielleicht auch das Wichtigste. Die Ateliers hatten offen, die Besucher kamen und die Künstler konnten mit ihnen über ihre Kunst sprechen, vielleicht sogar etwas verkaufen. So ist "Kunst:offen in Sachsen" gedacht, seit 16 Jahren schon. Mehr als 300 Künstler haben beim zehnjährigen Jubiläum mitgemacht, reichlich 100 waren es in diesem Jahr bei der sachsenweiten Veranstaltung, die dem Dresdner Tag des offenen Ateliers ähnelt. Einziger Unterschied: Sie findet eben nicht nur in Dresden statt.

Endlich wieder Bilder ansehen, um Plastiken herumgehen und staunen, mit den Machern sprechen und dann vielleicht sogar die Geldbörse ziehen... Der Pfingstsonnabend war als erster der drei Kunst-offen-Tage ein ganz besonderer. Das fand nicht nur Olaf Klepzig aus Rabenau, der diese drei Öffnungstage ins Leben gerufen hat. "Das Bedürfnis ist da", beschreibt er die Wartezeit auf das Corona-Ende. Darauf, dass sich Künstler und ihr Publikum wieder begegnen können. Und natürlich auch darauf, dass Kunst wieder gekauft wird. Doch das funktioniert nicht von heute auf morgen. "Die Künstler spüren, dass die Menschen aus Ängsten heraus ihr Geld an sich halten", hat Klepzig beobachtet.

Dennoch ist in diesem Jahr in Dresden zum ersten Mal Martina Künzel mit ihrer Galerie Gaia in der Dresdner Neustadt dabei. Sie hat 16 Bilder in ihren Räumen am Bischofsweg aufgehängt, sechs davon sind neu. Gemalt in der Corona-Pause. "Das war eine schwierige Zeit", berichtet sie von den vielen Wochen, in denen ihre Galerie geschlossen bleiben musste. Seit dem 15. Mai ist wieder offen. "Die Leute sind verhaltener, Einnahmen fehlen, ihr Fokus hat sich verschoben", hat sie seitdem bemerkt. "Viele haben sich auch so ein bisschen daran gewöhnt, nichts zu tun", ist sie außerdem überzeugt. Doch jetzt soll es wieder losgehen. Sie hat die Preisschilder von ihren Bildern entfernt, bei Kunst:offen darf verhandelt werden. Bis zu 50 Prozent Nachlass will sie an diesen Tagen geben, eines ihrer großen Mandala-Bilder ist so schon für einen mittleren dreistelligen Betrag zu haben. Vor allem aber ist ihr an diesem Wochenende wichtig, endlich wieder mit ihren Galeriebesuchern reden zu können. Über Kunst. Und falls nötig auch über das, was war in den vergangenen zwei Monaten.

Martina Künzel zeigt neue Bilder. Preise hängen nicht daran, sie lässt gern mit sich handeln.
Martina Künzel zeigt neue Bilder. Preise hängen nicht daran, sie lässt gern mit sich handeln. © SZ/Christoph Springer

Bei Doreen Wolff und Thomas Reichstein ist an diesem Sonnabendnachmittag Betrieb vor allem auf dem Platz vor der Galerie. Ihre Adresse gehört zu den Topadressen in Dresden. Es ist der Jüdenhof 10, direkt am Neumarkt. Und der Neumarkt ist gut besucht. Die zwei Künstler sind ein Paar. Sie teilen sich einen Raum mit Schaufenstern über Eck. Perfekt für Interessenten, die vorbeikommen, wenn gerade mal nicht offen ist. Denn sie können die Kunstwerke so auch dann noch aus mehreren Perspektiven ansehen. Michael Kimmerle, der Bauherr des Neumarkt-Quartiers gleich neben dem Verkehrsmuseum, hat ihn den zwei Künstlern zur Verfügung gestellt. Er sei ihr Kunstförderer, sagt Reichstein. Im Gegenzug dafür schmücken seine Plastiken und die von Doreen Wolff auch andere Einrichtungen im Kimmerle-Quartier. 

Thomas Reichstein hat Action geplant. Er will vor der Galerie auf Stelzen um die Plastiken laufen und so auf sie aufmerksam machen. Doch die Action geht schief. Die alten Riemen der hohen Stelzen sitzen nicht fest genug. Reichstein wackelt, er verliert das Gleichgewicht, kippt nach vorn und schlägt auf dem Granitfußweg zwischen den Figuren auf. Die Aufmerksamkeit hat er gewonnen, doch so hat er sich das nicht gedacht. Verletzt hat er sich zum Glück nicht, jetzt freut er sich über die Fallübungen, die früher Teil seines Judotrainings waren. Reichstein steht wieder auf und sagt: "Wir freuen uns, dass es wieder losgeht." Wie ihre Kollegin aus der Neustadt hätten auch sie sich in den vergangenen Wochen vor allem aufs "Kunst machen" konzentriert. Doch es sei gut, jetzt wieder mit dem Publikum in Kontakt zu kommen. "Wir haben lange darauf gewartet."

Die Tür zur Galerie steht offen, wie auch bei Martina Künzel. Doch das Publikum ist noch zurückhaltend. Reichstein hofft, dass sich das an den nächsten beiden Tagen ändert. Das mit den Stelzen will er auch noch einmal probieren, wenn es sich die Besucher wünschen. Vorausgesetzt, er findet am Abend zuhause Riemen, mit denen er seine Stelzen beim nächsten Versuch fester schnallen kann. Action - das ist das, was er jetzt brauchen kann nach den langen Coronawochen. Ohne Galeriebesucher, auch ohne Kunstverkäufe. Da hat auch die Toplage neben dem Verkehrsmuseum nicht geholfen.

Kunst:offen-Erfinder Olaf Klepzig hofft vor allem auf den Pfingstmontag. Da sei erfahrungsgemäß besonders viel los in den offenen Ateliers und Galerien. "Da merken die Leute plötzlich, dass sie noch einen freien Tag und noch nichts geplant haben." Dabei müssen die beteiligten Künstler in diesem Jahr ganz aufs Internet setzen. Denn Zeit für gedruckte Werbung war nicht mehr nach Corona und vor dem Pfingstwochenende. Klepzig hofft, dass dabei die interaktive Karte hilft, auf der sich potenzielle Besucher die Galerie oder das Atelier aussuchen können, das sie besuchen möchten. Alle, die an diesem Wochenende mitmachen, sind darauf verzeichnet. Dort steht übrigens bei Thomas Reichstein auch: jeweils 15 Uhr Stelzenlauf des Künstlers um seine lebensgroßen Figuren auf dem Neumarkt am Verkehrsmuseum. 

Alle Informationen zu den offenen Ateliers am Pfingstwochenende stehen auf der Internetseite der Aktion.

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