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Pflege-Azubis aus dem Kosovo

Die Krankenhäuser im Landkreis Bautzen kämpfen um Nachwuchs – und gehen dabei auch neue Wege.

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© Thorsten Eckert

Von Jens Fritzsche

Bautzen / Radeberg. Nein, neidisch schaut Reiner E. Rogowski zwar nicht auf diese Idee des Radeberger Krankenhauses, aber interessiert. Der Chef der Oberlausitz-Kliniken in Bautzen und Bischofswerda freut sich, dass „in dieser Woche 30 junge Leute ihre Ausbildung bei uns beginnen, und dass wir die Plätze schon seit März vergeben haben“.

Die Azubis stammen allesamt aus der Oberlausitz, und der Klinikchef klingt, als sei er selbst ein wenig überrascht davon, in Zeiten von Nachwuchs- und Fachkräftemangel im medizinischen Bereich. „Deshalb wäre es töricht, nicht auch auf diese spannende Idee aus Radeberg zu schauen.“

Besagte Idee ist die Zusammenarbeit der Radeberger Asklepios-ASB Klinik mit dem deutschen Loyola-Gymnasium in Prizren im Kosovo. Das ist 2003 vom deutschen Jesuitenpater Walter Happel gegründet worden, mit finanzieller Hilfe der Bundesregierung. Happel und der ärztliche Direktor des Radeberger Krankenhauses, Dr. Matthias Czech, wiederum kennen sich seit den 1970er-Jahren. Damals war Happel Studenten-Pfarrer in München; und es gab eine Partnergemeinde in Dresden. Eine katholische Studentengemeinde, in der Dr. Czech als Medizinstudent aktiv war. Der Kontakt blieb. „Und bei Besuchen im Kosovo merkte ich schnell, dass es dort keine gute medizinische Versorgung gibt“, erinnert sich der Radeberger.

Positive Erfahrungen

Also wurde die Idee geboren, „bei uns junge Leute aus dem Gymnasium in Prizren als Pflegekräfte auszubilden, die dann in ihrer Heimat beim Aufbau helfen“. So kamen 2012 die ersten Azubis nach Radeberg. „Wir haben bisher ausschließlich positive Erfahrungen gesammelt“, freut sich Heike Lamprecht, die Pflegedienstleiterin der Radeberger Klinik. Und mittlerweile hilft das Thema natürlich auch die mit den Jahren gewachsenen Schwierigkeiten bei der Azubi-Suche in Radeberg zu lindern, macht Klinik-Geschäftsführer Sebastian Eckert deutlich. „Wir bilden natürlich auch mit dem Ansinnen aus, dass die jungen Leute später bei uns bleiben.“ Denn für die meisten jungen Kosovaren kommt eine Rückkehr in die Heimat längst nicht mehr infrage, „das ist eine Erfahrung, die wir sammeln mussten“, so Dr. Czech. 40 Prozent der Einwohner im Kosovo sind jünger als 30, „die Jugendarbeitslosigkeit ist riesig, es gibt also letztlich gar keine Perspektive vor Ort …“

Also bleiben die jungen Leute in Radeberg? „Leider nicht“, bedauert Klinikchef Sebastian Eckert. „Sie bleiben in Deutschland, gehen aber an Kliniken in der Nähe ihrer Familien, die nach dem Kosovo-Krieg nach Deutschland ausgewandert sind.“ Ein Trend, dem die Radeberger jetzt entgegenwirken wollen: „Erstmals haben wir auch zwei junge Männer als Azubis.“ Junge Männer, so die Hoffnung, sind unabhängiger von ihren Familien. „Wir sind jedenfalls überzeugt von unserem Projekt, weil es uns und auch den jungen Leuten weiterhilft“, sagt Dr. Matthias Czech, „wir haben den Fuß in der Tür.“

Vorbereitungen in Bautzen

Auch in Bautzen könnte demnächst eine Zusammenarbeit nach dem Radeberger Vorbild starten, sagt Klinikgeschäftsführer Reiner E. Rogowski. „Wir sind gerade in den Vorbereitungen zum Besuch zweier deutschsprachiger Gymnasien im EU- und Nicht-EU-Ausland“, verrät er. Wohin genau die Reise dabei gehen wird, verrät er vorerst noch nicht. Zudem werden sich Ende September Vertreter der Krankenhäuser im Landkreis Bautzen treffen, um die Frage zu diskutieren, wie künftig junge Leute gewonnen werden sollen.

Die Radeberger Idee, direkt auf deutschsprachige Schulen zuzugehen, fasziniert Rogowski gleich aus zwei Gründen: Zum einen kann man so frühzeitig Kontakt zu künftigen Azubis knüpfen, „zum anderen sprechen die jungen Leute dort Deutsch, was wichtig ist“. Das Interesse am „Radeberger Weg“ ist auch im Norden des Landkreises groß; im Seenland-Klinikum Hoyerswerda. Auch, wenn es aktuell sowohl in der Ausbildung, als auch im Pflegebereich keine ausländischen Arbeitskräfte gibt, wie Kliniksprecher Gernot Schweitzer erklärt. „Gleichwohl ist es schwieriger geworden, geeignetes Personal für Pflege und Ausbildung zu finden“, räumt er ein. „Sodass wir überlegen, neue Wege bei der Rekrutierung zu gehen“. Und hier könnte durchaus das Beispiel Radeberg greifen.

Gute Erfahrungen mit ausländischen Kräften hat man in Hoyerswerda dabei bereits längst gemacht. Der Anteil der ausländischen Ärzte am dortigen Klinikum liegt bei rund 35 Prozent. „Die Integration wird vor allem durch Mentoring, Hilfe bei Behördengängen und Wohnungssuche unterstützt, auch durch Sprachkurse“, beschreibt Schweitzer. „Die Sprache ist einerseits eine gewisse Barriere, andererseits auch großer Nutzen – wir haben so Sprachmittler für über 15 Sprachen im Haus, die wir bei ausländischen Patienten einsetzen können.“ Auch das dürfte immer wichtiger werden.