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Papas letzter Wille bringt den Sohn vor Gericht

Ein Nazi-Wahlspruch auf einem Grab – das war lange niemandem aufgefallen. Marcel W. sollte dafür nun bestraft werden.

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Von Julia Prosinger

„Meine Ehre heißt Treue“ hat auf dem Grabstein seines Stiefvaters gestanden. Diesen ehemaligen Wahlspruch der SS hatte Marcel W. im Mai 2009 meißeln lassen. Gestern musste sich der 24-Jährige vor dem Dresdner Amtsgericht verantworten. Indem er den letzten Willen des Toten erfüllte, soll er Propaganda einer verfassungsfeindlichen Organisation verbreitet haben. Am Ende wurde er freigesprochen.

Bis zur Beerdigung war niemandem aufgefallen, wofür der Spruch eigentlich steht. Erst am Abend zuvor war ein Friedhofsmitarbeiter auf die Grabinschrift aufmerksam geworden, der Friedhofsverwalter informierte die Polizei. Die beschlagnahmte den Stein in einer mitternächtlichen Aktion. Die trauernde Familie beerdigte den Toten ohne Grabstein.

Niemand erkannte den Spruch

Zwar sei es generell seine Aufgabe, Grabinschriften zu genehmigen, sagte der Verwalter des Tolkewitzer Friedhofes Jens Börner. Hier habe es aber schnell gehen müssen, um den Stein bis zur Beerdigung fertigzustellen. Den Spruch habe er gar nicht gelesen. Aufgefallen sei ihm nur eine eingravierte „7“ auf dem unteren Teil des Steines. Der Angeklagte habe damals erklärt, es handele sich dabei um das Symbol des „Motorradclubs Gremium“. Dort sei sein Vater Mitglied gewesen.

Die Staatsanwaltschaft sah einen Zusammenhang zwischen dem Klub, der rechten Gruppierungen nahe stehe, der Inschrift und der Grabstättennummer: Die „55“ könne auch als „SS“ gelesen werden. Sie forderte eine Geldstrafe von 600 Euro für Marcel W.

Für Richter Meißner jedoch war dieser Zusammenhang nicht erwiesen. Er sprach den Angeklagten frei. Ob Marcel W. sich über die Bedeutung des Spruches im Klaren gewesen war, blieb unklar. Der Grabstein seines Stiefvaters steht inzwischen wieder – mitsamt der großen „7“, aber ohne die Inschrift.

Übrigens: Die Staatsanwaltschaft hatte auch gegen den Friedhofsverwalter, den Steinmetz und die Mutter des Angeklagten ermittelt. Angeklagt hatte man nur Marcel W.