Von Thilo Alexe
Zehntausend sollen kommen, um ein Zeichen gegen Neonazis zu setzen: Ein halbes Jahr vor dem 13. Februar 2011 kündigt Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) die Neuauflage der Menschenkette durch die Innenstadt an. So soll einerseits der Toten bei den Luftangriffen 1945 würdevoll gedacht werden. Andererseits will die Stadt dem Trauermarsch von Rechtsextremisten etwas entgegensetzen.Orosz’ Bemühungen stoßen auf Sympathie – etwa beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Überschattet werden die Vorbereitungen auf den Jahrestag der Bombardierung allerdings durch einen Parteienstreit um das Versammlungsgesetz.
Ausgangslage: Menschenkette war ein ErfolgAm diesjährigen Jahrestag hatte Oberbürgermeisterin Orosz die Einwohner dazu aufgerufen, eine Menschenkette von der Synagoge durch die Stadt zu bilden. Mehr als 10 000 kamen und zeigten so Neonazis, dass sie in Dresden unerwünscht sind. Den geplanten Marsch der Rechtsextremisten durch Dresden stoppte aber eine Blockade, zu der vorwiegend linke Gruppierungen aufgerufen hatten.
Auswertung: Breites Bündnis engagiert sich wieder
Aufgerufen zu der Kette hatte ein breites Bündnis, dem Vertreter von Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Wissenschaftlern und Vereinen angehörten. „Die Menschenkette 2010 war ein großer Erfolg“, sagt Orosz. „Es gibt keinen Grund, jetzt nach einer neuen Form zu suchen. Man sollte das bewährte Modell wieder wählen.“ Orosz hatte die Beteiligten an einen Tisch gebeten, um das Gedenken an die Kriegstoten und den Protest gegen Neonazis auszuwerten. Einer der Akteure, Dresdens Gewerkschaftschef Ralf Hron, sagt dazu: „Alle sind sich einig, dass sie gemeinsam wieder etwas tun wollen.“ Es gebe das klare Ziel, den Provokationen der Rechtsextremisten etwas entgegenzusetzen. Anfang September wollen sich Vertreter der Gewerkschaften, Initiativen und Parteien wieder bei Orosz treffen. Ihr Vorschlag für die Neuauflage der Menschenkette erntet Sympathie. „Ich kann mir das sehr gut vorstellen“, sagt Hron. Intern allerdings schauen die Initiatoren auch auf die Strategien der Rechtsextremisten. In einschlägigen Internetforen war der durch Blockade gescheiterte Marsch als Pleite bezeichnet worden. Mögliche Alternative: Die Neonazis bewegen sich in Sternmärschen von mehreren Punkten Dresdens aus ins Richtung Zentrum. Ihr Kalkül: Je breiter sie durch die Stadt verstreut sind, desto schwerer wird es, ihnen etwas entgegenzusetzen. Die Polizei arbeitet bereits an einer Strategie. „Nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz“, heißt es mit Blick auf die Jahrestage der Zerstörung Dresdens.
Streit: CDU erzürnt SPD, Linke und Grüne
Vor dem Treffen bei der Oberbürgermeisterin ist ein Parteienstreit entbrannt. Vordergründig geht es um das sächsische Versammlungsgesetz. Es versetzt Dresden in die Lage, historisch bedeutsame Orte wie etwa die Frauenkirche vor extremistischen Demonstrationen zu schützen. Einen Sternmarsch kann es aber wohl kaum unterbinden. Die Landtagsfraktionen von SPD, Linken und Grünen sehen die Versammlungsfreiheit verletzt und klagen. Dresdens CDU-Chef Lars Rohwer verteidigt das Gesetz mit einer umstrittenen Formel: „Das neue sächsische Versammlungsgesetz schützt die Bevölkerung vor Extremisten und linken Chaoten.“
Kritiker warnen vor einer Gleichsetzung der beiden Lager. Rohwer wirft dem „Linksblock“ zudem vor, „die in Dresden gelebte Erinnerungskultur“ nicht zu akzeptieren. Er ist Befürworter eines stillen Gedenkens. Grünen-Chef Michael Schmelich hält dagegen: „Herr Rohwer scheint noch immer nicht begriffen zu haben, dass eine ausschließlich auf passive Erinnerungskultur ausgerichtete Fokussierung dieses Tages den aggressiven Intentionen der Rechten in die Hände spielt.“ Der CDU-Chef torpediere „den mühsam gezimmerten Konsens demokratischer Aktionen gegen das massive Auftreten neonazistischer Gruppen“. Letztlich schade Rohwer damit seiner Parteifreundin Orosz. Kritik kam auch von SPD-Chefin Sabine Friedel sowie Linksfraktionschef André Schollbach: „Der 13. Februar in Dresden ist mehr als nur stilles Gedenken.“