Von Reiner Hanke
Ohorn / Bretnig. Erst in der vergangenen Woche musste die Polizei auf der Autobahn wieder einschreiten. Grund war die kreuzgefährliche Situation in der Nähe des Autobahnparkplatzes Rödertal bei Ohorn. Ein Sattelzug parkte etwa 200 Meter entfernt in Richtung Dresden auf dem Seitenstreifen. Der Kraftfahrer hatte eine Pause eingelegt. Eine Autobahn-Streife weckte den Brummifahrer und verwies ihn ins nächstgelegene Gewerbegebiet bei Ohorn. Polizei-Oberkommissar Torsten Jahn schätzt ein: „Was hätte passieren können, wenn ein anderes Fahrzeug oder gar ein tonnenschwerer Lkw auf das Hindernis aufgefahren wäre.“ Er sieht aber auch das Problem und sagt: „Die acht Parkplätze und Autohöfe entlang der Autobahn 4 zwischen Dresden und Görlitz sind in den Nachtzeiten zumeist übervoll.“
Die rund 100 Kilometer lange Strecke sei erwiesener Maßen eine der Hauptverkehrsrouten von und nach Osteuropa, so Torsten Jahn. Der vorhandene Parkraum für Nutzfahrzeuge habe mit dem rasant steigenden Verkehrsaufkommen der vergangenen zehn Jahre nicht mitgehalten, schätzt auch die Polizei sehr deutlich ein. Und: Lkw-Fahrer müssen aber ihre gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten einhalten. Doch wo, wenn nirgends Platz ist? Eben aus dieser Not heraus stellte der Fernfahrer seinen Laster einfach an der Autobahn ab – allerdings eine gefährliche Lösung.
Neue Probleme entstanden
Mit dem Verweis auf das Gewerbegebiet ist das Problem natürlich nicht gelöst. Es schafft neue. Die kamen erst jüngst im Großröhrsdorfer Stadtrat zur Sprache. Denn in den Gewerbegebieten leiden die Gewerbetreibenden unter der Lasterwelle von der Autobahn. Nicht nur, dass ihre eigenen Lieferanten auf dem Schlauch stehen, wenn alles zugeparkt ist. Die Autobahn-Laster parken wohl auch gefährlich und hinterlassen Müllberge.
Die Stadt kündigte an, ihre Ordnungshüter in die Spur zu schicken. Aber auch das dürfte keine wirkliche Lösung sein. Zumal Bürgermeisterin Kerstin Ternes einschätzte, dass andere Gewebegebiete ebenso betroffen seien. Deshalb hakte die SZ jetzt auch beim Landesamt für Straßenbau und Verkehr nach.
Das holte für seine Antwort weit aus und ging bis ins Jahr 2008 zurück. Schon damals schwante dem Bundesverkehrsministerium, dass es immer enger auf den Parkplätzen an Autobahnen deutschlandweit wird. Es beauftragte die Bundesanstalt für Straßenwesen, die Situation zu bewerten. Das Amt fand damals heraus, dass tatsächlich 14 000 Lkw-Stellplätze fehlen.
Also wurde losgebaut? So einfach ist das natürlich nicht. Der Freistaat Sachsen machte sich auf der Basis der Bundesdaten seinerseits ans Analysieren. Das Ergebnis war eine Konzeption für Rastanlagen an Autobahnen im Freistaat. Der gab dem Bund 2012 seinen Segen. Sie beschreibt den Bedarf an Lkw-Stellplätzen an Autobahnen im Freistaat bis 2025.
Baubeginn offen
Für die Region bedeutet das: An der A 4 Ost sind danach insgesamt 88 zusätzliche Stellplätze geplant, so die Information von Isabel Siebert, der Sprecherin des Landesamtes. Die schlüsseln sich so auf: Der Parkplatz Eichelberg bei Ottendorf-Okrilla soll um 30 Stellplätze erweitert werden. Der Parkplatz Rödertal bei Ohorn um zehn Stellplätze und die Tank- und Rastanlage Oberlausitz soll um 48 Stellplätze erweitert werden.
Isabel Siebert erklärt dazu: „Für eine zügige Realisierung konzentrieren sich die Planungen auf die Erweiterungen vorhandener Anlagen.“ Die Aussage „zügig“ relativiert sich allerdings bei der Nachfrage. In diesem Jahr werde nicht mehr gebaut. Das sei „leider nicht zu schaffen“. Wann es losgehen könnte, bleibt offen: „Wir befinden uns in allen drei Fällen in der Vorentwurfs-Phase“, heißt es. Das dauere alles viel zu lange, sind sich da wohl die Betroffenen einig.
Der Bretniger Unternehmer Andreas Gäbler hatte die Diskussion im Großröhrsdorfer Stadtrat angeschoben. Er ist sich sicher. „Zehn zusätzliche Plätze reichen niemals. Der Verkehr wird doch nicht weniger. Das muss doch auch die Regierung mitkriegen.“ Tatsächlich gibt es inzwischen schon wieder eine aktuelle Analyse vom Bund aus dem laufenden Jahr mit realistischen Prognosen. Und auch im Landesamt ist man sich bewusst, dass der Bedarf deutlich höher ist. Die Planung werde sich daran orientieren. Das heißt, die genannten Zahlen werden voraussichtlich aufgestockt. Das Amt weist zugleich auf die Hürden beim Kauf der nötigen Grundstücke hin. Solche Verfahren seien mitunter langwierig. Es wird also eine Geduldsprobe.
SZ-Leser Frido Arnold ist nicht der Einzige, der noch eine Alternative hätte und auf die Bahn als Transportweg verweist. In der Beziehung machte Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig jetzt Hoffnung. Mit der Fertigstellung der Bahnverbindung Leipzig - Horka und weiter Richtung Polen sollten etliche Laster auf die Bahn umsteigen, hofft er. Vielleicht auch eine Hoffnung für die Brummifahrer. Erst einmal stecken sie aber weiter in der Zwickmühle. Fahrer wie jener, der bei Ohorn ertappt wurde. Bei allem Verständnis, das in den Worten des Oberkommissars mitschwingt: Mit einer Bußgeldanzeige muss er rechnen und „erhält Post von der zentralen Bußgeldstelle der Landesdirektion“.