Von Jenny Thümmler
Eigentlich wollte Carolin* nach der Elternzeit wieder in ihren alten Beruf als Krankenschwester zurück. Fast drei Jahre war sie mit Tochter Sabine* zu Hause geblieben, jetzt war die Lust aufs Arbeiten groß. Erfüllen konnte sich die Alleinerziehende diesen Traum aber nicht. „Als Krankenschwester muss man unbedingt in Schichten arbeiten“, erzählt Carolin. „Ich habe meine Eltern gefragt, ob sie mich bei der Kinderbetreuung unterstützen.“ Hin und wieder ja, sagten diese, aber nicht als Routine. „Also ging es nicht. Und ich musste mir eine Umschulung suchen.“
Erfahrungen, wie sie ähnlich wohl viele Alleinerziehende gemacht haben. Wo sonst die Partner unterstützen, sind sie auf sich gestellt – auch finanziell. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung macht deutlich, wie Alleinerziehende dabei immer mehr unter Druck geraten. Kinderarmut hängt mit dieser Situation klar zusammen, heißt es. Drei Viertel aller Alleinerziehenden erhalten keinen oder nicht den kompletten Unterhalt. Und mehr als ein Drittel der Eltern mit Hartz IV ist trotz Job auf staatliche finanzielle Hilfe angewiesen.
Da hat Carolin wiederum Glück. Ihr Ex-Partner zahlt regelmäßig für die gemeinsame Tochter, lebt seit einem Jahr auch wieder in Görlitz. Dazu ihr Job als Erzieherin in einer Kita. „Wir kommen klar. Soziale Hilfen würde ich auch nicht wollen. Dazu bin ich zu ehrgeizig. Ich will es allein schaffen.“ Sie macht aber auch keinen Hehl daraus, dass sie sparen muss. Nicht alle Kosten im Monat lassen sich vorhersehen. Dazu hat Sabine mit Geigen- und Ballettunterricht teure Hobbys. Urlaub machen Mutter und Tochter gemeinsam mit Freunden, damit sich die Kosten teilen. Ansonsten versucht Carolin, ihrer Zehnjährigen vorzuleben, dass sich nicht alle Wünsche sofort erfüllen lassen. „Ich habe selbst fünf Geschwister, da ging das auch nicht. Andererseits muss man aufpassen, was man den Kindern vorlebt.“ Sie sollen lernen, dass sie auch mehr und anderes erreichen können, dass es mehr als eine Art zu leben gibt.
Bei Steffen* ist die Situation eine ganz andere. Er und seine Ex-Freundin haben das gemeinsame Sorgerecht, zu 60 Prozent ist die vierjährige Tochter bei ihm. Geld fließt zwischen beiden Eltern nicht, sie teilen stattdessen die Betreuung. Steffen arbeitet als IT-Administrator beim Görlitzer Unternehmen Sysmex Partec. Ein gut bezahlter Job, wie er sagt. „Und zum Glück mit Gleitzeit. Sonst könnte ich meine Tochter nicht von der Kita abholen.“ Jeden Nachmittag unterbricht er seine Arbeit, um ein paar Stunden Zeit zu haben fürs Kind. Ist es am Abend im Bett, setzt er sich nochmal für ein, zwei, drei Stunden an den Computer und arbeitet. Nur so ist eine Vollzeitstelle für ihn zu bewältigen, erst recht, da oft mehr als 40 Stunden pro Woche nötig sind.
Zum guten Job und bezahlten Überstunden kommt die Kostenübernahme für die Kita durch die Firma, trotzdem: „Ich muss schon rechnen.“ Die Wohnung muss groß genug sein für zwei, vielleicht auch mal drei, selbst wenn oft nur einer da ist. Kosten für Strom und Wasser können nicht geteilt werden. Kleinkinder haben viele Wünsche. Und nicht immer ist alles berechenbar, zum Beispiel ein kaputtes Auto. „Ich habe mir früher viel mehr Kram gekauft, den ich einfach gern haben wollte. Technische Sachen meist. Das geht jetzt nicht mehr.“ Um einen besonders schönen Urlaub im Ausland machen zu können, hat Steffen sein Motorrad verkauft. „Es fiel mir schwer. Aber es hat sich gelohnt. Das war das erste Mal, dass ich weit weg mit meiner Tochter Urlaub machen konnte.“
Für Jutta* ist Urlaub schon längere Zeit ein Fremdwort. Seit einem Unfall kann sie ihren Beruf nicht mehr ausüben, ist arbeitslos und macht eine Umschulung. Ihre Tochter kommt jetzt in die sechste Klasse. Unterhalt vom Kindsvater gibt’s nicht. Die Prämie der privat bezahlten Berufsunfähigkeitsversicherung wird aufs Hartz-IV-Geld angerechnet. „Mit einer meiner Meinung nach ungerechten Selbstverständlichkeit“, sagt Jutta. „Man bekommt das Versicherungsgeld ja nicht, weil es so schön ist, sondern weil man durch den körperlichen irreparablen Schaden schon gestraft ist.“
Bei Jutta ist die Situation so prekär, dass ihre Ausgaben jeden Monat höher sind als die Einnahmen. Mehr als 100 Euro fehlen Monat für Monat. Für die Beförderung zur Schule, Klassenfahrten und die Mittagsverpflegung der Tochter bekommt Jutta einen Teil vom Landkreis wieder. „Allerdings muss man da in Vorleistung gehen und die Abrechnungen mit oft mehrseitigen Anträgen einreichen, um irgendwann das Geld zu bekommen.“ Wegen der Vorleistung ist das Konto ständig im Minus, was wiederum hohe Bankkosten nach sich zieht.
Hinzu kommen Wünsche der Tochter, normale Sehnsüchte eines Teenagers. Eintrittsgelder für Freizeitattraktionen sind eine Herausforderung, auf dem Rummel ist oft nur ein einziges Fahrgeschäft drin. „Kinder vergleichen sich untereinander natürlich. Da ist die Gefahr von Ausgrenzung extrem hoch.“ Das Leben als Alleinerziehende ist nicht leicht, sagt Jutta. Aber: „Ich lass mich nicht unterkriegen, da meine Tochter nur mich hat und mich braucht.“
Und alle Alleinerziehenden sagen es ganz deutlich: Akzeptieren die Arbeitgeber die familiäre Situation nicht, wird es ganz schwierig. Gleitzeit mit Heimarbeit bei Steffen, Familienunternehmen bei Jutta, eine tolerante Chefin bei Carolin. „Ich musste immer sehr hetzen, um pünktlich zum Morgenkreis in die Kita zu kommen. Wollte aber andererseits mein Kind auch nicht zu früh zum Hort bringen und in der Kälte stehenlassen“, sagt Carolin. Hat es zeitlich mal nicht geklappt, gab es keinen Ärger. „Dafür bin ich sehr dankbar.“
* Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.