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Offensiv wie Steffi

Clara-Marie Schön gilt als eines der größten Talente im deutschen Tennis.Die Zwölfjährige eifert einem großen Vorbild nach.

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© Robert Michael

Von Alexander Hiller

Die Antwort kommt wie selbstverständlich. „Angelique Kerber ist für mich eigentlich kein Vorbild“, sagt Clara-Marie Schön. Der Satz mag verwunderlich klingen aus dem Mund eines der vermeintlich größten Tennis-Talente ganz Deutschlands. Doch die zwölf Jahre alte Dresdnerin hat nach dem erschrockenen Einwand ihrer Mama Jeannette eine simple Erklärung: „Mein Spiel ist ganz offensiv, ganz viel Druck zu machen. Sie ist eher eine defensive Spielerin“, erklärt Clara mit fester Stimme „Von ihren Erfolgen her ist sie natürlich ein Vorbild“, sagt sie über die amtierende Wimbledonsiegerin. Nun stimmt ihr auch Jeannette Schön zu.

Clara-Marie ist bundesweit drittbeste Spielerin ihres Jahrganges – und sie eifert der erfolgreichsten deutschen Tennisspielerin nach: Steffi Graf. Dabei war sie noch nicht einmal geboren, als die heute 49-Jährige 1999 ihre glanzvolle Karriere beendete. Sie schaut Videos der 22-fachen Grand-Slam-Siegerin im Internet. „Für mich war Steffi Graf schon immer ein Vorbild, wie erfolgreich und präsent sie auf dem Platz war“, erzählt die Siebtklässlerin des Dresdner Sportgymnasiums. 2015 hatte Clara-Marie beim deutschen Jüngstenturnier in Detmold in der AK 9 den Titel errungen. Auch Steffi Graf und Boris Becker gewannen einst dieses Turnier.

Tennis kostet Zeit und Geld

Um tatsächlich einmal in die Fußstapfen des Vorbildes zu treten, muss das Talent vom TC Blau-Weiß Blasewitz noch einen weiten Weg zurücklegen. Den zum größten Teil die Eltern finanzieren. Auch wenn Heimatverein, der Sächsische Tennis-Verband (STV) und bei nationalen Lehrgängen auch der Deutsche Tennis-Bund (DTB) die Nachwuchshoffnung fördern, bringen die Schöns jährlich einen beachtlichen Eigenbetrag auf, um die Tochter maximal zu fördern. Wie hoch der genau ist, mag Jeannette Schön nicht sagen. „Erst mal kostet das viel Zeit und Unterstützung. Tennis ist finanziell wesentlich aufwendiger als andere Sportarten. Da kann man wahnsinnig viel Geld verdienen, aber das gelingt nur ganz wenigen. Alle anderen müssen sehr viel investieren“, erklärt die frühere Kanutin.

Clara-Marie ist das jüngste ihrer drei Kinder. Anna (14) spielt nur noch hobbymäßig Tennis, tanzt Hip-Hop und singt, Paul-Philipp (16) gehört zu den besten sächsischen Tennistalenten. Die kleine Tochter hat zunächst mit Wasserspringen begonnen und später Tennis parallel betrieben. Bis zur 3. Klasse. „An den Wochenenden sind wir manchmal früh zum Wasserspringen und nachmittags zum Tennis gefahren. Ich habe dann gesagt: Clara, du musst dich entscheiden“, sagt Jeannette Schön. „Das war ein großes Drama für mich, ich habe auch geheult“, gibt Clara-Marie zu. „Ich habe mich im Wasser immer so frei gefühlt.“

Doch letztlich wusste die zierliche 1,56 Meter kleine Blondine, was sie wollte. „Beim Tennis hatte ich viel schneller Erfolge, beim Wasserspringen waren einige besser als ich“, erzählt sie – und überrascht mit ihrer Erklärung: „Im Tennis musst du vor nichts Angst haben. Du hast einen Schläger und kannst dich wehren.“

Die Parallelausbildung bringt ihr heute auf dem Court noch Vorteile. In puncto Beweglichkeit und koordinative Fähigkeiten ist Schön den meisten ihrer Alterskolleginnen voraus. „Sie ist eine der fittesten Spielerinnen in Deutschland, und sie lernt unheimlich schnell. Manchmal muss ich sie im Training bremsen“, sagt der Blasewitzer Tomas Jiricka, der Schön in Dresden gemeinsam mit Oliver Trott betreut.

Kesses Mundwerk, frecher Blick

Clara-Marie hat nicht nur ein kesses Mundwerk und einen frechen Blick, sondern vor allem jede Menge positive Energie. Das Fensterbrett langt schon lange nicht mehr für ihre Pokale, mehr als 90 sind es bereits. Wenn die geputzt werden, schwimmt die Badewanne bei Schöns voller Blech. Der Weg zu den Profis ist jedoch noch weit, das weiß auch Clara-Marie, die 2019 mit 13 Jahren ihre ersten Damenturniere bestreiten will.

Die Aufnahme ins U-14-Nationalteam könnte ihr dabei helfen. Die Chancen dafür stehen gar nicht schlecht. Schön war gerade vom Wochenende bis Dienstag bei einem Lehrgang des DTB in Stuttgart unter Leitung von Barbara Rittner. Die Bundestrainerin bekleidet seit 2017 beim DTB das etwas sperrige klingende Amt Head of Women‘s Tennis. „Für die Entwicklung von Clara wäre der Schritt enorm wichtig, es ist ihr großer Wunsch, in dieses Team zu kommen“, erklärt ihre Mama.

Für ihre Tochter steht fest, dass sie eher früher als später Tennis-Profi werden möchte. „Mit 16, 17 Jahren will ich den Schritt gehen. Und wenn das nicht klappt“, sagt sie selbstbewusst, „dann halt mit 18“.