"Ich dachte, ich hätte meinen Alkoholkonsum im Griff"

Monika L., die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, blickt zurück und sagt: "Es ist ein Höllenritt und nie vorbei." Die Heidenauerin ist abstinente Alkoholikerin. Sie hat eine schwierige Vergangenheit hinter sich. Glücklicherweise bekam sie Hilfe von Familie und Freunden. "Sonst hätte ich es nicht geschafft", sagt die 45-Jährige, die offen und emotional mit Sächsische.de über ihre Geschichte und über den Teufelskreis Alkoholismus spricht.
In der Jugend, gegen Ende der Schulzeit beginnt es. Bevor Monika L. auf eine Party geht, greift sie zu einem Prosecco. "Um lockerer zu werden, so jedenfalls war damals mein Gefühl. Und es war ein super Gefühl, leichter beschwingt zu der Party zu gehen, um mit den anderen zu feiern." Sie überlegt. "Ich fühlte mich dann sicherer, selbstsicherer, stärker." Das war ihr Einstieg in den unkontrollierten Alkoholkonsum; heute sieht sie es ganz klar.
In der Woche ist sie unauffällig, am Wochenende greift sie gerne schon mal zu einem Wein. "Ich habe durchaus gemerkt, dass ich mehr vertrage als meine Freundinnen", so L. Eine Flasche Wein am Abend, aber sie hat keinen Verdacht beziehungsweise Angst, in die Abhängigkeit zu rutschen. "Alkohol ist ja keine verbotene Droge, alles war normal, auch mein Abitur habe ich gut geschafft", berichtet sie.
Nach dem Abitur beginnt sie eine Konditorlehre. Vom Alkohol kommt sie nicht los. Abends beim Fernsehen macht sie sich eine Flasche Bier auf. Dabei bleibt es nicht. "Ich hatte das Gefühl, der Alkohol beruhigt mich, mit einem Bier konnte ich den Tag ausklingen lassen." Das berühmte Feierabendbier. In kurzer Zeit benötigt Monika L. größere Mengen Alkohol, um dieses Gefühl zu erreichen. Das bemerken auch andere. Am Wochenende auf Partys lallt sie. Freunde warnen sie, aber sie nimmt diese Warnungen nicht ernst. Sie fängt an, mit System zu trinken.
Heimlich auf Arbeit getrunken
Nach einiger Zeit erkennt sie dann aber doch, dass der Konsum ein Problem für sie ist. "Allerdings wollte ich es nicht wahrhaben. Ich bin davor weggerannt." Sie macht weiter. Nach zehn Jahren Beziehung kommt die Trennung von ihrem Freund. Monika L. verliert den Halt. Sie kann nun unkontrolliert trinken und fängt schon mittags damit an. Jetzt sind es ein bis zwei Flaschen Sekt täglich. Noch funktioniert sie auf Arbeit. "Aber dann bekam ich Entzugserscheinungen tagsüber, nämlich Schweißausbrüche und Händezittern." Für die Arbeit füllt sie ihre Limonadenflaschen mit Wein auf. Den trinkt sie heimlich auf der Damentoilette. "Immer wieder habe ich mit eingeredet, es ist gar nicht so schlimm und ich kann jederzeit aufhören. Das Gegenteil war der Fall", sagt Monika L. mit leiser Stimme.
Chefin reagiert beachtlich
Dann die Zäsur. Auf der Arbeit wird sie ertappt. Ihre Chefin bemerkt den Alkohol in der Trinkflasche. "Sie hat sehr stark reagiert und sagt mir, entweder ich gehe zur Suchtberatung oder ich verliere meinen Arbeitsplatz." Monika L. entscheidet sich für Ersteres. "Fast war ich froh, dass jetzt alles rauskam, denn ich merkte auch, dass es so nicht mehr weiterging", sagt sie. Entgiftung und Langzeittherapie in einer Klinik folgen. Der Einstieg zum Ausstieg gelingt - vorerst. Unterstützt wird sie von ihrem neuen Partner, der bis heute zu ihr hält. Neun Jahre lebt die Heidenauerin abstinent, gründet eine Familie und ist weiterhin in ihrem Job als Konditorin tätig. "Alles fühlte sich schön an, ich habe den Alkohol nicht vermisst."
Der Rückfall nach neun Jahren
Dann der Rückfall. Eines Abends sitzt sie mit Freunden im Gartenlokal. "Wegen des Genusses habe ich mir ein alkoholfreies Bier bestellt. Ich dachte, ich hätte alles im Griff und fühlte mich sicher." Diese Entscheidung erweist sich als folgenschwerer Fehler. Aus dem alkoholfreien Bier wird ein normales Bier mit 4,9 Prozent Alkoholgehalt und dann mehr. Ihr Suchtgedächtnis reagiert sofort. "Alle vermeintlich guten Gefühle waren sofort wieder da." Der Teufelskreis beginnt von vorne. Tagsüber trinkt sie heimlich. Die Folgen sind ihr bewusst, aber egal. Hinzu kommt Corona und der Lockdown vor zwei Jahren. Die Kinder sind jetzt zu Hause, ebenso wie Monika L. Jetzt kann sie schon am Vormittag zur Flasche greifen. "Damals habe ich Alkohol auch als Antistressmittel eingesetzt. Ich musste mit den Kindern Hausaufgaben machen, den Haushalt organisieren, mich um alles kümmern. Der Alkohol war für mich ein Motor, damit ich funktioniere."
Im März 2021 streikt ihr Körper. Sie kann nicht mehr aufstehen und leidet unter schweren Depressionen. Diesmal zieht ihr Partner die Reißleine. "Er sagte mir auf den Kopf zu, dass ich professionelle Hilfe bräuchte." Wieder Suchtberatung, wieder Krankenhausaufenthalt. Wieder Erfolg. Seit dem 26. Juli 2021 ist Monika abstinent. Nach wie vor sucht sie die ambulante Suchtberatung der Diakonie Pirna auf. Dort finden Gruppen- aber auch Einzelgespräche statt. "Hier kann ich mich öffnen, ich werde verstanden, kann ehrlich sein und erfahre Ehrlichkeit im geschützten Raum", berichtet Frau L.
Fortbildung zur Erzieherin
Auch ihre Familie hat sie nie aufgegeben, sondern sie immer unterstützt. "Niemals haben mir meine Eltern einen Vorwurf gemacht. Und mein Mann steht hinter mir, vertraut mir und kontrolliert mich nicht. Das ist ganz wichtig." Jetzt wird sie den Beruf wechseln. Sie plant eine Fortbildung zur Erzieherin. Auch um der Verwendung von Alkohol in der Lebensmittelbranche zu entfliehen. "Ich bin auf einem guten Weg", sagt Monika L. und sieht mit viel Optimismus in die Zukunft.