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Rad-Ikone des Ostens feiert 60. Geburtstag

Seinem liebsten Arbeitsgerät ist Olaf Ludwig treu geblieben. Inzwischen fährt der Olympiasieger von 1988 in Bulgarien oder auf Rügen - und macht sich Sorgen.

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Die 60 Jahre sieht man ihm nicht an. Olaf Ludwig fährt noch immer regelmäßig Rennrad.
Die 60 Jahre sieht man ihm nicht an. Olaf Ludwig fährt noch immer regelmäßig Rennrad. © dpa

Gera. Gefeierter Olympiasieger von Seoul, als Sport-Star in der DDR umjubelt und später als Teamchef weiter ein Strippenzieher in der Radsport-Szene: Olaf Ludwig kennt das ganz große Profigeschäft und all seine Tücken - hat all das aber längst hinter sich gelassen. An seinem 60. Geburtstag am Ostermontag ist der Thüringer zu Hause in Gera - wo auch sonst, in diesen turbulenten Zeiten? 

Dem Rad ist er treu geblieben, auch wenn er mit der Profi-Tour heute nichts mehr zu tun hat. Stattdessen organisiert er Radreisen nach Bulgarien oder Hobby-Rennen auf Rügen. "Wir haben den Titel Fitness, Wellness, Land und Leute. Wir fahren Sehenswürdigkeiten an. Es gibt eine Gruppe, in der es nicht darum geht, wer wie schnell fahren kann. Man soll auch das Land kennenlernen", sagt Ludwig zu seiner "Bulgarian Cyclingtour", die er gemeinsam mit seinem Partner Jörg Strenger betreibt. 

Jetzt geht es auch ums Essen, Trinken, Spaß haben

Es gehe bei den Reisen nicht nur darum, möglichst schnell und möglichst weit zu fahren, sondern auch "ums Essen, ums Trinken und ums Spaß haben". Ludwig ist dabei - wie könnte es anders sein - für die Führungen auf dem Fahrrad zuständig. Und radelt mit Gruppen gerne mal 500 Kilometer in sechs Tagen. "Das ist schon eine Leistung", sagt der frühere Teamchef vom Team Telekom, dem damals unter anderem Deutschlands einziger Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich angehörte. 

Doch natürlich werden auch Ludwigs berufliche Aktivitäten von der derzeitigen Coronavirus-Pandemie beeinflusst. "Der Mai fällt definitiv aus", sagt Ludwig, auch ein für Juni geplantes Rennen auf Rügen ist bereits abgesagt. "In der jetzigen Zeit ist es natürlich schwierig", sagt der frühere Profi, der seinen 60. Geburtstag gerne mit 60 Gästen gefeiert hätte. Doch auch das musste er notgedrungen absagen.

Ludwig beschleunigt sein Rennrad lange nicht mehr auf Höchstgeschwindigkeiten. Und wenn er ehrlich ist, ist er darüber auch ganz glücklich. "Die Rennfahrer leben heute in einem Schlaraffenland, aber müssen sich in einem gläsernen Käfig bewegen", sagt der ehemalige Weltklasse-Sprinter: "Schlafen, Aufstehen und Radfahren: Ob das wirklich das Paradies ist, muss jeder für sich entscheiden."

Sein größter Triumph: 1988 fährt Olaf Ludwig in Seoul zum Olympiasieg.
Sein größter Triumph: 1988 fährt Olaf Ludwig in Seoul zum Olympiasieg. © dpa

Mit den aktuellen deutschen Hoffnungsträgern Emanuel Buchmann oder Pascal Ackermann würde er daher nicht tauschen wollen. Und überhaupt: "Mit meinem Gewicht von damals würde ich heutzutage ja durchfallen", sagt Ludwig. Etwas mehr als 80 Kilogramm brachte er zu seinen aktiven Zeiten auf die Waage. Recht viel für einen Radprofi. Doch der "schwere Ludwig" fuhr trotzdem in der Weltspitze mit. 

Acht Jahre nachdem er 1972 eine Etappe der Friedensfahrt in seiner Geburtsstadt Gera als 12-Jähriger verfolgt hatte, war er selbst Starter bei der legendären Rundfahrt. Weitere neun Jahre darauf hatte er zweimal die Gesamtwertung und insgesamt 36 Etappen gewonnen. "Die Friedensfahrt war eine Riesennummer", erinnert sich Ludwig, für den es noch weitaus größer weitergehen sollte. Erst als Amateur bei Olympia, wo er 1988 in Seoul auf der Straße triumphierte, nach dem Mauerfall dann als Profi bei den wichtigsten Rennen der Welt. Dem Team Telekom bescherte er bei der Tour de France den ersten Etappensieg der Mannschaftsgeschichte.

Ludwig macht sich Sorgen um seine Sportart

Bei der Frankreich-Rundfahrt gewann Ludwig zudem das Grüne Trikot des besten Sprinters, auch heute verfolgt er den Radsport von seiner Heimat Gera aus noch so intensiv, dass er zu allen Kernthemen eine Meinung hat und gerne diskutiert. Die Zukunft seiner Sportart in Deutschland sieht er nicht gerade rosig. "Es ist kein Wille da, die Veranstalter zu unterstützen. Solange wir uns in einem Land bewegen, wo es sonst für alles Unterstützung gibt - wird es immer weniger werden", kritisiert er. Mit immer weniger Rennen werde es auch immer weniger Rennfahrer geben. 

Profi-Radsport und die Tour de France werde es immer geben, betonte der Familienvater. Nur welche Rolle die Deutschen dabei spielten, sei für Ludwig eine andere Frage, wenn "immer weniger von unten nachkommt". Ein solcher Engpass könne irgendwann auch das führende deutsche Team Bora-hansgrohe betreffen. Auch die aktuelle Corona-Krise sieht Ludwig als riesige Herausforderung für den Radsport. "Es bringt Riesenprobleme mit, das ist vollkommen klar. Der Radsport ist ja nicht gesund, er lebt von der Radsport-Industrie." (dpa, mit sid)