Merken

„OP stärker als Chance gegen Epilepsie erkennen“

Vor zehn Jahren wurde im Epilepsiezentrum Kleinwachau eine Idee geboren, die jetzt weltweit für Furore sorgt.

Teilen
Folgen
NEU!
© Alexander Nuck

Von Jens Fritzsche

Kleinwachau. Was für ein Paukenschlag! In der neuesten Ausgabe des weltweit wichtigsten Ärzte-Blattes, dem „New England Journal of Medicine“, tauchen auch die Namen zweier Mediziner aus dem Epilepsiezentrum Kleinwachau in Liegau-Augustusbad auf. Denn in der meist zitierten Medizin-Zeitschrift der Welt sind jetzt die Ergebnisse einer europaweiten Studie zum Thema Epilepsie veröffentlicht worden, an der auch der Kleinwachauer Klinikchef Dr. Thomas Mayer und der Neuro-Psychologe Dr. Martin Lutz beteiligt sind. Und die sogar ein wichtiges Stück dazu beigetragen haben, dass diese Studie überhaupt auf den Weg gebracht worden ist. „Vor zehn Jahren haben sich hier bei uns in Kleinwachau Epilepsie-Mediziner getroffen und haben dabei die Idee ins Auge gefasst, ein Register mit Patientendaten aufzubauen“, beschreibt Dr. Thomas Mayer.

Ganz besondere Patienten wohlgemerkt. Denn die mittlerweile in der Datenbank erfassten über 9 500 Patienten von insgesamt 36 Epilepsie-Zentren zwölf europäischer Länder haben etwas gemeinsam: Sie sind am Gehirn operiert worden, um die Epilepsie zu lindern oder gar zu heilen.

Auch gut 50 Patienten des Epilepsiezentrums Kleinwachau sind in dieser Datenbank erfasst. Denn auch die Kleinwachauer haben ja bekanntlich vor nunmehr 13 Jahren begonnen, gemeinsam mit der Dresdner Uniklinik die Operation als eine sehr erfolgreiche Behandlungsmethode einzusetzen. Mittlerweile werden jedes Jahr etwa 30 Kleinwachauer Patienten operiert.

Zuvor werden die Betroffenen einem sogenannten Intensiv-Monitoring unterzogen. In einer hoch spezialisierten Station des neurologischen Krankenhauses in Liegau wird dabei über mehrere Wochen hinweg der genaue Erkrankungsherd im Gehirn aufgespürt. Anschließend wird diese Stelle, die letztlich die epileptischen Anfälle auslöst, in Dresden von Neurochirurgen herausoperiert. Mit sehr hohen Heilungschancen übrigens, wie Dr. Thomas Mayer mit Blick in die Statistik klarstellt: „Wenn die Epilepsie beispielsweise im Schläfenlappen sitzt – also vereinfacht gesagt, im Bereich hinter den Ohren –, besteht eine 70-prozentige Heilungschance.“ Und das bei einem sehr, sehr geringen Risiko, wie er gleich anfügt.

Wichtiger Schritt

Ziel der Studie, die nun die gesammelten Daten ausgewertet hat, war dabei unter anderem herauszufinden, für welche Patienten die Operation eine sinnvolle Behandlungsmethode ist. „Denn nicht bei jedem Patienten kann operiert werden“, weiß der Klinikchef. Und macht deutlich, dass zunächst eine Therapie mit Medikamenten erfolgt. „Aber die Pille, die alle Patienten anfallsfrei macht, wird es nie geben“, macht er deutlich. Zudem gibt es Patienten, bei denen Medikamente eben nicht helfen. Und wenn bei diesen Patienten dann beispielsweise ein genauer Auslöser-Herd im Hirn festgestellt werden kann, der nicht zum Beispiel auf dem wichtigen Sprachzentrum sitzt, und eine Gefahr der Schädigung besteht, mache eine OP Sinn, ist Dr. Mayer überzeugt. Auch das ist ein Ergebnis der Studie. Und sie zeigt außerdem, „dass beste Heilungschancen bestehen, wenn die OP nicht viel länger als zwei Jahre nach dem ersten Anfall erfolgt“. Aber bei den meisten Patienten komme es erst nach bis zu 16 Jahren zur Operation. „Hier müssen wir einfach viel schneller werden“, ist der Chefarzt überzeugt. Und er hofft, dass die Veröffentlichung der Studie im renommierten „Journal“ einen wichtigen Schritt in diese Richtung zu gehen hilft. Denn gerade, dass mehr und umfangreichere Informationen über die Operations-Möglichkeiten an Ärzte, an Hausärzte oder niedergelassene Neurologen gehen, sieht der Kleinwachauer Klinikchef als besonders wichtig an. „Es wird einfach mitunter viel zu lange versucht, Patienten mit Medikamenten zu therapieren – aber wenn es nach zwei Jahren keinen Erfolg gibt, sollten die Patienten an ein Epilepsiezentrum wie unseres kommen, um auch die Operation als Möglichkeit prüfen zu lassen“, sagt er. „Diesen Schritt können aber Patienten auch von sich aus unternehmen“, fügt der Klinikchef an. Auch das könnte ein wichtiger Effekt der Studie sein, ist er überzeugt.