Merken

Pflanzengift in 13 000 Litern Wein

Winzer Jan Ulrich informiert über die Herkunft des Insektizids. Es läuft eine Rückrufaktion. Der Schaden ist aber enorm.

Teilen
Folgen
© Arno Burgi/dpa

Von Christoph Scharf, Ulf Mallek und Peter Anderson

Elbland. Großes Presse- und Fernsehaufgebot am Freitagmittag in Ulrichs Weindomizil in Diesbar-Seußlitz bei Meißen. Der Privatwinzer (12,5 Hektar) ist gerade von einem Auslandsurlaub zurückgekehrt und gibt eine kurzfristig anberaumte Pressekonferenz. Geklärt werden soll, weshalb in rund 4 000 Litern Goldriesling und mehr als 9 000 Litern Müller-Thurgau des Weinguts zu hohe Werte des Insektengifts Dimethoat gefunden wurden.

Stand sofort nach seinem Urlaub der Presse Rede und Antwort: Weingutschef Jan Ulrich in Diesbar-Seußlitz. Er erklärte, wie Rückstände eines Insektengifts in seinen Wein gelangen konnten.
Stand sofort nach seinem Urlaub der Presse Rede und Antwort: Weingutschef Jan Ulrich in Diesbar-Seußlitz. Er erklärte, wie Rückstände eines Insektengifts in seinen Wein gelangen konnten. © Claudia Hübschmann

Ulrich zufolge stammen die Trauben für die fraglichen Weine 2015 von dem Landwirt und Weinanbauer Ulrich Friede aus Gröbern. Dieser habe den Pflanzenschutz beim Wein allerdings nicht selbst ausgeführt. Dazu hätte ihm die Technik gefehlt. Stattdessen habe der Landwirt und Weinanbauer Friede mit dieser Aufgabe ein Mitglied der Winzergenossenschaft Meißen beauftragt. SZ-Informationen zufolge handelt es sich dabei um den Haupterwerbswinzer Fred Lange. Telefonisch war dieser gestern für die Sächsische Zeitung nicht zu erreichen.

Schadensersatz über Zivilklage

Lange führt im Niederauer Ortsteil Gröbern den größten Einzelbetrieb innerhalb der Winzergenossenschaft. Von Kindesbeinen an ist der gebürtige Winkwitzer mit dem Weinanbau verbunden. Schon in der DDR war er im Weinbau tätig. Nach der Wende folgte der Entschluss, sich selbstständig zu machen. 1994 begann er mit vier Hektar Fläche in Winkwitz und Gröbern. Mittlerweile bewirtschaftet sein Familienbetrieb gut doppelt so viel Fläche an beiden Standorten.

Naheliegend ist, dass Lange auch der Winzer ist, welcher für Hinweise auf belastete Weine aus der Winzergenossenschaft verantwortlich sein dürfte. Die Genossenschaft hatte am Donnerstag über diesen Verdacht informiert. Bei ihr sind ebenfalls Weine kontaminiert. Genaue Zahlenangaben liegen dazu noch nicht vor.

Jan Ulrich zufolge ist durch die Rückstände im Wein bisher ein bezifferbarer Schaden von 100 000 Euro entstanden, dazu komme der Rufschaden – der nicht nur die betroffene Weinkellerei schädige, sondern auch das eigene Weingut und das Weindomizil. In den nächsten Tagen will der Winzer aus Diesbar-Seußlitz den belasteten Goldriesling auf Felder versprühen. Das sei unbedenklich. Für den Müller-Thurgau laufe eine Rückrufaktion bei 50 Fachgeschäften und kleinen Händlern.

Die Probleme mit dem kontaminierten Sachsenwein bestehen bereits seit dem Herbst vergangenen Jahres. Zu diesem Zeitpunkt sind nach SZ-Informationen die ersten auffälligen Proben festgestellt worden. Offenbar sind aber bisher nur die Winzergenossenschaft Meißen und das Weingut Jan Ulrich in Seußlitz betroffen. Die Menge des Pflanzengiftes Dimethoat in den betroffenen Weinen ist dabei nicht gesundheitsschädlich. Das sagte der Pflanzenschutzexperte und Berater des Landtages Andreas Wilhelm aus Stauchitz der SZ.

Bi 58 verwendet?

„Dennoch gehört es dort nicht hinein“, sagte er. Offensichtlich hat der Verursacher das noch aus der DDR bekannte, systemische Pflanzenschutzmittel Bi 58 verwendet. Das Mittel hat eine hohe Halbwertzeit, der Abbau der Gifte erfolgt langsam. Zugelassen für den Weinbau ist nur das Mittel Spruzit. Es ist aber viel teurer und in der Anwendung komplizierter. Offen ist noch, ob auch andere Nebenerwerbswinzer Bi 58 gegen die Kirschfruchtfliege angewendet haben.

Möglicherweise könnten die aktuellen Vorfälle dazu führen, dass die großen Weingüter keine Trauben mehr von kleineren Winzern aufkaufen werden. Das Weingut Schloss Proschwitz macht das bereits seit zwei Jahren so. Jan Ulrich kündigte an, ab jetzt bei allen Fremdzulieferungen zu überprüfen, inwieweit diese sauber seien.

Gleichzeitig strebt der Familienbetrieb Zivilklagen gegen die Verursacher des Schadens an. „Für uns ist der Vorfall kriminell. Da wurde bewusst ein Mittel eingesetzt, das im Weinanbau nicht zugelassen und hochgiftig ist“, sagt der 45-Jährige.

Mit hoher Aufmerksamkeit werden die Vorgänge im Weingut Jan Ulrich im Weinanbaugebiet entlang der Elbe beobachtet. Sein Unternehmen habe sich schon vor Jahren vom Traubenankauf verabschiedet, sagt der Geschäftsführer von Sachsens größtem Privatweingut Georg Prinz zur Lippe. Für ihn sei entscheidend gewesen, den Anbau vom Rebschnitt bis zur Lese komplett unter Kontrolle zu haben. Eine Rolle spielen wird das Thema zudem auf der nächsten Tagung des sächsischen Weinbauverbandes. Der Einladung zufolge sind dort mehrere Vorträge zum Pflanzenschutz eingeplant.

Warnung vor weiterer Eskalation

Im Landesamt für Umwelt, Geologie und Landwirtschaft wird unterdessen mit Hochdruck daran gearbeitete, den Fall detailliert aufzuklären. Sprecherin Karin Bernhardt: „Der Hersteller des mutmaßlich zum Einsatz gekommenen Pflanzenschutzmittels hat das Rückstandsverhalten von Dimethoat in Weinreben in einer Vielzahl von Versuchen ausgewertet. Vor diesem Hintergrund müssen wir von einer unzulässigen Anwendung im Weinbau ausgehen.“ Dass die festgestellte Kontamination durch eine Abdrift verursacht wurde, ist unwahrscheinlich.

Der weinbaupolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Sebastian Fischer warnt davor, das Thema „immer weiter eskalieren“ zu lassen. „Bitte erst die Ergebnisse abwarten, dann urteilen“, mahnt er. Bis dahin sei Wein für ihn ein gesundes Lebensmittel.