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Pflegeschüler leiten die Schicht

Zumindest an manchen Tagen. Drei Wochen lang erproben Auszubildende derzeit im DRK-Altenheim ihre Fähigkeiten.

Von Ines Eifler
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Kegeln im DRK-Altenpflegeheim im Frauenburgkarree. Drei Wochen lang übernehmen hier zurzeit Azubis wie die 36-jährige Marina Wietasch die Regie.
Kegeln im DRK-Altenpflegeheim im Frauenburgkarree. Drei Wochen lang übernehmen hier zurzeit Azubis wie die 36-jährige Marina Wietasch die Regie. © Nikolai Schmidt

Beim Kegeln fühlt sich Gottfried Backasch wieder ein Stück wie früher. Dann vergisst er für ein paar Momente seine steifen Gelenke, dann braucht er keinen Rollator. Und wenn alle Neune fallen, bekommt er sogar Applaus von allen Seiten. Marina Wietasch, die dem Bewohner des DRK-Pflegeheims in der Reichertstraße die Kugel reicht, ist keine Mitarbeiterin des Deutschen Roten Kreuzes, sondern Altenpflegeschülerin. Sie lernt diesen Beruf an der Bildungsakademie der Semper Schulen in der Rauschwalder Straße, wo Altenpfleger und Ergotherapeuten ausgebildet werden. Dort erwerben die Schüler das theoretische Wissen. Ihre praktischen Erfahrungen sammeln sie bei Pflegeeinrichtungen und -diensten unterschiedlicher Träger im ganzen Landkreis. Marina Wietasch arbeitet beim ambulanten Pflegedienst Familienunternehmen Kunze in Niesky.

Für drei Wochen aber sind nun alle 27 Azubis, die im dritten Lehrjahr an der Semper Berufsakademie den Beruf des Altenpflegers erlernen, im Pflegeheim im Frauenburgkarree im Einsatz. Ist sonst jeder allein oder einer von wenigen Azubis in seinem Praxisbetrieb, arbeiten hier alle für drei Wochen zusammen, eingeteilt in drei Schichten in allen Pflegebereichen. Etwa die Hälfte von ihnen lernt den Beruf auf einer Pflegetätigkeit aufbauend, die andere lernt ihn von Grund auf neu: nicht selten als Umorientierung von einem ersten Beruf auf die Pflege, angelockt durch den Fachkräftemangel in der Branche.

„Dieser dreiwöchige Vertiefungsunterrichts hilft den Schülern bei der Prüfungsvorbereitung“, sagt Ausbildungsleiterin Linda Hamann. „Manche Azubis können hier endlich zum ersten Mal alles anwenden, was sie bisher teilweise nur in der Theorie gelernt haben.“ Wer zum Beispiel sonst seine Praxisblöcke bei einem ambulanten Pflegedienst absolviert und die Pflegebedürftigen in ihren Wohnungen aufsucht, kann nun die Arbeit in einem Pflegeheim genau kennenlernen. Azubi Thomas Boxhammer etwa arbeitet während seiner Praxiszeiten in einer Tages- und Kurzzeitpflege. „Die Abläufe in einem Pflegeheim kannte ich bisher noch nicht“, sagt der 34-Jährige. „Zum Beispiel hatte ich vorher mit dem Wechsel von PEG-Sonden oder der Stomaversorgung noch nichts zu tun.“ In dem Theorie-Praxis-Transfer geht es aber auch darum, dass die Schüler lernen, sich zu organisieren, ihre Arbeit zu strukturieren und Hand in Hand zu arbeiten. „Zum Beispiel Schichtübergaben kann man nur miteinander lernen“, sagt Linda Hamann.

Werden die Schüler in den Partnerbetrieben von den Praxisanleitern und Mentoren vor Ort in die Praxis eingeführt, schauen ihnen hier ihre Theorieausbilder aus der Bildungsakademie über die Schulter, die ihnen vorher das Wissen im Klassenzimmer vermittelt haben. Ausbilder wie Linda Hamann können zusehen, was die Schüler aus der Theorie machen, ob sie alles verstanden haben, wie sie es anwenden und ob sie noch Hilfe brauchen.

Linda Hamann, gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin und angehende Medizinpädagogin, hat diesen Theorie-Praxis-Transfer im Rahmen ihrer Bachelorarbeit entwickelt. „Wir hatten in den vergangenen Jahren öfter das Gefühl, dass manchen Auszubildenden bei der praktischen Prüfung die Sicherheit und das Selbstvertrauen fehlten, bestimmte Aufgaben wirklich eigenständig zu übernehmen.“ Im März 2018 gab es einen ersten, zweiwöchigen Testlauf dieser Form des Vertiefungsunterrichts in der Diakonie Sozialstation des Martinshofes im Görlitzer Windmühlenweg. Dort meldeten die Schüler zurück, es hätte ruhig länger dauern können. Deshalb diesmal also drei Wochen.

Im DRK-Pflegeheim hat nun jeder der Schüler schon einmal die Schicht geleitet, hat die Körperpflege der älteren Menschen übernommen und Essen gereicht, hat ihnen Medikamente verabreicht, Insulin gespritzt, Verbände angelegt und Wunden versorgt. Jeder hat Betreuungsangebote geleitet vom Backen übers Adventsbasteln bis zu sportlichen Aktivitäten wie Kegeln. „Ich freue mich, wenn ich den älteren Menschen etwas Gutes tun kann und nun noch mehr Einblick in die Pflege habe“, sagt Azubi Thomas Boxhammer. Auch Marina Wietasch empfindet den Ausflug ins Pflegeheim als wichtige Erfahrung. „Man erfährt, dass jeder Pflegebedürftige anders ist und man sich auf jeden neu einstellen muss.“ Und Bewohner wie Gottfried Backasch mögen es, wenn durch die Schüler mal ein frischer Wind durchs Pflegeheim weht.